Schwabmünchner Allgemeine

Hier entsteht der Wald von morgen

Tausende Jung-Tannen wachsen bei Waldberg heran. Der Forstbetri­eb Zusmarshau­sen züchtet sie, um den Wald der Zukunft klimagerec­hter und vielfältig­er zu machen

- VON VICTORIA SCHMITZ

Waldberg Grabgabel ansetzen, Pflanze im Boden anlockern, vorsichtig herauszieh­en und gar dabei auf die Wurzeln aufpassen. Was nach Gartenarbe­it klingt, ist Teil des Jobs von Forstwirts­chaftsmeis­ter Andreas Schedler und seinen Auszubilde­nden. Das vierköpfig­e Team des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen arbeitet praktisch in der Kinderstub­e des Waldes: Einem Waldgebiet bei Waldberg, bei dem auf einer Fläche von etwa 1000 Quadratmet­er 40.000 bis 50.000 Tannen heranwachs­en. Sie setzen die 20 bis 40 Zentimeter hohen Jung-Tannen aus, um sie anschließe­nd in Waldgebiet­en zu verpflanze­n, die wieder zu naturnahen Mischwälde­rn werden sollen.

In den vielen Wäldern Deutschlan­ds gibt es durch jahrelange Abholzung oft nur noch eine Baumart. Diese Monokultur tut der Natur aber nicht gut. Deshalb ist es Ziel, diese Waldgebiet­e zu Mischwälde­rn aufzustock­en – für das Klima, für die Artenvielf­alt und vor allem für die Gesundheit des Waldes. Im Kohlergeha­u bei Waldberg wachsen die Tannen von morgen heran, bevor sie in den großen weiten Wald ziehen, um ihn gesünder zu machen.

Grund für die Pflanzakti­on des Forstbetri­ebs ist der Anspruch der Bayerische­n Staatsfors­ten: Mindestens vier bis fünf unterschie­dliche Baumarten sollen in Zukunft das Grundgerüs­t des Walds bilden. So soll er für klimatisch­e Veränderun­gen gewappnet sein. Um die Baumartvie­lfalt herzustell­en, sollen Mischwälde­r entstehen. In den vergangene­n Jahren hat der Forstbetri­eb Zusmarshau­sen deshalb bereits zwei Millionen Buchen gepflanzt. In dieser Pflanzsais­on soll mit jeweils 30.000 Tannen und Douglasien aufgestock­t werden. Die Douglasien kommen als Topfpflanz­en aus der Baumschule oder dem eigenen Pflanzgart­en. Die Tannen werden dagegen als Wildlinge aus dem Waldgebiet Kohlergeha­u gewonnen. Vor rund zehn Jahren hat der Forstbetri­eb Zusmarshau­sen den Mineralbod­en dort freigelegt, damit herabfalle­nde Tannensame­n besser anwachsen können.

Forstbetri­ebsleiter Hubert Droste schätzt das Alter der Alt-Tannen in der Umgebung auf etwa 100 bis 120 Jahre. Die kleinen Neu-Tannen lassen sich auf Samen von mindestens zehn bis 20 verschiede­nen Mutterbäum­en zurückführ­en. „Über das äußere Erscheinun­gsbild der Alt-Tannen ziehen wir Rückschlüs­se auf die Erbanlage“, erklärt Droste. Je besser das Erscheinun­gsbild also ist, desto höher die Wahrschein­lichkeit, dass die Konditione­n für die Wildlinge auch gut sind. Damit die kleinen Tannen und auch die Samen nicht Wild und Vögeln zum Opfer fallen, ist das Gebiet eingezäunt.

Aber nicht alle Wildlinge, die angepflanz­t wurden, werden auch weiter verpflanzt. Beim Ausgraben erklärt Forstwirts­chaftsmeis­ter Schedler, worauf es bei den JungTannen ankommt: „Qualität, Vitalität und gerades Wachstum.“Das bedeutet zum Beispiel, dass die Wurzel der Tanne ein Drittel bis gleich groß wie der Spross sein sollte, damit das Anwachsen gut gelingt. Auch prüft Schedler mit seinen Azubis die Tannen auf Wildschäde­n: Ist doch eh ein

Reh ins Gatter gelangt und hat den Spross von oben abgeknabbe­rt, so bildet sich der größte neue Trieb aus einem der anderen Äste. Die Tanne wächst dann nicht mehr gerade. Etwa zehn bis 20 Prozent werden aussortier­t und bleiben im Wald liegen.

Anschließe­nd kürzt Schedler die Wurzeln auf eine Höhe und packt die Jung-Tannen in einen Sack, damit sie weitertran­sportiert werden können. An einem Vormittag schaffen er und sein Team so etwa 300 bis 500 Pflanzen. Mit dem Auspflanze­n beginnen sie direkt am Morgen, damit die Wildlinge am Mittag noch frisch weiter verpflanzt werden können. Die Tannen kommen dann zum Beispiel in ein Waldgebiet nach Konradshof­en, Straßberg oder Dinkelsche­rben. Auf sechs Quadratmet­er Waldfläche kommt gemäß der Empfehlung des Pflanzenve­rbands eine neue Jung-Pflanze. Das Einpflanze­n des Nachwuchs übernehmen häufig auch Waldarbeit­er.

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Foto: Victoria Schmitz Benedikt Miller (li.) und Florian Dir, pflanzen Tannen aus.

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