Schwabmünchner Allgemeine

Was Corona für Ehrenamt und Kreative bedeutet

Künstlerin Claudia Baschenegg­er vermisst Veranstalt­ungen, Gerhard Decker das Wandern in der Gruppe. Augsburger erzählen, wie Corona ihr Engagement beeinträch­tigt

- VON ANDREA BAUMANN

Gerhard Decker hätte sich sein Dasein als städtische­r Senioren-Wanderführ­er auch anders vorgestell­t. Vor zwei Jahren hat er das Ehrenamt übernommen, erstmals im Herbst 2019 trugen die Mittwochst­ouren in Augsburg und der Region seine Handschrif­t. Schon wenige Monate später waren die gedruckten Routen Makulatur. Corona hat Decker und seine im Schnitt 60-köpfige Wandertrup­pe regelrecht ausgebrems­t. Dass er so bald wieder seinen Rucksack packen und seine Schuhe schnüren wird, glaubt der 69-Jährige angesichts der aktuellen Infektions­lage nicht. „Mein Wanderplan für die nächsten Monate wäre fertig. Wie gerne würde ich wieder starten“, sagt er ein wenig wehmütig. Zugleich weiß er, dass die Teilnehmer im Alter von etwa 60 bis 90 Jahren zur Risikogrup­pe zählen, und mag sich nicht vorstellen, wenn ein Wanderer die Gruppe anstecken würde. Trotz des Aufenthalt­s im Freien sei die Gefahr einfach zu groß, findet Decker.

Noch hat er die Hoffnungen nicht aufgegeben, dass im Sommer oder Herbst die seit vielen Jahren im Programm der städtische­n Fachstelle für Seniorenar­beit fest verankerte­n Ausflüge wieder stattfinde­n können – vielleicht in einer kleineren Gruppe und mit Picknick statt Gaststätte­nbesuch. Obschon sich Decker bewusst ist, dass das Essen in der Wirtschaft oder im Restaurant die rund zweistündi­ge Wanderung krönt. „Die Geselligke­it ist der entscheide­nde Punkt.“

Ob alle Wanderfreu­nde die Corona-Krise heil überstande­n haben, kann der Gruppenlei­ter zu seinem Bedauern nicht sagen. Zu Beginn der Pandemie habe er noch mit einigen Kontakt gehabt, in diesem Jahr aber noch nicht. So weiß Decker auch nicht, wer sich mit Spaziergän­gen alleine oder im kleinen Kreis fit hält. Er jedenfalls läuft gerne am Lech entlang. „Als Firnhabera­uer habe ich den Fluss vor der Haustüre.“

Die Erfahrunge­n von Decker decken sich mit denen von Waltraud Seeger. Die Augsburger­in leitet seit sechs Jahren eine Spanisch-Konversati­onsgruppe im Bürgerhaus Holzerbau in Hochzoll und hat festgestel­lt, dass die Anfragen, wann es wieder weitergehe, immer seltener kommen. Seeger bedauert es sehr, dass der Kurs mit Ausnahme von einigen Wochen im Sommer seit einem Jahr pausieren muss. „Die Gruppe war mein Baby. Die Teilnehmer mochten sich, so unterschie­dlich sie auch sind.“

Dass sie von der Spanischgr­uppe in der Vergangenh­eit spricht, mag der Stimmungsl­age nach der langen Zeit der Einschränk­ungen und des Verzichts geschuldet sein. Es fehle die Perspektiv­e. Dennoch ist Waltraud Seeger guten Mutes, zu gegebener Zeit wieder mit den Teilnehmer­n rechnen zu können. „Sie scharren mit den Hufen“, glaubt sie. Und sie verspricht einen Restart mit viel Abwechslun­g. „Die Themen fliegen mir nur so zu. Ich habe Stoff für ein Jahr“. Sie selbst frischt ihre Sprachkenn­tnisse, die sie unter anderem auf Urlaubsrei­sen erworben hat, zurzeit mit spanischsp­rachigen Filmen auf. Nahezu täglich schaue sie sich diese in Etappen an. Ob der Rest der Gruppe zuhause ebenfalls fleißig ist? „Ich glaube, dass meine Schäfchen mittlerwei­le weniger Spanisch können als zuvor. Sie halt einen Animateur“, sagt Waltraud Seeger und lacht.

Das Lachen hat auch Claudia Baschenegg­er nicht verlernt. Dabei beeinträch­tigt Corona das Schaffen der 60-Jährigen in mehrfacher Hinsicht. Zum einen fehlt ihr der Austausch mit den anderen Frauen im Malkreis „Pinselstri­ch“. „Mehr als zehn Jahre lang haben wir uns einmal im Monat im Bürgerhaus Pfersee getroffen“, erzählt sie. Dieses von ihr initiierte Angebot sei jetzt leider eingeschla­fen, nachdem ein im September erwogener Neustart wegen der kurz darauf wieder ansteigend­en Infektions­zahlen gar nicht erst zustande gekommen sei.

Das zweite Manko: Zwar kann Baschenegg­er ihre kreative Ader in den eigenen vier Wänden ausleben, was sie auch tut. Doch wegen Corona finden ihre Bilder und Skulpturen keine Abnehmer mehr. Dabei geht es der Autodidakt­in gar nicht darum, mit dem Erlös ihrer Werke die eigene Haushaltsk­asse aufzubesse­rn.

Vielmehr bietet sie ihre Werke für einen guten Zweck an. Normalerwe­ise, denn die Pandemie hat im Januar ihre alljährlic­he Benefizaus­stellung im Zeughaus ausfallen lassen. Allzu gerne würde sie sich auch von ihren gebastelte­n Kakteen trenbrauch­en nen. Aber eine Gelegenhei­t, die originelle­n Skulpturen zugunsten des geplanten Sukkulente­nhauses im Botanische­n Garten zu versteiger­n, ist zu Claudia Baschenegg­ers Bedauern ebenfalls nicht in Sicht.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Wie gerne würde Claudia Baschenegg­er ihre selbst gebastelte­n Kakteen zugunsten des geplanten Sukkulente­nhauses im Zoo versteiger­n. Doch auch Benefizver­anstaltung­en fallen wegen Corona flach.
 ??  ?? Gerhard Decker hat die Touren für seine Senioren‰Wandergrup­pe fertig ausgearbei‰ tet, doch er kann nicht loslegen.
Gerhard Decker hat die Touren für seine Senioren‰Wandergrup­pe fertig ausgearbei‰ tet, doch er kann nicht loslegen.

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