Schwabmünchner Allgemeine

So ist die Lage auf den Intensivst­ationen

Die Auslastung der Betten steigt wieder, das Personal steht unter Druck. Und in den kommenden Wochen dürfte die Zahl der Corona-Patienten noch einmal nach oben gehen

- VON NIKOLAI RÖHRICH

Augsburg Im Moment, sagt Hubert Mayer, da sei die Lage eigentlich entspannt. Zumindest vergleichs­weise. Mayer ist Geschäftsf­ührer der Kliniken an der Paar im Landkreis Aichach-Friedberg, er ist also einer von jenen Menschen, die ganz nah dran sind an dem, was Virologen und Politiker „Infektions­geschehen“nennen. Mayer erinnert sich an ganz andere Zeiten in den vergangene­n Monaten. An Zeiten, in denen jeder zweite Patient auf seiner Intensivst­ation ein Corona-Patient war. „Das war die Hochphase“, sagt der Mediziner.

Dagegen muten die aktuellen Zahlen deutlich harmloser an: Im Moment hat jeder Zehnte auf Mayers Intensivst­ation eine Covid19-Erkrankung. In anderen Häusern in der Region sieht es ähnlich aus. Das Intensivre­gister der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin,

Etwas angespannt­er ist die Situation im Oberallgäu

kurz DIVI, zeigt, wie viele Betten in Deutschlan­d verfügbar sind. So sind aktuell in Augsburg 117 von 154 Intensivbe­tten belegt – 20 davon mit Covid-Patienten.

Etwas angespannt­er ist die Lage im Landkreis Oberallgäu, wo nur noch eines von 20 Betten frei ist. Allerdings werden auch dort die meisten Patienten wegen anderer Leiden behandelt, nur sechs von ihnen sind an Covid-19 erkrankt. Grundsätzl­ich lässt sich sagen: Die Situation auf den Intensivst­ationen in Schwaben ist entspannte­r als in den meisten anderen bayerische­n Regierungs­bezirken. In vielen schwäbisch­en Landkreise­n ist aktuell noch mehr als die Hälfte aller Betten frei und die Zahl der Covid-Patienten eher niedrig.

Doch diese Quote steigt mittlerwei­le wieder, sagt Klinik-Geschäftsf­ührer Hubert Mayer – und mit ihr auch seine Sorge vor einer dritten Corona-Welle. Dass es diese Entwicklun­g gibt, lässt sich nicht nur an den Infektions­zahlen, sondern auch noch an anderen Werten der DIVI ablesen. Die Kliniken in Deutschlan­d melden der Vereinigun­g nicht nur die Zahlen zu belegten und verfügbare­n Betten auf den Intensivst­ationen, sondern geben auch eine zusätzlich­e, eher qualitativ­e Einschätzu­ng der Lage am jeweiligen Krankenhau­s ab. Diese Einschätzu­ng richtet sich an die Kollegen von anderen Häusern und soll signalisie­ren, ob Patienten in einem Notfall an das eigene Krankenhau­s verlegt werden können – ob also ausreichen­d Betten vorhanden sind sowie genug Personal.

Blickt man auf diese Angaben, dann zeigt sich die Wellenbewe­gung der vergangene­n Monate: Rund um den Jahreswech­sel gaben besonders viele Krankenhäu­ser an, sie könnten keine zusätzlich­en Patienten mehr aufnehmen. Im Januar und Februar entspannte sich die Situation etwas. Doch seit Ende Februar sinkt die Zahl jener Häuser, die zusätzlich­e Covid-Patienten aufnehmen können, wieder. Deutschlan­dweit spitzt sich die Lage also wieder zu.

Auch Klinik-Geschäftsf­ührer Mayer hat diese Kurven im Blick. Sollten aktuelle Prognosen und

Hochrechnu­ngen der DIVI zutreffen, dann stehe man wieder vor einer „relativ bedrohlich­en“Situation für die Intensivst­ationen, sagt der Experte.

Intensivme­diziner warnen schon seit Wochen vor Engpässen in den Kliniken. Davor, dass die Krankenhäu­ser und ihre Mitarbeite­r an ihre Grenzen gelangen könnten. Hört man Hubert Mayer zu, wie er am Telefon über die vergangene­n Wochen und Monate spricht, dann klingt es, als sei das vielfach schon geschehen. Die Belastung des Personals auf den Stationen sei durchgehen­d hoch gewesen – auch wenn die Corona-Fälle zwischenze­itlich gesunken sind, erläutert der KlinikGesc­häftsführe­r. Das liege daran, dass man aufgeschob­ene Operatione­n nachgeholt habe, als die Zahl der Corona-Patienten nach unten ging. So hätten sich Ärzte und Pfleger nie richtig entspannen können, sagt Mayer, um dann noch hinterherz­uschieben: „Ich hoffe, dass das Personal das durchsteht, ich bin mir aber nicht sicher.“

Eine Pressespre­cherin des Universitä­tsklinikum­s Augsburg sieht die Lage ähnlich: „Die Arbeitsbel­astung insbesonde­re für ärztliches und pflegendes Personal ist sehr hoch, und das seit vielen Monaten.“Gleichzeit­ig sei das Engagement der Mitarbeite­r so groß, „dass uns das jeden Tag Respekt und Dankbarkei­t abverlangt“.

Ärzte des Klinikverb­unds Allgäu schätzen die Situation ein wenig entspannte­r ein – obwohl im Allgäu zum Teil deutlich mehr Intensivbe­tten belegt sind als in anderen Teilen

Schwabens: „Die Belastung des Personals ist aktuell normal hoch“, schreibt der Klinikverb­und in einer Stellungna­hme. Bereits in den kommenden Tagen rechnen die zuständige­n Mediziner allerdings mit einem deutlichen Anstieg der Zahl der Corona-Patienten, die intensivme­dizinisch behandelt werden müssen. Nach und nach, heißt es vom Klinikverb­und, werde dann auch Personal aus anderen Bereichen auf die Covid-Stationen abgezogen.

Das bedeutet auch: Sollte sich die Lage wieder zuspitzen, müssen – wie im vergangene­n Jahr – planbare Operatione­n verschoben und bei niedrigere­n Corona-Zahlen nachgeholt werden. Für das Personal auf den Intensivst­ationen heißt das: Normal wird ihr Alltag auf lange Sicht erst einmal nicht.

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Rund 4000 Corona‰Patienten sind in ganz Deutschlan­d aktuell in Behandlung auf einer Intensivst­ation. In der Region erwarten viele Mediziner, dass die Zahlen in den kom‰ menden Tagen und Wochen ansteigen werden.
Foto: Jens Büttner, dpa Rund 4000 Corona‰Patienten sind in ganz Deutschlan­d aktuell in Behandlung auf einer Intensivst­ation. In der Region erwarten viele Mediziner, dass die Zahlen in den kom‰ menden Tagen und Wochen ansteigen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany