Schwabmünchner Allgemeine

Dienstleis­ter für das All

Die Rocket Factory Augsburg will hoch hinaus. Das Start-up entwickelt Microlaunc­her, kleine Trägerrake­ten, die Satelliten in den Orbit bringen. Ein umkämpfter Wachstumsm­arkt. Der erste Start soll bis Ende 2022 erfolgen

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Eine Rakete als Billigware zu bezeichnen, geht vielleicht ein bisschen daneben. Anderersei­ts will die Rocket Factory Augsburg genau das: Billige Trägerrake­ten. Nicht im Sinne von schlecht gemacht, natürlich nicht. Aber eben doch: vergleichs­weise sehr günstig. Günstiger als Elon Musk mit Space X.

Das Augsburger Start-up ist neben Isar Aerospace und HighImpuls­e eines von dreien in Deutschlan­d, die den mit rasanten Wachstumsp­rognosen versehenen Markt der sogenannte­n Microlaunc­her bedienen wollen. Raumfahrt ist längst nicht mehr nur eine Sache von Staaten. Die Kommerzial­isierung des Weltalls läuft auf Hochtouren.

Microlaunc­her sind eher kleine Flugkörper, die auf einen Lastwagen passen und auf denen Satelliten in den Orbit befördert werden können. Der Bedarf daran steigt und steigt. Für das Internet der Dinge, die Industrie 4.0, um Landwirtsc­haftsrobot­ern auf dem Feld den Weg zu weisen, um Klimaschäd­en, Waldbrände oder Überflutun­gen, zu dokumentie­ren und sichtbar zu machen.

Brieschenk ist einer der Gründer der Augsburger Rocket Factory, die gerade in eine der alten Hallen umgezogen ist, in denen früher Osram war. Hier laufen natürlich noch keine Raketen vom Fließband, aber hier wird getüftelt, damit das Projekt RFA One den richtigen Schub behält. Bis Ende 2022 soll diese erste Rakete gestartet sein. Das ist das erklärte Ziel. Daran arbeiten Brieschenk­s 85 Mitarbeite­r aus 25 verschiede­nen Ländern. Der promoviert­e Raketenwis­senschaftl­er selbst beschreibt seine Motivation so: „Wir befinden uns in einer Weltkrise. Aber wir haben nicht genügend Daten, um diese darzustell­en. Die Verschmutz­ung der Weltmeere zum Beispiel. Dafür braucht es große Satelliten­systeme. Oder die Abholzung der Wälder. Das sind Themen, die bedrohen die Lebensfähi­gkeit des Menschen auf der Welt.“Am Anfang seiner Karriere habe er Raketensys­teme entwickelt, um mit der Raumfahrt – ein technisch sehr anspruchsv­olles und schwierige­s Metier – an der Zukunft mitentwick­eln zu können. Dann aber habe er festgestel­lt, dass die Idee, mit großen Satelliten­systemen genau aufzeichne­n zu können, wie der Planet zerstört werde und dieser Zerstörung so entgegenzu­wirken, „jetzt im Endeffekt die größte Aufgabe ist“. Prägend seien für ihn Waldbrände in Australien gewesen, wo er lange mit seiner Familie gelebt hat. Mehrere Wochen sei es damals, weil die Technik dazu fehlte, nicht möglich gewesen, das ganze Ausmaß des Feuers und der Zerstörung abzubilden. „Da habe ich zum ersten Mal verstanden, wir brauchen irgendwas, am besten im Weltall, um sofort reagieren zu können. Nicht erst dann, wenn der Brand kaum noch zu löschen ist. Und das geht mit den neuen Satelliten­konstellat­ionen, die wir mit unseren Raketen in den Orbit bringen wollen.“OroraTech, ein anderes WeltraumSt­art-up aus Bayern macht genau so etwas. Ein künftiger Kunde der Rocket Factory, vielleicht.

Fragt man nach, ob es der Rocket Factory nicht nur um die Weltrettun­g, sondern möglicherw­eise auch ein bisschen ums Geld verdienen geht, antwortet der Ingenieur: „Wir brauchen neue Technologi­en, um die Nachhaltig­keit unseres Lebens auf diesem Planeten zu sichern.“

Jörn Spurmann Mitgründer der Rocket Factory und Chief CommerStef­an cial Officer würde dem nicht widersprec­hen, aber er betont: „Natürlich bauen wir ein profitable­s, interessan­tes Unternehme­n mit erfolgreic­hen Zahlen auf. Wir wollen Investoren finden, die diese Vision mit uns teilen und zugleich die Sinnhaftig­keit sehen, hier rein zu investiere­n. Hat bisher ja auch ganz gut geklappt.“

Die Rocket Factory ist eine Ausgründun­g des Raumfahrtk­onzern OHB, zu dem auch MT Aerospace gehört. OHB hält 53 Prozent der Anteile. Die RFA-Mitarbeite­r besitzen alle Aktien. Start-up-Mentalität. Einen Betriebsra­t gibt es nicht. Wer durch das Großraum-Büro spaziert fühlt sich atmosphäri­sch eher wie in der Uni und weniger in einem Unternehme­n, das abliefern muss. Die Stimmung, versichern die beiden Gründer, sei „sehr gut“.

Der Programm-Manager Spurmann, erzählt, dass seine Faszinatio­n für das Weltall als Kind geweckt wurde, als er mit dem Teleskop begonnen habe, Sterne zu schauen. Später las er Bücher des Astronomen Carl Sagan, fragte sich, gibt es Leben im All? „Das war für mich immer ein fasziniere­ndes Thema. Und deshalb habe ich dann mit dem Ziel, irderzeit gendwann mal etwas richtig Cooles in der Raumfahrt zu machen, etwas Technische­s studiert. Wenn das hier klappt, die Raumtransp­ortdienstl­eistung, die wir anbieten, habe ich einen Teil des Ziels erreicht.“Spurmann glaubt, die Zukunft liegt irgendwo im All. „Wo sollen wir denn sonst hin? Es gibt ja nichts anderes. Und wenn man da einen Beitrag leisten kann, unsere Generation mit dem Projekt vielleicht einen Grundstein dafür legt, gibt es nichts Spannender­es, an dem man arbeiten kann.“

Genug zu tun, bleibt. Das Ziel, bis Ende 2022 die erste Rakete gestartet zu haben, gilt als sehr, manchem als zu ambitionie­rt. Aber Brieschenk, versichert: „Es sieht so aus, dass wir das erreichen können.“Vergangene Woche gab es einen ersten erfolgreic­hen Antriebste­st, danach folgen die Motortests, der bis Ende des Jahres optimiert werden soll. Bei Rocket Lab, einem US-Unternehme­n, wo er vorher gearbeitet hat, habe man genau vier Jahre gebraucht, bis die „Electron“flog. Die Rocket Factory wurde 2018 gegründet. Heute wird die neue Fabrikhall­e eröffnet. Wer hat im Raketen-Rennen die Nase vorn? Spurmann sagt: „Wir.“

 ?? Foto: Uli Wagner ?? Die Rocket Factory ist in Augsburg gerade in eine der alten Osram‰Hallen umgezogen. Die Gründer, Stefan Brieschenk (links) und Jörn Spurmann, wollen die erste Rakete bis Ende 2022 starten lassen.
Foto: Uli Wagner Die Rocket Factory ist in Augsburg gerade in eine der alten Osram‰Hallen umgezogen. Die Gründer, Stefan Brieschenk (links) und Jörn Spurmann, wollen die erste Rakete bis Ende 2022 starten lassen.
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