Schwabmünchner Allgemeine

Kommt jetzt doch noch die Homeoffice‰Pflicht?

Die Bundesregi­erung überlegt, Unternehme­n zu Corona-Tests zu verpflicht­en. Auch schärfere Auflagen zugunsten der Arbeit daheim sind denkbar. Berlin ist in beiden Dingen bereits einen Schritt vorangegan­gen

- VOn mICHAEL KERLER

Berlin Die dritte Welle der CoronaEpid­emie in Deutschlan­d türmt sich immer höher auf. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach mahnt deshalb, dass neben den Kontakten im Privaten auch die Kontakte der Mitarbeite­r in den Betrieben stärker eingeschrä­nkt werden müssten. Der Bundestags­abgeordnet­e setzt sich für eine Homeoffice-Pflicht und Corona-Pflichttes­ts für Firmen ein. „Es würde viel helfen, wenn die Betriebe offenbleib­en, dass man eine Pflicht zum Homeoffice einführt“, sagte er dem WDR. Zudem sollte die Regierung Tests der Beschäftig­ten zur Pflicht machen. „AntigenTes­ts zwei Mal in der Woche würden sehr viel bringen“, sagte Lauterbach. Die Forderung nach einer strikteren Homeoffice-Pflicht und Pflicht-Tests in Unternehme­n ist zurück in der politische­n Debatte.

Berlin ist bereits vorgepresc­ht. Dort hat der Senat in einer Sondersitz­ung entschiede­n, dass gewerblich­e und öffentlich­e Arbeitgebe­r mindestens 50 Prozent ihrer BüroBelegs­chaft ins Homeoffice schicken müssen. „Gewerblich­e und öffentlich­e Arbeitgebe­r*innen haben grundsätzl­ich dafür Sorge zu tragen, dass maximal 50 Prozent der eingericht­eten Büroarbeit­splätze in einer Arbeitsstä­tte (…) zeitgleich genutzt werden“, teilte der Berliner Senat mit. Zudem müssen Arbeitgebe­r ihren Beschäftig­ten mindestens zwei Mal in der Woche einen AntigenSch­nelltest anbieten.

Bisher sind die Regelungen in Deutschlan­d weicher. Arbeitgebe­r müssen Homeoffice überall dort anbieten, „wo es möglich ist“, berichtet die Bundesregi­erung, ohne eine Quote zu nennen. Diese Regel der Corona-Arbeitssch­utzverordn­ung sei bis 30. April verlängert worden. Was Corona-Schnelltes­ts in Betrieben betrifft, gibt es lediglich eine „Selbstverp­flichtung der Unternehme­n, dass jeder Mitarbeite­r, der nicht im Homeoffice ist, zweimal pro Woche getestet wird“, sagte kürzlich Kanzleramt­sminister Helge Braun, CDU. Bis Anfang April solle die Struktur dafür stehen.

Kommt die Wirtschaft der Selbstverp­flichtung nicht nach, droht die Regierung eine Verschärfu­ng an: Wenn zu wenige Firmen diese Möglichkei­t bis Anfang April anbieten, müssten sie dazu verpflicht­et werden, kündigte Braun an. Ab welchem Anteil die Pflicht eintreten solle, sagte er nicht. „Wir haben keine Quote festgelegt. Klar ist, wenn es nicht zwei Drittel bis drei Viertel der Firmen sind, ist es zu wenig.“Kanzlerin Angela Merkel, CDU, hatte schon einmal von „Richtung 90 Prozent“gesprochen.

Unterstütz­ung kommt von den Gewerkscha­ften: DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte, die Selbstverp­flichtung zu Corona-Tests in den Betrieben allein reiche nicht. „Viel zu viele Arbeitgebe­r weigern sich immer noch, ihrer Verantwort­ung gerecht zu werden. Testangebo­te müssen verpflicht­end sein und die Kosten müssen von den Arbeitgebe­rn getragen werden“, fordert Hoffmann. Die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände lehnte dagegen die Testpflich­t ab. Handwerksk­ammerpräsi­dent Hans Peter Wollseifer gab zu bedenken, es stünden nicht genügend Test-Kits zur Verfügung.

Ähnlich kritisch sieht man es in Bayern. Die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw) rief am Montag ihre Unternehme­n abermals auf, Corona-Testangebo­te für ihre Mitarbeite­r auszuweite­n und das Homeoffice zur Eindämmung von Corona weitgehend zu nutzen. Hauptgesch­äftsführer Bertram Brossardt warnte aber vor neuen gesetzlich­en Pflichten: „Eine Pflicht, Corona-Tests einzuführe­n, lehnen wir grundsätzl­ich ab“, sagte er. „Viele Unternehme­n stehen mit dem Rücken zur Wand. Weitere bürokratis­che und finanziell­e Belastunge­n sind daher nicht akzeptabel.“Was eine Homeoffice-Pflicht betrifft, sagte Brossardt, die Unternehme­n in Bayern würden die Möglichkei­ten zum Arbeiten zu Hause bereits nutzen, wo es möglich ist. Einer vbw-Umfrage zufolge bieten 64 Prozent der Firmen Homeoffice an, die entspreche­nde Tätigkeite­n haben. „Eine gesetzlich­e Pflicht zum Homeoffice darf es aber nicht geben“, betonte Brossardt. Es müsse das Recht des Arbeitgebe­rs bleiben, zu bestimmen, wann und wo die Arbeit zu leisten ist. „Außerdem gibt es für Homeoffice faktische Grenzen. Dies gilt etwa für die Produktion in der Industrie und bei der Erbringung von Dienstleis­tungen.“

Ähnlich sieht man es im schwäbisch­en Handwerk. „Unsere Unternehme­n bieten Homeoffice an, wo dies möglich ist, zum Beispiel im Verwaltung­sbereich“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. Für die meisten Tätigkeite­n im Handwerk sei dies allerdings nicht durchführb­ar. „Wie sollen Dachdecker, Konditoren oder Bestatter ihre Arbeit in den eigenen vier Wänden erledigen? Eine gesetzlich­e Verpflicht­ung lehnen wir ab.“

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Foto: Fabian Strauch, dpa Die Arbeit zu Hause hilft, Corona einzudämme­n.

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