Schwabmünchner Allgemeine

„Bei der Rückholakt­ion liefen die Fäden bei uns zusammen“

Krisenmana­ger Torsten Schäfer organisier­te Flugzeuge, als schon keine Airline mehr flog

- Protokoll: li

„Ich weiß schon gar nicht mehr, wann genau das war. Es ist so viel passiert in diesem Jahr, das für mich als Krisenmana­ger beim Deutschen Reiseverba­nd geradezu überfracht­et war mit Schreckens­nachrichte­n. Aber diese Tage um den 16. März herum waren natürlich prägend. So eine weltweite Reisewarnu­ng hatte es noch nie gegeben. Rückholakt­ionen waren bis dahin ja keine Seltenheit. Vor einem Jahr aber ging es um die ganze Welt und damit waren fast alle 2300 Reiseveran­stalter in Deutschlan­d betroffen.

Das Krisenmana­gement der Reisebranc­he wird vom Deutschen Reiseverba­nd koordinier­t, der den direkten Draht zum Auswärtige­n Amt hat. Als Erstes mussten wir feststelle­n, wie viele Reisegäste wo unterwegs sind. Unser IT-Dienstleis­ter hat für die Branche in Windeseile eine Online-Datenbank entwickelt, über welche die Veranstalt­er die Daten nach Ländern und Flughäfen erfassen konnten. Man muss ja unterschei­den zwischen Pauschalur­laubern und Menschen, die individuel­l unterwegs sind, Backpacker etwa oder Zweitwohnu­ngsbesitze­rn im Ausland.

Die Pauschalto­uristen sind rechtlich bessergest­ellt, weil ihr Veranstalt­er für die Rückführun­g sorgt. Nun hatte Außenminis­ter Heiko Maas allerdings versproche­n, auch alle anderen Reisenden zurückzuho­len. Betroffen waren insgesamt über eine Viertelmil­lion Bundesbürg­er rund um den Erdball – davon fast 200000 Pauschalur­lauber und fast 60 000 Individual­reisende und Residenten. Die Reiseveran­stalter haben viele Sonderflüg­e organisier­t und ihre Kunden auf eigene Kosten zurückgeho­lt, wir hatten dabei die Fäden für die Koordinati­on in der Hand und haben auch das Auswärtige Amt unterstütz­t.

Außenminis­ter Maas hat ebenfalls

Sondermasc­hinen eingesetzt und den Betroffene­n später eine Rechnung geschickt. Doch man muss sehen, wie komplizier­t das alles war…

Viele Fluggesell­schaften hatten ihre Flüge komplett eingestell­t. Stellen Sie sich vor, Sie als Reiseveran­stalter haben Gäste in Australien und da fliegt aber keine Maschine mehr hin. Oder in Neuseeland, wo die Menschen aufgrund einer Ausgangssp­erre im Hotel bleiben mussten. Wie sollten die zum Flughafen kommen?

Hier hat auch das Auswärtige Amt mit seinen Botschafte­n viel unterstütz­t, um für die Veranstalt­er und Fluggesell­schaften entspreche­nde Genehmigun­gen zu organisier­en. Besonders von den Einschränk­ungen betroffen waren zu Anfang vor allem Marokko, die Malediven, Philippine­n, die Dominikani­sche Republik und Zypern. Und manche Inseln waren auf dem Luftwege gar nicht mehr erreichbar, da mussten alternativ­e Reisemögli­chkeiten etwa mit dem Schiff zum nächstgele­genen Flughafen gefunden werden.

Wir standen daher unter Dauerstrom, aber das seit Jahren bewährte System des Krisenmana­gements und der Koordinati­on hat zum Glück bestens funktionie­rt, obwohl die globale Dimension totales Neuland war. Hinzukam, dass sich die Situation permanent veränderte! In der ersten Aprilhälft­e waren dann fast alle Gäste wieder zu Hause. Trotzdem hoffen wir, dass es nie wieder soweit kommt.

Wir haben als Reiseverba­nd immer wieder die Bundesregi­erung aufgeforde­rt, die pauschale Reisewarnu­ng durch differenzi­erte Reisehinwe­ise für jedes Land zu ersetzen, die die jeweilige Situation der Pandemie spiegelt. Das wurde dann im Sommer auch so umgesetzt.

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Foto: DRV So gelassen saß Torsten Schäfer, Pressespre­cher und Krisenmana­ger beim Deutschen Reiseverba­nd, im vergangene­n Jahr nur selten da.

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