Für Trump hat Biden allenfalls Spott übrig
Wie sich der neue US-Präsident in seiner ersten Pressekonferenz schlug
Washington Gerade mal neun Wochen ist Joe Biden an diesem Tag im Amt. Objektiv ist das keine lange Zeit für einen Präsidenten. Insofern könnte man sich wundern, dass der Mann am Rednerpult ernsthaft gefragt wird, ob er 2024 erneut antreten werde. Andererseits ist es recht ungewöhnlich, dass ein Präsident in den ersten neun Wochen seiner Amtszeit nicht eine Pressekonferenz gegeben hat. Da hat sich einiges aufgestaut bei den Journalisten, und nun geht es darum, den 78-Jährigen auf Herz und Nieren zu prüfen.
Also startet eine Reporterin nach einer guten halben Stunde den Versuch einer Fangfrage. „Anders als Ihr Vorgänger zu diesem Zeitpunkt haben Sie die Kampagne für Ihre Wiederwahl noch nicht eröffnet“, sagt sie: „Treten Sie 2024 noch einmal an?“Das ist der Stoff, aus dem gewiefte Politik-Korrespondenten eine Story stricken können. Darin könnte es um das Alter des Präsidenten gehen, um seine ehrgeizige Stellvertreterin Kamala Harris und eine mögliche Wiederkehr von Donald Trump. Doch Biden reagiert anders als erwartet. „Ha, mein Vorgänger?“, fragt er lachend: „Der brauchte das!“Dann schiebt er spöttisch hinterher: „Ich vermisse ihn.“Die erneute Kandidatur? „Das ist meine Erwartung“, antwortet er knapp. Ob er glaube, dass Trump ihn herausfordern werde, fasst eine Journalistin nach. Nun hat er genug. „Come on!“, kontert er: „Ich habe keine Ahnung.“
Offenkundig hat Biden keine Lust auf politische Spielchen. Er will seine Botschaft herüberbringen. Und das gelingt ihm erstaunlich gut. Selbst im Weißen Haus hatten Berater zuvor Bauchschmerzen. Immerhin ist der redselige Politiker für seine verbalen Ausrutscher berüchtigt. Intensiv wurde er daher auf diesen Auftritt vorbereitet. Als er nach gut einer Stunde den East Room verlässt, in dem wegen der CovidSchutzmaßnahmen nur 25 Reporter sitzen dürfen, muss man sagen, dass er eine beachtliche NachrichtenDisziplin gewahrt hat.
Die Botschaften des Präsidenten sind klar: Oberste Priorität hat für ihn die Bekämpfung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen. Gleich zu Beginn verdoppelt er sein ursprüngliches Immunisierungsziel für die ersten 100 Tage auf 200 Millionen Impfungen. Für die nächste Woche kündigt er sein billionenschweres Infrastrukturpaket an. Deutlich ist auch seine Ansage an China, dessen Präsidenten Xi Jinping er anerkennend einen „schlauen, cleveren Kerl“nennt. China sei „kein Gegner“, aber ein „sehr ernster Wettbewerber“: „Sie haben das Ziel, das mächtigste Land der Welt zu werden. Das wird in meiner Amtszeit nicht geschehen.“
Der Kontrast von Bidens Auftritt zu denen seines Vorgängers könnte nicht größer sein. Möglichst präzise und ohne lange Ausschweifungen beantwortet er die Fragen. Donald Trump erwähnt er nun so gut wie nicht. Auch verkneift er sich Seitenhiebe gegen die Republikaner im Kongress, die viele seiner Initiativen blockieren. Stattdessen betont er, dass ihn die Hälfte der republikanischen Wähler unterstützen.
Am liebsten würde Biden nur über die Pandemie und seine Initiativen zur Ankurbelung der Wirtschaft reden. Doch die Themen geben die Fragenden vor. Und die sind mehr an der Lage an der Südgrenze der USA interessiert, wo derzeit täglich hunderte Migranten aus Mittelamerika eintreffen und mehr als 15000 unbegleitete Kinder und Jugendliche in völlig überfüllten Lagern sitzen.
Ob er mit seiner Ankündigung einer humaneren Flüchtlingspolitik den Ansturm provoziert habe, wird Biden mehrfach gefragt. „Soll ich mich geschmeichelt fühlen, dass die Leute meinetwegen kommen?“, versucht er es zunächst ironisch. Biden verweist darauf, dass Erwachsene an der Grenze zurückgeschickt würden und nur Minderjährige, die oft Verwandte in den USA hätten, hereingelassen würden: „Ein Kind zurückschicken, es hungern und sterben lassen – das werde ich nicht tun“, sagt er. Die Zustände in den Übergangslagern nennt er „inakzeptabel“und verspricht, die Regierung arbeite an Verbesserungen. Größer könnte der Kontrast zu Trump nun wirklich nicht sein. Doch dem Präsidenten dürfte klar sein: Das Flüchtlingsthema wird er so schnell nicht los.