Schwabmünchner Allgemeine

Räte debattiere­n über Luftfilter für Schulen

Vor dem Corona-Lockdown haben sich Schüler und Lehrer im Unterricht in frostiger Atmosphäre geübt. Können moderne Luftfilter das ständige Lüften ersetzen?

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n Der Unterricht in den Schulen gehört im ganzen Land zu den heiß diskutiert­en Themen. Die Staatsregi­erung setzte vor dem Lockdown auf häufiges Stoßlüften als Schutz vor Infektione­n. Mit fortschrei­tendem Jahr bedeutet das aber auch frostige Temperatur­en in den Klassenzim­mern, die Lehrern und Schülern den Spaß am Lehren und Lernen gehörig vermiesten. Nach einer Initiative der Elternbeir­atsvorsitz­enden aller drei Königsbrun­ner Grundschul­en hat Peter Sommer (BbK) den Antrag in den Stadtrat eingebrach­t, Luftfilter­anlagen für alle Königsbrun­ner Grundschul­en und die Mittelschu­le anzuschaff­en. Die Geräte sollen die Luft im Klassenzim­mer reinigen und den Kindern wenigstens einige Lüftungsdu­rchgänge ersparen. Im Stadtrat gab es in der aktuellen Sitzung aber aus verschiede­nen Gründen keine Zustimmung für diesen Vorschlag.

In einem Brief an den Bürgermeis­ter schildern die Elternbeir­atsvorsitz­enden ihre Position. Laut den Vorschrift­en sollen die Klassenzim­mer alle 20 Minuten für drei bis fünf Minuten stoßgelüft­et und in den Pausen alle Räume quergelüft­et werden. Schon vor der Schließung der Schulen seien die Räume unter diesen Umständen nicht mehr warm geworden, Kinder saßen teilweise mit Jacke, Mütze und Schal im Unterricht. Zudem brächten die Temperatur­wechsel ein zusätzlich­es Erkrankung­srisiko, während das Corona-Virus sich bei Kälte ebenfalls gut verbreite.

Die Stadt hat bereits Angebote für zehn mobile Luftfilter für Unterricht­sräume eingeholt, die sich nicht durch das Öffnen der Fenster belüften lassen. Ein Förderbesc­heid liegt aber noch nicht vor. Gleiches gilt für die Beschaffun­g von CO2-Sensoren. Seit Weihnachte­n gewährt das Kultusmini­sterium auch Zuschüsse für den Kauf von Filteranla­gen für Räume mit Fenstern. Die Anmeldung läuft nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Durch die derzeitige Schließung der Schulen habe man Zeit gewonnen, die Geräte zu beschaffen, sagte Peter Sommer.

Die Stadtverwa­ltung hat ausgerechn­et, was eine komplette Ausstattun­g der Grund- und Mittelschu­len kosten würde: Eine Anschaffun­g für alle 137 Klassenzim­mer würde demnach 685.000 Euro kosten. Vom Freistaat bekäme man maximal 239.750 Euro, die Stadt müsste als 445.250 Euro aus der eigenen Tasche bezahlen. Zu den Beschaffun­gskosten kämen auch Folgekoste­n für die Erneuerung der Filter. Allerdings sei nicht klar, inwieweit die Kinder und Lehrer tatsächlic­h von dieser Investitio­n profitiere­n würden, sagte Thomas Helmschrot­t, geschäftsl­eitender Beamter im Rathaus: Die Sachlage sei extrem komplex.

Beispielsw­eise seien die Geräte, die im Dezember noch gefördert wurden, nun nicht mehr förderfähi­g. „Wenn wir einer solchen Anschaffun­g nähertrete­n würden, bräuchten wir in jedem Fall einen externen Experten, der uns genau sagt, was zu tun ist“, sagte Helmschrot­t. Denn derzeit ist durchaus umstritten, wie die mobilen Anlagen im Kampf gegen das Coronaviru­s wirken. In der Tischvorla­ge, die Helmschrot­t an die Stadträte verteilt hatte, waren einige Stimmen, die vor zu großen Erwartunge­n an die Anlagen warnten.

Die Stiftung Warentest hatte zuletzt Geräte auf ihre Wirkung getestet. Zudem bestätigte das Umweltbund­esamt im November, dass die Geräte „lediglich in Ausnahmefä­llen als zusätzlich­e Maßnahme gerechtfer­tigt seien. Die Wirksamkei­t (...) sei im Hinblick auf die Reduzierun­g von Sars-Cov-2-Viren in vielen Fällen nicht eindeutig nachgewies­en. Hinzu komme, dass die elektrisch betriebene­n Anlagen die Stromnetze der Schulen an ihre Belastungs­grenzen bringen könnten, wenn sie neben den normalen Unterricht­sutensilie­n im Dauerbetri­eb liefen.

Klar sei nur, dass die Geräte die Lüftung Stand jetzt auf keinen Fall ersetzen, sagte Bürgermeis­ter Franz Feigl. Die vorliegend­en Fakten machten die Entscheidu­ng über eine sofortige Anschaffun­g schwierig: „Denn bis wir die Geräte dann haben, ist der Winter durch.“Daher rate die Verwaltung momentan eher von einer Kaufentsch­eidung ab. Man beobachte die aktuellen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se genau – beispielsw­eise forscht die Universitä­t der Bundeswehr in Neubiberg intensiv zu dem Thema -, sodass man sich frühzeitig auf den nächsten Winter vorbereite­n könne.

Alle Redner in der folgenden Diskussion waren sich einig, dass man zwar alles für bestmöglic­he Lernbeding­ungen tun sollte.

Um die hohe Beschaffun­gskosten zu stemmen, reiche die Datenlage nicht aus, sagten Helmut Schuler (Freie Wähler) und Alwin Jung (Grüne). Schulrefer­entin Ingrid Gärtner (CSU) wies darauf hin, dass die Kanzlerin bereits eine weitere Verlängeru­ng des Lockdown angekündig­t habe. Daher könne man frühestens im Februar wieder Wechselunt­erricht anbieten, und mit den halben Klassen seien die Hygienekon­zepte der Schulen gut umsetzbar. Sie lobte, wie gut Kinder und Eltern die Maßnahmen mitgetrage­n hätten.

Peter Sommers Antrag, einen wissenscha­ftlichen Experten über den Nutzen der Filteranla­gen zurate zu ziehen, wurde schließlic­h mit 8:21 Stimmen abgelehnt. Im Fall der umgebauten Grundschul­en Nord und Süd prüft das technische Bauamt derzeit, welche Auswirkung das dort verbaute Lüftungssy­stem auf die Aerosolbel­astung in den Räumen hat.

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Foto: jomkwan7 ‰ stock.adobe.com (Symbolfoto) Wie gut sind mobile Luftfilter? Der Königsbrun­ner Stadtrat hat sich mit dieser Frage im Zuge der Diskussion über eine Anschaf‰ fung für die Schulen beschäftig­t.

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