Menschenbilder ganz wie wir selbst
Bildhauer Josef Lang bevölkert mit Holzskulpturen den Hof vom Museum Oberschönenfeld. Wir erkennen uns darin
Man könnte fast erschrecken vor diesen Figuren. So überlebensgroß, so stark oft im Gestus, so zurückgenommen in der Ausarbeitung. Der Bildhauer Josef Lang überlässt vieles den Betrachtern seiner Skulpturen, die er mit der Kettensäge aus einem Baumstamm herausschält. In Oberschönenfeld bevölkern ein paar davon gerade den Klosterhof, das Museum des Bezirks Schwaben hat angesichts wiederholt angeordneter Schließungen kurzerhand eine Ausstellung nach außen verlegt.
Unter freien Himmel gehören sie auch hin, diese Menschenbilder von Josef Lang. Sie streben nach oben, brauchen das Weite, um zu wirken: Unmöglich könnte man sie in einen Galerieraum einsperren. Selbst die kleinste Skulptur blickt den Betrachter auf Augenhöhe direkt an. Wenn sie denn nicht den Blick scheu zur Seite gerichtet hätte. Der Bildhauer trifft darin eine ironische Aussage über sich selbst: „Ein Teil von mir“nennt er die Figur aus dem Jahr 2016. Die Arme sind angewinkelt, die Hände drücken mit der Innenseite beschwichtigend nach unten. Haltet euch zurück mit eurer Bewunderung!, will der Gestus sagen. Nehmt mich nicht so wichtig! Eigentlich ist sie längst im Aufbruch mit dem leichten Ausfallschritt.
Obwohl sich Josef Lang wirklich keine Mühe gibt, feinere Züge auf Gesicht und Körper auszuformen, sprechen seine Skulpturen ganz unmittelbar zum Betrachter. Mitunter liegt es am Witz der Haltung wie bei der klobigen Figur „Leo guckt“von 2015. Der stämmige Bursche, breit gebaut und das Bäuchlein unbekümmert vorgestreckt, hat seinen Kopf tief in die Schultern vergraben und guckt seitlich in die Ferne. Wer da vor ihm steht und ihn begafft, ist diesem Kerl ziemlich egal. Mag er auch mit seiner dunkelroten Lasur recht auffällig in der Rasenfläche zu stehen kommen.
Josef Lang arbeitet am kompakten Material. Seine bis zu fünf Meter hohen Figuren sägt er freihändig aus einem tonnenschweren Stamm. Meistens nimmt er Eiche, manchmal auch die weichere Linde. Seine kraftvolle Vorgehensweise erfordert eine klare innere Vorstellung davon, was er aus dem Holz herausholen möchte. Zugleich reagiert der Bildhauer auf die spezifische Beschaffenheit des Baumstamms, auf Äste, Ausbeulungen, Krümmungen und Risse. Wie ein Kruzifix wirkt da eine stark gelängte Liegefigur (allerdings eine weibliche): beide Hände schräg nach oben gestreckt, im Körper gekrümmt zur Mitte hin, die Beine leicht angewinkelt. In der Pose trägt die ganze Figur etwas ungeheuer Angestrengtes in sich, so als müsse sich ein auf den Rücken gefallener Käfer selbst wieder auf die Beine bringen. Auch in eine solche Lage kann uns das Leben versetzen.
Der Mensch und das Menschliche sind das große Thema von Josef Lang. Er idealisiert nicht, heroisiert nicht. Seine Skulpturen sind grobschlächtig und ungelenk, disproportioniert auf klumpigen Füßen. Sie haben etwas von archaischen Götterstatuen, ohne jedoch ins Übermenschliche zu entschwinden. Das gigantische Paar im Hof, doppelt lebensgroß, flößt keine Angst ein. Sie in Dunkelrot hält die Hand vor den Bauch und richtet den Blick geradeaus in die Zukunft, er in Schwarzgrün vergräbt eine Hand abwartend in der imaginären Hosentasche und legt die andere hinter den Rücken. Kontemplation anstelle von Aktivität strahlen sie aus, konzentriert auf ihr menschliches Wesen.
Die „Ahnenfigur“verknüpft Gegenwart und Geschichte. Wiederum ein zu voller Länge aufgerichteter
Riese präsentiert auf der angewinkelten Hand wie eine Madonna eine Miniaturfigur des genau gleichen Zuschnitts, bloß mit einer anderen Farbigkeit. Ihr Rot sticht gegen das Dunkelblau der großen Figur ab. Lang, inzwischen 74 Jahre alt, lässt im Unklaren, ob dankbare Erinnerung oder hoffende Vorwegnahme hier die Triebfeder ist. Jedenfalls ist dem Meisterschüler von Erich Koch an der Münchner Kunstakademie die Tradition wohl vertraut. Als er mit 30 eine Steinmetzlehre und dann das Studium aufnahm, war er ein Spätberufener, der seither eifrig Preise eingeheimst hat. Und seine Werke sind an vielen Orten, auch in Schwaben, präsent.
Freihändig sägt der Künstler die Figur aus einem Stamm