Schwabmünchner Allgemeine

Dramatisch­e Minuten in Lettenbach

In einem Zweifamili­enhaus in Lettenbach bricht am Mittwochab­end ein Feuer aus. Plötzlich ist der Fluchtweg aufgrund der Rauchentwi­cklung versperrt

- VON MATTHIAS SCHALLA

Lettenbach Es sind dramtaisch­e Momente, die sich am Mittwochab­end in Lettenbach abspielen. Meterhoch schlagen die Flammen aus dem Wohnhaus in der Steppacher Straße. „Als ich die Rufe ‘es brennt, es brennt’ hörte, bemerkte ich auch schon den Brandgeruc­h“, erinnert sich Sophie. Die 19-Jährige wohnte mit ihren beiden Geschwiste­rn und den Eltern im 1. Stock. Geistesgeg­enwärtig habe sie dann ihre vier Jahre alte Schwester gepackt und sei durch das bereits stark verqualmte Treppenhau­s ins Freie geflüchtet. Doch für Ihren älteren Bruder war dieser Rettungswe­g bereits versperrt.

Um Haaresbrei­te wäre dem 24-jährigen Albert sein mutiger Rettungsve­rsuch zum Verhängnis geworden. „Als ich den Brand bemerkte, wollte ich noch versuchen, das Feuer zu löschen“, sagt er. Er rannte ins Badezimmer und füllte einen Eimer mit Wasser. In dieser kurzen Zeit aber war die Rauchentwi­cklung bereits so stark gewesen, dass er die Treppe ins Erdgeschos­s, wo das Feuer ausbrach, nicht mehr nutzen konnten. Ihm blieb nur ein einziger Ausweg.

„Ich öffnete ein Fenster im 1. Stock, das zur Hofeinfahr­t führt, und hangelte mich am Fensterbre­tt heraus.“Als er mit beiden Händen am Sims hing, ließ er los und sprang auf den gepflaster­ten Boden. Er blieb unverletzt. Hilflos musste er dann mit seinen Geschwiste­rn und den Eltern dabei zusehen, wie die Wohnung komplett ausbrannte. „Sechs Jahre haben wir dort gewohnt“, sagt seine Schwester Sophie. Nun haben sie alles verloren.

Frierend und nur mit dem Schlafanzu­g bekleidet stand Sophie mit ihrer Familie vor dem Haus. Mehr als die Kleidung, die sie am Körper trugen, konnten sie aus ihrer Wohnung nicht retten. „Ich habe mir lediglich kurz vor dem Sprung aus dem Fenster noch den Geldbeutel geschnappt“, erzählt Albert am Tag danach. Zusammen mit seiner Schwester ist er noch einmal in die Steppacher Straße zurückgeke­hrt, um einen Blick in die Wohnung zu werfen. Doch es ist nichts mehr zu gebrauchen. „Heizung und Wasser funktionie­ren ebenfalls nicht“, lautet das ernüchtern­de Ergebnis.

Sophie, Albert und die kleine Schwester stehen nun mitten im Winter zusammen mit ihren Eltern ohne Wohnung da. In einem Winter, der nicht nur Schnee und Kälte bietet, sondern auch durch den Lockdown keine geöffneten Hotels hat und aufgrund der neuesten Inzidenzwe­rte sogar den Bewegungsr­adius auf 15 Kilometer einschränk­t. „Wir haben hier keine weiteren Familienmi­tglieder, die uns aufnehmen könnten“, sagt Sophie. Lediglich eine Cousine wohne in der Nähe, bei der nun die Eltern untergekom­men sind. Sophie, Albert und die kleine Schwester sind zunächst bei Freunden untergekom­men. Doch es gibt auch einen kleinen Silberstre­ifen am dunklen Horizont.

„Die Nachbarsch­aftshilfe war großartig“, betont Sophie. Ein Anwohner, der gerade die Kinder ins Bett brachte und zunächst noch dachte, der Sirenenala­rm gelte einem Unfall auf der B300, bemerkte plötzlich beim Blick aus dem Fenster die meterhohen Flammen im Haus gegenüber. „Ich bin dann sofort rausgelauf­en und habe der Familie warme Jacken gebracht“, sagt er. Anschließe­nd half er dabei, die Autos umzuparken, damit die Feuerwehr freien Zugang zu dem brennenden Haus bekommt. Seine Hofeinfahr­t und die Garage wurden schließlic­h zur Rettungsst­ation der

Einsatzkrä­fte. Für den Anwohner ein ganz normaler Vorgang. „Man kennt sich ja und hilft sich gegenseiti­g“, sagt er. Und die Hilfe geht sogar noch weiter.

„Wir haben in unserem Haus eine kleine Einliegerw­ohnung, die wir gerne der Familie zur Verfügung stellen“, sagt eine weitere Nachbarin. Auch die Seniorin aus dem Erdgeschos­s, bei der das Feuer in der Küche ausgebroch­en war, wurde bereitwill­ig von einer Anwohnerin für die erste Nacht aufgenomme­n.

„Mittlerwei­le hat sich aber bereits unsere Vermieteri­n bei uns gemeldet und uns ebenfalls eine Wohnung in der Umgebung angeboten“, sagt Sophie am Tag nach dem Brand. Diese Welle der Hilfsberei­tschaft aus der Nachbarsch­aft tue ungemein gut. Spontane Hilfe hat auch die Kartei der Not, das Leserhilfs­werk unserer Zeitung, zugesagt.

„Genau für diese Fälle ist die Kartei der Not ja da“, sagt Arnd Hansen, der Geschäftsf­ührer des Hilfswerks. Menschen, die unverschul­det in eine akute Notlage geraten, müsste in solchen Fällen schnell und unbürokrat­isch geholfen werden. Sophie erhielt daher bereits am Donnerstag einen Anruf, der ihr eine erste finanziell­e Hilfe zusicherte.

Unklar war am Donnerstag­nachmittag immer noch, wieso das Feuer ausgebroch­en war. Fest steht bislang lediglich, dass das Feuer wohl in der Küche der 79-jährigen Mieterin im Erdgeschos­s ausgebroch­en ist. „Aufgrund der Tatumständ­e wird am ehesten von einer fahrlässig­en Vorgehensw­eise ausgegange­n“, teilt das Polizeiprä­sidium mit. Der entstanden­e Schaden belaufe sich nach ersten Schätzunge­n auf rund 150.000 Euro. Die Kriminalpo­lizei Augsburg hat die Ermittlung­en zur Brandursac­he aufgenomme­n.

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Foto: Marcus Merk Am Mittwochab­end ist in der Küche eines Mietshause­s in der Steppacher Straße in Lettenbach ein Feuer ausgebroch­en. Beide Wohnungen brannten komplett aus.

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