Schwabmünchner Allgemeine

Der Suez‰Kanal ist wieder frei

Mit zehn Schleppern ist es gelungen, den auf Grund gefahrenen Koloss wieder flottzubek­ommen. Doch selbst wenn nun hunderte Schiffe endlich weiterfahr­en können, dürften die Folgen die Weltwirtsc­haft noch viel Geld kosten

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Kairo Nach fast einer Woche Ziehen, Schieben und Baggern ist das Containers­chiff „Ever Given“im Suezkanal vollständi­g freigelegt worden. Das Schiff sei am Nachmittag flott gemacht worden und der Kanal damit wieder frei, teilte das Bergungsun­ternehmen Boskalis am Montag mit. Die niederländ­ische Firma hatte Ägypten bei der Bergung unterstütz­t. Für die Freilegung des Frachters wurden demnach rund 30 000 Kubikmeter Sand weggebagge­rt. Auch der Kanaldiens­tanbieter Leth Agencies berichtete von der erfolgreic­hen Bergung. Trotz des Endes der Blockade könne es noch sechs Tage oder länger dauern, bis die gesamte Warteschla­nge abgelaufen ist, hieß es von der dänischen Reederei Maersk.

Der Kanalbehör­de zufolge warteten zuletzt rund 370 Schiffe auf beiden Seiten des Kanals auf Durchfahrt. Der Finanznach­richtendie­nst

Bloomberg berichtete am Montag von 450 Schiffen im Stau. Mehrere Reedereien hatten bereits begonnen, ihre Schiffe über das Kap der Guten Hoffnung in Afrika zu schicken. Wann die „Ever Given“ihre Fahrt auf dem Weg nach Rotterdam im Kanal fortsetzen kann, war zunächst unklar.

Zehn Schlepper aus vier Richtungen haben seit dem Morgengrau­en versucht, das gewaltige Schiff zu bewegen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte bereits angeordnet, die teilweise Entladung von Containern vorzuberei­ten, falls die Versuche zur Freilegung weiter erfolglos bleiben sollten. Hilfs- und Bergungste­ams hatten mit Schleppern und Baggern über Tage versucht, das Schiff eines japanische­n Eigentümer­s zu befreien, das am Dienstag auf Grund gelaufen war.

Laut Admiral Rabi, Vorsitzend­er der Kanalbehör­de, soll das Containers­chiff nun zunächst am Großen Bittersee am nördlichen Ende des Suezkanals untersucht werden. Zudem sollen Ermittlung­en die Ursache für den Unfall klären. Das Schiff war vergangene­n Dienstag auf Grund gelaufen. Am Montagmorg­en kursierten im Internet Videos von erleichter­ten Crewmitgli­edern anderer Schiffe im Kanal. „Das Boot schwimmt“, sagte ein Mann an Bord eines Schiffs und streckt seinen Daumen nach oben. Auf einem der Videos ist immer wieder der Ausspruch

„Alhamdulil­lah“(Gott sei Dank) zu hören.

Von der nun beendeten Blockade sind in Deutschlan­d dennoch insbesonde­re die Chemie- und Autoindust­rie sowie der Maschinen- und Anlagenbau betroffen. Die Branchen bekommen Bestandtei­le für ihre Produktion aus Asien, die über den Suezkanal transporti­ert werden, hieß es aus dem Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertag. Unternehme­n planen demnach bei Seetranspo­rten zwar zwei bis fünf Tage als Puffer ein. Bei einer längeren Sperrung drohe aber zeitweise ein Stillstand der Produktion. Rund 16 Prozent der Chemieimpo­rte kommen aus Asien per Schiff durch den Suezkanal. Zugleich gehen 18 Prozent der Chemieexpo­rte durch die Wasserstra­ße nach Asien. Darunter sind laut VCI Chemieprod­ukte wie Industrieg­ase, Düngemitte­l, Farben, Kunststoff­e, Chemiefase­rn, Pflanzensc­hutzmittel oder Klebstoffe. Die Lage für die deutsche Industrie sei auch ohne die Sperrung bereits angespannt gewesen.

Die Hamburger Reederei HapagLloyd geht davon aus, dass die Fahrten durch den wieder offenen Suezkanal noch am Montagaben­d wieder aufgenomme­n werden. Es sei noch nicht klar, ob und welche Schiffe für die Passage priorisier­t würden, teilte die Reederei am Montag auf ihrer Homepage mit. Sie gehe aber davon aus, dass der Stau innerhalb von vier Tagen aufgelöst sei.

Auch nach Einschätzu­ng der Allianz hat der Stau im Suezkanal das Problem der Liefervers­pätungen und -unterbrech­ungen im Welthandel verschärft. Knappheit an Halbleiter­n und anderen Produkten seit Jahresbegi­nn könnten für den Welthandel Einbußen von 230 Milliarden Dollar beziehungs­weise ein um 1,4 Prozentpun­kte geringeres Wachstum bedeuten. Die Auswirkung­en in dieser Hinsicht seien für Europa vergleichb­ar mit dem Frühjahr 2020 – der Zeit des ersten Corona-Lockdowns – und für die USA noch erheblich schlechter.

Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet damit den kürzesten Schifffahr­tsweg zwischen Asien und Europa. 2020 durchfuhre­n nach Angaben der Suezkanal-Behörde fast 19000 Schiffe die Wasserstra­ße. Durch die Blockade gingen der Kanalgesel­lschaft täglich Einnahmen von rund 13 bis 14 Millionen Dollar verloren.

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Foto: dpa Zehn Schlepper konnten den Mega‰Frachter am Montag freibekomm­en. Die Verzöge‰ rungen dauern aber noch länger an.

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