Umkehr nach Corona?
Waffenexporte sind weltweit stabil, aber Deutschland legt zu
Stockholm Nach Jahren des starken Wachstums haben sich die weltweiten Rüstungsexporte auf hohem Niveau eingependelt. Das Gesamtvolumen von Waffenlieferungen sank von 2016 bis 2020 im Vergleich zum vorigen Fünfjahreszeitraum leicht um 0,5 Prozent, war aber nach wie vor um zwölf Prozent höher als in den Jahren 2006 bis 2010. Das geht aus dem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervor. Während die Exportzahlen von Russland und China rückläufig waren, nahmen die der drei westlichen Staaten unter den fünf größten Waffenexporteuren zu: Die USA bleiben weiter mit Abstand größter Verkäufer von Rüstungsgütern, aber auch Frankreich und Deutschland lieferten mehr.
Ob die Gesamtausfuhren von Großwaffen auf Dauer und angesichts der Folgen der Corona-Krise nun langfristig abflachen, lässt sich nach Ansicht der Friedensforscher noch nicht abschätzen. „Es ist zu früh, um zu sagen, ob die Zeit des raschen Wachstums der Waffenlieferungen der vergangenen zwei Jahrzehnte vorbei ist“, sagte der Sipri-Rüstungsexperte Pieter Wezeman. Manche Länder könnten ihre Waffeneinfuhren wegen der wirtschaftlichen Pandemie-Folgen zwar überdenken. Zugleich aber hätten mehrere Staaten selbst auf der Höhe der Corona-Krise 2020 große Rüstungsverträge unterzeichnet.
Klar bleibt, dass die USA ihre Position als weltweiter Waffenlieferant Nummer eins weiter ausgebaut haben: Mit Lieferungen an 96 Staaten und einem Fünfjahreswachstum um 15 Prozent sind sie heute für 37 Prozent der Exporte verantwortlich (im Fünfjahreszeitraum davor 32 Prozent). Fast die Hälfte der Rüstungsgüter lieferte Washington in den Nahen Osten. Größter Abnehmer bleibt Saudi-Arabien. Die Region mit den meisten Importen ist jedoch Asien und Ozeanien. Dort sei für viele Staaten „eine wachsende Wahrnehmung von China als Bedrohung der Haupttreiber für Rüstungsimporte“, so Wezeman.
Die Bundesrepublik ist für 5,5 Prozent der global verkauften Rüstungsgüter verantwortlich. Die größten Abnehmer unter 55 Staaten waren Südkorea, Algerien und Ägypten. Sipri-Experte Wezeman wies darauf hin, dass Deutschland Restriktionen für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien erlassen habe. In den Sektoren Marine-Ausrüstung und Panzerfahrzeuge bleibe Deutschland „einer der wichtigsten Lieferanten der Welt“. Greenpeace kritisierte, dass Deutschland Waffen auch an Diktaturen, in Kriegs- und Krisengebiete sowie an Entwicklungsländer verkaufe.
Grüne und Linke forderten umgehend die Bundesregierung erneut zum Überdenken ihrer Waffenlieferungen auf. „Die Sipri-Zahlen belegen, dass Deutschland erneut die Waffenausfuhren in die Höhe getrieben hat – und zwar gegen den weltweit gegenläufigen Trend“, sagte die Abrüstungssprecherin der Grünen, Katja Keul. Der Mythos einer restriktiven Rüstungsexportpolitik könne so längst nicht mehr aufrechterhalten werden. „Union und SPD sind beste Garanten für Megagewinne der deutschen Rüstungsindustrie“, kritisierte Sevim Dagdelen von den Linken.