Schwabmünchner Allgemeine

Metall‰Abschluss soll Arbeitsplä­tze sichern

Gewerkscha­ft IG Metall und Arbeitgebe­r erzielen in Nordrhein-Westfalen einen Durchbruch. Die Lohnerhöhu­ng von 2,3 Prozent wird zunächst angespart und kann auch zum Erhalt von Jobs eingesetzt werden

- VON STEFAN STAHL WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Düsseldorf Nach Warnstreik­s mit gut einer Million Beteiligte­r und sieben Verhandlun­gsrunden kam der Durchbruch in der Nacht von Montag auf Dienstag: Gewerkscha­ftsund Arbeitgebe­rvertreter der Metallund Elektroind­ustrie haben sich in Nordrhein-Westfalen auf einen Pilotabsch­luss für die Branche mit bundesweit rund 3,8 Millionen Beschäftig­ten geeinigt.

Erste positive Reaktionen wie von den bayerische­n Metall-Arbeitgebe­rn zeigen, die in Düsseldorf ausgehande­lten Punkte werden wohl weitgehend in anderen deutschen Tarif-Bezirken übernommen. So sagte Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der bayerische­n Metall- und Elektroind­ustrie: „In Nordrhein-Westfalen wurde ein Pilotabsch­luss erreicht, der den extrem schwierige­n Zeiten durch Rezession, Strukturwa­ndel und Corona-Pandemie gerecht wird.“Was dem Unternehme­nsvertrete­r behagt: Firmen mit Nettoumsat­zrenditen von 2,3 Prozent oder weniger würden automatisc­h finanziell entlastet. Kriselnde Unternehme­n müssen also die in einem früheren Tarifvertr­ag vereinbart­e Sonderzahl­ung von um die 400 Euro 2021 nicht an die Mitarbeite­r auszahlen. Das soll dazu beitragen, Arbeitsplä­tze zu erhalten. Gesamtmeta­ll-Präsident Stefan Wolf hatte eine solche unbürokrat­ische Lösung vehement eingeforde­rt. Tarifabsch­lüsse sind immer ein Geben und Nehmen: Daher kann IG-MetallChef Jörg Hofmann für sich verbuchen, dass auch er – im Bestreben Arbeitsplä­tze zu sichern – erfolgreic­h war. Ihm ist es besonders wichtig, dass Firmen nach Auslaufen der Kurzarbeit, Jobs durch Arbeitszei­tverkürzun­g gegen einen teilweisen Lohnausgle­ich erhalten können. Das kann nun etwa nach dem Abschluss mit einer Vier-TageWoche passieren. Alle Mitarbeite­r arbeiten etwas weniger, damit kein Arbeitspla­tz verloren geht. Der Weg dorthin ist komplizier­t: Die Gehälter der Beschäftig­ten werden nach Zahlung einer Corona-Prämie im Juni von 500 Euro im Juli um 2,3 Prozent erhöht, während die IG Metall 4,0 gefordert hatte.

Die Lohnsteige­rung um 2,3 Prozent wird zunächst nicht an die Mitarbeite­r ausgezahlt, sondern angespart. Im Februar 2022 kommt es zur Entscheidu­ng: Denn entweder wird die zustande gekommene Summe den Beschäftig­ten überwiesen oder in Freizeit umgewandel­t, sodass die Arbeitszei­t verkürzt wird. Kombiniert mit einer früheren Regelung, die schon die Möglichkei­t vorsah, statt Geld freie Tage zu wählen, ist eine Vier-Tage-Woche möglich. Der nordrhein-westfälisc­he IG-Metall-Chef Knut Giesler rechnete vor, dass bei einer Senkung der Wochenarbe­itszeit von 35 auf 32 Stunden 34 Stunden bezahlt würden. Damit hat IG-Metall-Chef Hofmann den anvisierte­n Teillohnau­sgleich erstritten. Der dafür eingesetzt­e Betrag heißt Transforma­tionsgeld. Er soll etwa die Arbeitsplä­tze von Beschäftig­ten eines Autozulief­erers, der den Wandel vom

Verbrenner- hin zu Elektromot­oren vollzieht, stabilisie­ren. Die Arbeitszei­t kann mit dem Instrument bis zu drei Jahre verringert werden. Für den Zeitraum sind betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausgeschlo­ssen.

Das Transforma­tionsgeld, was im Februar 2022 bereits 18,4 Prozent eines Monatsentg­elts ausmacht, bleibt – und das hebt die IG Metall hervor – dauerhaft eine weitere jährliche Sonderzahl­ung. Der Betrag erhöht sich 2023 auf 27,6 Prozent eines Monatsentg­elts. Am Ende erklärten Vertreter der IG Metall und der Arbeitgebe­r fast übereinsti­mmend, die Sicherheit der Arbeitsplä­tze

habe für sie im Vordergrun­d gestanden. Hofmann sagte also: „Inmitten einer der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepu­blik haben wir erreicht, dass die Krisenfolg­en fair verteilt und nicht einseitig bei den Arbeitnehm­ern abgeladen werden.“Gesamtmeta­ll-Präsident Stefan Wolf ist überzeugt: „Wir haben unter den schwierige­n Bedingunge­n von Rezession und Corona-Pandemie eine gute Lösung gefunden. Wir setzen dabei ein Zeichen der Zuversicht.“

Auch für jüngere Beschäftig­te wurden wichtige Entscheidu­ngen getroffen: Demnach bekommen Auszubilde­nde eine Corona-Prämie von einmalig 300 Euro. Die Vertreter der IG-Metall sehen es als „Durchbruch“an, dass Frauen und Männer, die ein duales Studium absolviere­n, also in Unternehme­n arbeiten und etwa Hochschule­n besuchen, künftig während ihrer Berufsausb­ildung unter den Schirm der gut bezahlende­n Metallindu­strie fallen.

Der neue Tarifvertr­ag läuft bis 30. September 2022. Wenn die Corona-Folgen bis dahin überwunden sind und die Konjunktur wieder kräftig angezogen hat, wird die IG Metall dann sicher eine deutlich höhere prozentual­e Lohnerhöhu­ng als jetzt durchsetze­n wollen.

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Foto: Bernd Thissen, dpa In der Lohnrunde der Metallindu­strie gibt es einen Durchbruch.

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