Hier entsteht der Wald von morgen
Tausende Jung-Tannen wachsen bei Waldberg heran. Der Forstbetrieb Zusmarshausen züchtet sie, um den Wald der Zukunft klimagerechter und vielfältiger zu machen
Waldberg Grabgabel ansetzen, Pflanze im Boden anlockern, vorsichtig herausziehen und gar dabei auf die Wurzeln aufpassen. Was nach Gartenarbeit klingt, ist Teil des Jobs von Forstwirtschaftsmeister Andreas Schedler und seinen Auszubildenden. Das vierköpfige Team des Forstbetriebs Zusmarshausen arbeitet praktisch in der Kinderstube des Waldes: Einem Waldgebiet bei Waldberg, bei dem auf einer Fläche von etwa 1000 Quadratmeter 40.000 bis 50.000 Tannen heranwachsen. Sie setzen die 20 bis 40 Zentimeter hohen Jung-Tannen aus, um sie anschließend in Waldgebieten zu verpflanzen, die wieder zu naturnahen Mischwäldern werden sollen.
In den vielen Wäldern Deutschlands gibt es durch jahrelange Abholzung oft nur noch eine Baumart. Diese Monokultur tut der Natur aber nicht gut. Deshalb ist es Ziel, diese Waldgebiete zu Mischwäldern aufzustocken – für das Klima, für die Artenvielfalt und vor allem für die Gesundheit des Waldes. Im Kohlergehau bei Waldberg wachsen die Tannen von morgen heran, bevor sie in den großen weiten Wald ziehen, um ihn gesünder zu machen.
Grund für die Pflanzaktion des Forstbetriebs ist der Anspruch der Bayerischen Staatsforsten: Mindestens vier bis fünf unterschiedliche Baumarten sollen in Zukunft das Grundgerüst des Walds bilden. So soll er für klimatische Veränderungen gewappnet sein. Um die Baumartvielfalt herzustellen, sollen Mischwälder entstehen. In den vergangenen Jahren hat der Forstbetrieb Zusmarshausen deshalb bereits zwei Millionen Buchen gepflanzt. In dieser Pflanzsaison soll mit jeweils 30.000 Tannen und Douglasien aufgestockt werden. Die Douglasien kommen als Topfpflanzen aus der Baumschule oder dem eigenen Pflanzgarten. Die Tannen werden dagegen als Wildlinge aus dem Waldgebiet Kohlergehau gewonnen. Vor rund zehn Jahren hat der Forstbetrieb Zusmarshausen den Mineralboden dort freigelegt, damit herabfallende Tannensamen besser anwachsen können.
Forstbetriebsleiter Hubert Droste schätzt das Alter der Alt-Tannen in der Umgebung auf etwa 100 bis 120 Jahre. Die kleinen Neu-Tannen lassen sich auf Samen von mindestens zehn bis 20 verschiedenen Mutterbäumen zurückführen. „Über das äußere Erscheinungsbild der Alt-Tannen ziehen wir Rückschlüsse auf die Erbanlage“, erklärt Droste. Je besser das Erscheinungsbild also ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Konditionen für die Wildlinge auch gut sind. Damit die kleinen Tannen und auch die Samen nicht Wild und Vögeln zum Opfer fallen, ist das Gebiet eingezäunt.
Aber nicht alle Wildlinge, die angepflanzt wurden, werden auch weiter verpflanzt. Beim Ausgraben erklärt Forstwirtschaftsmeister Schedler, worauf es bei den JungTannen ankommt: „Qualität, Vitalität und gerades Wachstum.“Das bedeutet zum Beispiel, dass die Wurzel der Tanne ein Drittel bis gleich groß wie der Spross sein sollte, damit das Anwachsen gut gelingt. Auch prüft Schedler mit seinen Azubis die Tannen auf Wildschäden: Ist doch eh ein
Reh ins Gatter gelangt und hat den Spross von oben abgeknabbert, so bildet sich der größte neue Trieb aus einem der anderen Äste. Die Tanne wächst dann nicht mehr gerade. Etwa zehn bis 20 Prozent werden aussortiert und bleiben im Wald liegen.
Anschließend kürzt Schedler die Wurzeln auf eine Höhe und packt die Jung-Tannen in einen Sack, damit sie weitertransportiert werden können. An einem Vormittag schaffen er und sein Team so etwa 300 bis 500 Pflanzen. Mit dem Auspflanzen beginnen sie direkt am Morgen, damit die Wildlinge am Mittag noch frisch weiter verpflanzt werden können. Die Tannen kommen dann zum Beispiel in ein Waldgebiet nach Konradshofen, Straßberg oder Dinkelscherben. Auf sechs Quadratmeter Waldfläche kommt gemäß der Empfehlung des Pflanzenverbands eine neue Jung-Pflanze. Das Einpflanzen des Nachwuchs übernehmen häufig auch Waldarbeiter.