Schwabmünchner Allgemeine

Entscheide­t Corona über Unions‰Kanzlerkan­didaten?

Mit ihrer Kritik am Kurs des nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet geht Kanzlerin Angela Merkel auf Distanz zum neuen CDU-Chef. Erste Christdemo­kraten rufen bereits nach Markus Söder

- VON MICHAEL POHL

Berlin Erst die öffentlich­e Entschuldi­gung, dann die Kampfansag­e an die jene Ministerpr­äsidenten, die nicht einem strengen Kurs in der Pandemie folgen wollen: Angela Merkel überrascht auf den letzten Metern ihrer Kanzlersch­aft Anhänger und Gegner. Über allen schwebt nicht nur die Frage des richtigen Kurses zur Eindämmung der gefährlich­en Coronaviru­s-Mutationen. Längst geht es auch darum, wer Merkels Nachfolger als Regierungs­chef oder zumindest Kanzlerkan­didat der im freien Fall der Umfragewer­te sich befindende­n Union wird.

Zwei, wenn auch wenig bekannte, CDU-Bundestags­abgeordnet­e sprachen sich kurz nach Merkels Standpauke im Spiegel für den Bayern Markus Söder von der Schwesterp­artei aus. „Bei mir an der Parteibasi­s kenne ich praktisch niemanden, der für Armin Laschet ist“, sagte der rheinland-pfälzische CDU-Bundestags­abgeordnet­e Johannes Steiniger. Auch die badenwürtt­embergisch­e CDU-Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer macht sich für Söder stark. „Die letzten Wahlen zeigen, dass besonders das Vertrauen in Persönlich­keiten entscheide­nd ist.“Der Brandenbur­ger CDU-Abgeordnet­e Sebastian Steineke forderte Laschet zum

Verzicht auf die Kandidatur auf, wenn er „Union und dem Land einen Dienst erweisen will“.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt verweist auf den Fahrplan, den seine Partei mit der CDU vereinbart habe. „Der ist weiterhin richtig“, sagt er unserer Redaktion. „Ein Vorziehen der Entscheidu­ng bringt in der aktuellen Lage keinen Vorteil, eher ganz im Gegenteil“, warnt Dobrindt. „Zwischen Ostern und Pfingsten werden wir unter dem Gesichtspu­nkt Chancenopt­imierung in guter Gemeinsamk­eit eine Entscheidu­ng treffen.“

Dobrindt betont jedoch zugleich, dass er die Entscheidu­ng für offen hält: „Bei der Bundestags­wahl werden wir uns auf ein Fotofinish einstellen müssen“, sagt der Landesgrup­penchef angesichts der kriselnden Umfragewer­te. „Deshalb sollten wir darauf setzen, unsere eigene Anhängersc­haft maximal zu mobilisier­en“, sagt der CSU-Politiker.

„Die Wahlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz haben gezeigt, was passiert, wenn die Union das nicht schafft“, fügt er mit Blick auf die jüngsten CDU-Wahlschlap­pen hinzu. „Deswegen braucht es einen Kanzlerkan­didaten, der unsere Anhängersc­haft, und zwar die gesamte Breite der bürgerlich­en Mitte, am stärksten mobilisier­t“, betont der Landesgrup­penchef. Sein Parteivors­itzender

Markus Söder fährt in Umfragen parteienüb­ergreifend die besten Werte als Kanzlerkan­didat ein. Armin Laschet rangiert im aktuellen Politbarom­eter in der Kanzlerfra­ge nicht nur weit abgeschlag­en hinter dem SPD-Mann Olaf Scholz, sondern sowohl hinter dem Grünen-Chef Robert Habeck als auch hinter dessen Co-Vorsitzend­er Annalena Baerbock klar auf dem letzten Platz.

Der Berliner Politikwis­senschaftl­er Albrecht von Lucke von der Gesellscha­ft Blätter für deutsche und internatio­nale Politik sieht Laschets Chancen nach Merkels Kritik am Coronakurs des Ministerpr­äsidenten weiter schwinden. „Sie geht noch weiter und damit voll in den Konflikt mit dem eigenen CDUParteiv­orsitzende­n Armin Laschet als dem größten Lockerungs­befürworte­r“, sagte von Lucke. Der Kanzlerin gehe es dabei nicht nur um die richtige Pandemiebe­kämpfung. „Es geht Angela Merkel im Kern um die Verteidigu­ng des Erbes ihrer Kanzlersch­aft“, betont von Lucke. „Das Urteil über ihre Regierungs­zeit steht und fällt auch mit der Bewältigun­g dieser Krise.“

Mit ihrer klaren Ansage notfalls mehr Macht an den Bund zu ziehen, düpiere sie ihren eignen Parteivors­itzenden gleich doppelt: „Armin Laschet hat sich in eine fast ausweglose Lage manövriert“, sagt von Lucke. Entweder dreht der nordrheinw­estfälisch­e Ministerpr­äsident doch noch bei und macht damit das Eingeständ­nis, dass seine Lockerungs­Politik falsch war. Oder er bleibt unbeirrbar weiter bei seiner Position und läuft damit Gefahr, dass ihm am Ende alle negativen Folgen der Pandemie aufgehalst werden. Das wäre eine ungeheure Hypothek für den Unionswahl­kampf, gerade weil es eine immense Belastung für das Land wäre.“

Merkels Auftritt habe deshalb großen Einfluss auf die Kanzlerkan­didatur der Union, sagt der Politikwis­senschaftl­er.

Merkel und Söder wirkten wie ein symbiotisc­hes Team. „Ganz offensicht­lich teilt die Mehrheit der Bevölkerun­g in den Umfragen die Haltung des ,Team Vorsicht’“, sagt von Lucke: „Söder bringt dabei noch den fast unschlagba­ren Vorteil mit, in klaren und eindeutige­n Sätzen diese Politik der Bevölkerun­g erklären zu können.“

Damit stehe nicht Laschet, sondern ausgerechn­et ein CSU-Vorsitzend­er für Kontinuitä­t im Kanzleramt. „Das ist die Ironie der Geschichte“sagt von Lucke. „Und sie basiert auf dem Kardinalfe­hler von Armin Laschet, dass er sich gleich zu Beginn der Pandemie klar von Merkel absetzen wollte, er wollte dezidiert nicht der „Weiter-soMann“sein.“Doch mit der CoronaKris­e habe er sich dafür das falsche Thema ausgesucht. „Würde Armin Laschet Kanzlerkan­didat, droht bei der Union ein gefährlich­er MartinSchu­lz-Effekt einzutrete­n, bei dem sie am Ende bei weniger als 25 Prozent landen könnte“, warnt von Lucke. Söder genieße dagegen die Unterstütz­ung der Kanzlerin. „Insofern erleben wir gerade auch die Vorentsche­idung darüber, wer der Kanzlerkan­didat der Union werden müsste, wenn es denn tatsächlic­h, wie von Armin Laschet versproche­n, allein nach den Wahlaussic­hten ginge.“

 ?? Foto: dpa ?? Auf Distanz zur Kanzlerin: CDU‰Chef Ar‰ min Laschet.
Foto: dpa Auf Distanz zur Kanzlerin: CDU‰Chef Ar‰ min Laschet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany