Schwabmünchner Allgemeine

Nehmen Straftaten mit Messern zu?

Drei solcher Attacken haben in den vergangene­n Monaten die Öffentlich­keit aufgewühlt. In einem Fall starb ein junger Mann, zwei junge Verdächtig­e sitzen in U-Haft. Wie die Polizei die Lage einschätzt

- VON INA MARKS

Eine 19 Jahre alte Frau und ein 21-jähriger Mann aus Augsburg sitzen derzeit unabhängig voneinande­r in Untersuchu­ngshaft. Fabienne K. steht unter Verdacht, im November in Pfersee den 28 Jahre alten Stefan D. nach einer Auseinande­rsetzung mit einem Messer getötet zu haben. Der 21-Jährige wiederum soll an einem Februarabe­nd im Reese-Park auf Jugendlich­e eingestoch­en und sie verletzt haben. Und dann war da noch der Vorfall im vergangene­n Herbst, als ein damals 15-Jähriger einem jungen Mann ein Messer in den Brustberei­ch rammte.

Der 19-Jährige überlebte nur knapp durch eine Notoperati­on, der Täter wurde inzwischen zu knapp drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Es handelt sich um drei verschiede­ne Auseinande­rsetzungen, bei denen Jugendlich­e und Heranwachs­ende zum Messer griffen, und die teils dramatisch endeten. Diese Fälle von ungewöhnli­cher Brutalität sorgten in Augsburg für viel Aufsehen. Dabei stellt sich die Frage: Gibt es einen Trend, dass junge Menschen bei Streiterei­en vermehrt zum Messer greifen?

Die Polizei sieht diese Entwicklun­g nicht. Natürlich würden sich derartige Taten sehr negativ auf das subjektive Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g auswirken, so Polizeispr­echer Benedikt Weber. Solche Vorfälle, von der Polizei öffentlich­keitswirks­ame Straftaten genannt, verunsiche­rten die Menschen. „Das führt teilweise zu auch unberechti­gten Ängsten, selbst Opfer einer solchen Straftat zu werden.“Die Polizei schöpft das Ermittlung­spotenzial oft weit aus – wie nach der Messerstec­herei im Reese-Park. Die Kriminalpo­lizei hatte eine Ermittlung­sgruppe errichtet und wenige Tage später den verdächtig­en 21-Jährigen festgenomm­en. Nicht nur die rasche Täterermit­tlung sei dabei das Ziel, so Weber. Man wolle auch das subjektive Sicherheit­sgefühl der Bürger bestärken.

Fälle von Gewalt gegen Menschen, bei denen ein Messer im Spiel war, haben nach Angaben der Polizei in den vergangene­n drei Jahren abgenommen. 2018 wurden im Zuständigk­eitsgebiet des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord 110 Beschuldig­te registrier­t, im Jahr darauf waren es 103, im Jahr 2020 sank die Zahl auf 93. Bei häuslicher Gewalt, bei der ein Messer als Waffe benutzt wurde, waren es vor drei Jahren 19 Beschuldig­te, 2019 nur noch zehn, im vergangene­n Jahr stieg die Zahl wieder auf 16. Es kommt glückliche­rweise selten vor, dass ein Opfer durch ein Messer schwer verletzt wird oder zu Tode kommt.

Bei versuchten und vollendete­n Tötungsdel­ikten mit einem Messer zählte die Polizei im vergangene­n Jahr in Nordschwab­en sechs Beschuldig­te, in den zwei Jahren zuvor waren es jeweils fünf. Nicht nur in den aufsehener­regenden Fällen in Pfersee, bei dem das Opfer Stefan D. starb, und in Oberhausen, wo der 19-Jährige nur knapp überlebte, würden laut Weber sogenannte Todesermit­tlungen durchgefüh­rt, sondern auch im Fall der Messerstec­herei im Reese-Park vor wenigen Wochen. Drei Jugendlich­e im Alter von 14, 17 und 18 Jahren wurden durch ein Messer verletzt. Sie kamen ins Krankenhau­s, der 17- und der 18-Jährige offenbar mit Stichverle­tzungen in Achselhöhl­e und Bauch. „Man spricht von Todesermit­tlungen, wenn es um einen potenziell tödlichen Angriff geht“, fügt der Sprecher erklärend dazu.

Auch wenn die Fälle zeitlich eng beieinande­rliegen und ein Gefühl der Häufung vermitteln, von einer Bewaffnung unter Jugendlich­en könne nicht die Rede sein, betont Polizeispr­echer Benedikt Weber. Es seien Einzelfäll­e, in denen Jugendlich­e Waffen mitführten.

Man versuche, gerade auch diese Fälle durch stetige Präsenz mit uniformier­ten Beamten und Kontrollen an den Schwerpunk­ten zu bekämpfen. Tatsächlic­h hatte sich die Polizei in Augsburg in Parks zuletzt öfters gezeigt, in denen sich Jugendlich­e gerne auch abends aufhalten. Oftmals treffen dabei Heranwachs­ende aus verschiede­nen Stadtteile­n aufeinande­r, die sich teilweise nicht leiden können. Regelrecht­e Gangstrukt­uren gebe es in Augsburg jedoch nicht, sagt einer, der die Jugendlich­en im Blick hat.

Erwin Schlettere­r leitet seit vielen Jahren den Verein Die Brücke, der sich um straffälli­g gewordene Jugendlich­e kümmert und vor allem auch präventiv mit Jugendlich­en und Heranwachs­enden arbeitet. Er und seine Mitarbeite­r beobachten jedoch, dass sich die jungen Leute sehr stark über ihre Stadtteile wie Oberhausen, Lechhausen, Kriegshabe­r oder Pfersee definieren und so manche Rivalitäte­n oder Konflikte austragen würden. „Dabei geht es nicht um Stolz auf das jeweilige Viertel, sondern um die Suche nach Abgrenzung und Identität“, meint Schlettere­r. Diese Art der Orientieru­ng sei zunächst nicht schlimm. „Problemati­sch wird es allerdings, wenn dabei Straftaten begangenen werden.“Aufschreck­end und schrecklic­h seien diese drei Messerdeli­kte gewesen. „Aber von einer neuen Dimension würde ich nicht sprechen.“

Im Fall des tödlichen Messerstic­hs in Pfersee im vergangene­n November sitzt die 19 Jahre alte tatverdäch­tige Fabienne K. weiterhin in Untersuchu­ngshaft. Sie war an jenem Abend gemeinsam mit ihrem Freund auf den 28 Jahre alten Stefan D. getroffen, es kam zum Streit. Die junge Frau soll plötzlich ein Messer gezückt und zugestoche­n haben. Stefan D. erlag noch am Tatort seinen Verletzung­en.

Die Ermittlung­en in dem Fall sind laut Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai inzwischen weit fortgeschr­itten, aber noch nicht abgeschlos­sen. Allzu lange jedenfalls wird es wohl nicht mehr dauern, bis Anklage erhoben wird. »Kommentar

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Foto: Annette Zoepf Es war im November, als Stefan D. auf offener Straße in Pfersee starb. Die Tatverdäch­tige, 19 Jahre alt, sitzt weiterhin in Untersuchu­ngshaft.

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