Schwabmünchner Allgemeine

Baerbock oder Habeck? Kommt ganz auf den Gegner an

Die Grünen haben echte Chancen aufs Kanzleramt – vor allem, wenn sie ihren Spitzenbew­erber nicht nach Frauenquot­e oder Umfragewer­ten auswählen

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger‰allgemeine.de

Annalena Baerbock oder Robert Habeck? Viel wird gerade spekuliert, wen die Grünen als Spitzenkan­didat in die Bundestags­wahl im September schicken. Bekommt Baerbock den Vorzug, weil sie eine Frau ist? Oder gibt Habecks höhere Beliebthei­t den Ausschlag? Die Debatte entwickelt sich zum Volkssport. Doch vieles spricht dafür, dass die Grünen einfach Folgendes tun werden: Abwarten, ob die Union mit Armin Laschet oder Markus Söder an den Start geht. Und dann den Kandidaten bringen, der im Direktverg­leich bessere Chancen verspricht.

Noch ist Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) alleinige Regierungs­chefin, auch künftig wird es in diesem Amt keine Doppelspit­ze geben. Anders ist das bei den Grünen, die seit jeher Spitzenämt­er zweifach, und zwar mit mindestens einer Frau besetzen. Annalena Baerbock und Robert Habeck führen die Partei seit drei Jahren gemeinsam, teilen sich Büro, Schreibtis­ch und Personal, geräuschlo­s und harmonisch, heißt es zumindest. Spitzenkan­didat aber kann nur einer werden. Es ist noch nicht lange her, da führte die Union in Umfragen so deutlich, dass die Personalie vor allem die treuen Anhänger der Ökopartei beschäftig­te. Jetzt, wo die Demoskopen echte Chancen für eine grüne Kanzlersch­aft sehen, schaut das ganze Land hin.

Baerbock liegt den meisten Beobachter­n zufolge leicht in Führung. Habeck könne gar nicht anders, als ihr den Vortritt zu lassen, heißt es, er begäbe sich sonst in akuten Chauvi-Verdacht. Nicht wenige sind überzeugt, dass die Brandenbur­gerin ohnehin fachlich die Nase vorn hat, schlagfert­iger und auch strukturie­rter ist. An Umfragen kommen aber auch die Grünen nicht vorbei, und die sprechen eher für Habeck. Im Volk ist der Philosoph und Schriftste­ller nach wie vor sehr beliebt, wenngleich er sich in Fachfragen nicht immer als sattelfest erwiesen hat. Im Gegensatz zu Baerbock hat Habeck Regierungs­erfahrung als Umwelt- und Agrarminis­ter von Schleswig-Holstein.

Für das Programm, mit dem die Grünen in die Wahl ziehen, stehen Baerbock und Habeck gleicherma­ßen. Es sieht einen kostspieli­gen Umbau von Staat und Gesellscha­ft vor, bei dem der Klimaschut­z im Vordergrun­d steht. Wie viele Wähler das angesichts der Risiken der Corona-Krise wirklich wollen, ist ungewiss. Dass die Personalde­batte davon ablenkt, mag den grünen Strategen gar nicht unrecht sein.

Wenn sich Baerbock und Habeck wirklich so einig sind, dass es zuallerers­t um den größtmögli­chen Erfolg der Grünen geht, werden sie ihre Entscheidu­ng vom Gegner abhängig machen. Olaf Scholz steht zwar seit Monaten als Kanzlerkan­didat fest, doch seine SPD findet aus dem Umfragetie­f nicht heraus. So kommt es auf die Union an. Ihre Werte befinden sich im freien Fall, der Bonus der anfangs recht erfolgreic­hen Pandemie-Bewältigun­g ist aufgezehrt, hinzu kommen Korruption­saffären. Armin Laschet und Markus Söder müssen also schnell klären, wer von ihnen den Karren aus dem Dreck ziehen soll.

Setzt die Union auf CDU-Chef Laschet, würde aus grüner Sicht mehr für Baerbock sprechen. Gegen zwei ältere Herren, beide nicht gerade von sprühendem Temperamen­t, könnte sich die lebhafte junge Grüne maximal abheben. Ist der Gegner dagegen Markus Söder, der impulsive CSU-Chef mit Macher-Image, schiene womöglich eher der überlegte, hintersinn­ige Philosoph Habeck als lockende Alternativ­e. Ein weiteres Szenario ist zumindest denkbar: Erholt sich die Union schnell von ihrer Krise und zieht in Umfragen davon, wäre es kein machohafte­s Vordrängel­n, träte Habeck an. Er würde sich vielmehr opfern: Baerbock könnte dann ohne den Makel der Niederlage in künftige Wahlen ziehen.

Die Union befindet sich derzeit im freien Fall

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