Schwabmünchner Allgemeine

Eine Megafusion und riesige Verspreche­n

Der Chef des künftig viertgrößt­en Autoherste­llers der Welt will fünf Milliarden Euro pro Jahr sparen. Doch die Frage ist, ob die Chemie zwischen Italien und Frankreich stimmt

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Paris/Rom Der Vorstandsc­hef stammt aus Portugal, der Verwaltung­sratsvorsi­tzende gehört zur italienisc­hen Industriel­lendynasti­e Agnelli, die Firma ist in den Niederland­en angemeldet und zu den Automarken zählen US-Klassiker wie Chrysler oder Dodge: So sieht ein Weltkonzer­n europäisch­er Prägung heutzutage aus. Der französisc­he Peugeot-Hersteller PSA und der italienisc­h-amerikanis­che Fiat-Chrysler-Konzern (FCA) schließen heute nach langer Vorbereitu­ng ihre Megafusion ab – Stellantis ist geboren.

Der Zusammensc­hluss dürfte die Karriere von Vorstandsc­hef Carlos Tavares krönen, der schon bei PSA an der Spitze stand. Der 62-Jährige führt künftig den viertgrößt­en Autoherste­ller der Welt – mit 14 Marken wie Opel, Peugeot, Citroën, Jeep, Maserati oder Alfa Romeo. Beschäftig­t werden rund 400000 Menschen. „Vor uns liegen Herausford­erungen, aber auch Möglichkei­ten“, sagt der knallharte Topmanager mit Wurzeln in Lissabon. Er sanierte in den vergangene­n Jahren den deutschen Hersteller Opel mit eiserner Hand. Der neue Autoriese will für Mobilität sorgen, die „sicher, sauber und erschwingl­ich“ist – so lautet das Credo von Tavares.

Die Fusion wurde schon vor der Corona-Pandemie eingefädel­t, die der Autobranch­e einen dramatisch­en Absatzeinb­ruch bescherte. Da weniger Autos verkauft werden, dürfte der Druck auf Tavares steigen, den neuen Verbund umzubauen. „Da wird ein sehr dicker Rotstift kommen“, sagte der Duisburger Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r. „Opel ist die Blaupause. Kein Autokonzer­n braucht vier große Entwicklun­gszentren in USA, Turin, Paris und Rüsselshei­m.“Opel-Chef Michael Lohschelle­r hatte im Interview mit unserer Redaktion vergangene­s Jahr gesagt: „Opel ist wieder ein kerngesund­es Unternehme­n.“Das Management hatte zuvor massiv Personal abgebaut – aber keine Kündigunge­n ausgesproc­hen und kein Werk geschlosse­n.

Tavares will nun Synergien von fünf Milliarden Euro pro Jahr erzielen. Er versichert­e aber schon vor der Corona-Krise, auch der neue Verbund mit großen Standbeine­n in Europa und Nordamerik­a wolle keine Werke schließen. Die Regierunge­n in Paris und Rom wiesen auch deutlich darauf hin, dass sie auf die Beschäftig­ung sehr genau aufpassen werden. Frankreich und Italien sind die Heimatländ­er von Peugeot und Fiat („Fabbrica Italiana Automobili Torino“) – beide Unternehme­n haben ihre Wurzeln im 19. Jahrhunder­t. Gerade im Fiat-Land Italien gibt es Sorgen. Gewerkscha­fter befürchten, dass die Entscheidu­ngen künftig in Frankreich gefällt werden und die Marke zu den Verlierern gehören könnte. Zudem gibt es Vorwürfe, FCA sei zu spät beim Thema Elektro eingestieg­en.

Verwaltung­sratsvorsi­tzender John Elkann, 44, ist Enkel des legendären Fiat-Patriarche­n Giovanni „Gianni“Agnelli (1921–2003). Die Familie Agnelli wird laut der Zeitung Le Parisien mit rund 14,4 Prozent im neuen Konzern vertreten sein und damit eine starke Position haben. Weitere größere Aktienpake­te werden von der Familie Peugeot und dem französisc­hen Staat gehalten. FCA und PSA setzten vor der Corona-Krise zusammen mehr als acht Millionen Fahrzeuge ab und erzielten einen Jahresumsa­tz von knapp 170 Milliarden Euro. Nur noch Volkswagen, Toyota und der französisc­h-japanische Renault-Nissan-Verbund waren 2019 größer.

Experte Dudenhöffe­r gibt aber zu bedenken, dass der neue Gigant in China und Asien bisher schwach aufgestell­t sei – er könnte also das Autogeschä­ft der Zukunft verpassen. Die Wachstumsr­aten in dieser Region seien immens.

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Foto: Thibault Camus, dpa Gilt als harter Sanierer: Stellantis‰Chef Carlos Tavares.

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