Ein Lebenstraum geht in Erfüllung
Lilly Maresch und Jana Semenchenko qualifizieren sich zum zweiten Mal für die Weltmeisterschaft in der Schweiz. Obwohl ihnen Corona, eine Verletzung und Wachstumsschmerzen zusetzten, glaubten sie immer an ihr Ziel
Für zwei junge Sportakrobatinnen aus der Region wird ein Lebenstraum wahr. Die zwölfjährige Lilly Maresch (SAV Augsburg-Hochzoll) und die 15-jährige Jana Semenchenko (TSV Friedberg) haben sich zum zweiten Mal in Folge für die Weltmeisterschaft der Sportakrobatik qualifiziert. Schon im vergangenen Jahr war die Freude bei den beiden groß, als sie endlich alt genug für ihren ersten internationalen Einsatz mit der Nationalmannschaft waren und die Qualifikation in der Tasche hatten. Doch dann kam das Coronavirus und der Traum von einem Start bei der WM zerplatzte wie eine Seifenblase.
Um so glücklicher waren sie nun, dass ihnen dieses Kunststück auch ein Jahr später wieder gelungen ist. „Wir waren beide sehr sehr froh und erleichtert. Denn wir haben so viel Arbeit reingesteckt in diese zweite Nominierung“, erzählt Jana Semenchenko, „da war es schon ganz cool, dass es geklappt hat“. Die ersten Tage und Wochen nach der WMAbsage 2020 hatten den beiden jungen Athletinnen nämlich schon arg aufs Gemüt geschlagen. Hinzu kamen wegen der Corona-Pandemie Kontaktbeschränkungen und ein wochenlanges Trainingsverbot. Dabei hatten sie jahrelang auf ihr großes Ziel hintrainiert. Ein Traum, für den sie viel investiert und auf viel verzichtet hatten.
Trotzdem war für die Augsburgerinnen schnell klar: Aufgeben ist keine Option! So nahmen Semenchenko/Maresch die Herausforderung an, sich den neuen Gegebenheiten zu stellen. Sie erlernten allein zu Hause mit viel Disziplin und diversen Trainingsplänen neue, schwierigere Elemente. „Wir wollten es unbedingt noch einmal schaffen und haben noch mehr und längere Trainingszeiten gemacht“, erzählt Lilly Maresch und ihre Mutter und Trainerin Sandra Maresch ergänzt: „Im ersten Lockdown im vergangenen März war es echt heftig. Lilly hatte den Vorteil, dass wir einen Garten haben und sie dort genügend Platz hatte und alleine richtig viel für ihre Sprungbahn trainieren konnte. Jana musste zu Hause hingegen das halbe Wohnzimmer umstellen, um irgendwie trainieren zu können.“Im Wettkampf muss jede Athletin nämlich eine Sprungbahn mit drei Akrobatikelementen zeigen, bevor es an die Paar-Übungen geht.
Als dann im Sommer zumindest Kadersportler wieder offiziell trainieren durften, konnten auch Semenchenko und Maresch wieder gemeinsam in die Halle. Eine wichtige Übung namens „Kugel“stand dabei fast immer auf dem Trainingsplan. „Das ist ein sehr schwieriges Element, in dem Lilly in einer sehr sehr engen Brücke ist, so, dass ihre Füße auf den Händen stehen, und ich halte sie auf meinen Händen“, schildert Jana Semenchenko die neue Höchstschwierigkeit, die nun künftig fest zu ihrem Programm gehört. Auch am Tempo sowie den Höhen der Sprünge und Würfe sei noch einmal hart gearbeitet worden – trotz des deutlichen Größenwachstums von Lilly Maresch, was ein stetiges Anpassen des Bewegungsablaufs erfordert.
Ende Oktober konnte sich das Augsburger Paar dann schon bei einem Bundeskaderlehrgang von Bundestrainer Igor Blintsov in Wilhelmshaven empfehlen. Doch Jana Semenchenko zog sich in der Woche darauf eine nicht unerhebliche Verletzung zu, die ein gemeinsames Partnertraining in der Vorbereitung auf die erneute WM-Qualifikation für mehrere Wochen unmöglich machte.
Der Wiedereinstieg im neuen Jahr ging nur sehr langsam und schleppend voran, weil neben dem noch schmerzenden Handgelenk von Semenchenko auch Wachstumsschmerzen von Maresch hinzukamen. Doch mit großem Willen, Disziplin und Anstrengung arbeiteten die beiden Bundeskadersportlerinnen weiter, um ihren Traum von der WM nicht aufgeben zu müssen. „Die Mädchen wollten selbst, dass wir das Trainingspensum erhöhen, erst von vier Mal drei Stunden auf fünf Mal drei Stunden und schließlich auf sechs Mal die Woche vier Stunden“, berichtet Trainerin Maresch vom Eifer ihrer Schützlinge. „Wenn man es gewöhnt ist, dann geht es eigentlich“, sagt Lilly über die Dauerbelastung, doch Jana räumt ein, dass ihr der Spagat zwischen Training und Schule kurz vor ihrem Realschulabschluss durchaus schwerfällt. „Manchmal ist es schon sehr anstrengend und manchmal bin ich auch sehr am Verzweifeln“, gesteht Semenchenko. Erschwert werde das für sie durch die ständig wechselnde Situation in der Schule und die Angst, sich doch irgendwo einmal mit Covid-19 zu infizieren und die sportliche Karriere zu gefährden. „Aber der Gedanke an die Teilnahme an der WM oder der EM motiviert mich wieder.“
Die erste Belohnung für die großen Anstrengungen des Paares folgte denn auch vor zwei Wochen. Maresch und Semenchenko gewannen einen Onlinewettkampf in Portugal mit einer Traumwertung, wodurch sie gleich darauf voller Hoffnung und Zuversicht zum WM-Qualifikations-Lehrgang nach Hoyerswerda reisten. Anschließend hieß es eine Woche warten, ob die gezeigten Leistungen für eine erneute Nominierung ausreichen würden. Und endlich kam vom Deutschen Sportakrobatik-Bund die erlösende Nachricht mit der Liste der Qualifikanten, auf welcher Semenchenko/ Maresch ihre Namen gleich zuoberst fanden.
Entsprechend groß war die Freude bei den Mädchen und in ihren Vereinen, beim SportakrobatikVerein Augsburg Hochzoll und beim TSV Friedberg. Nun hoffen Sportlerinnen und Trainerin sehr, dass die WM 2021 in Genf Ende Juni tatsächlich stattfinden kann und die beiden erstmals die deutschen Farben mit der Nationalmannschaft vertreten dürfen. Mit Sandra Maresch wurde auch ihre Trainerin vom SAV Augsburg-Hochzoll für die WM nominiert. Sie reist als eine von zwei Trainern des Deutschen Sportakrobatik-Bund mit in die Schweiz, um neben Lilly und Jana auch die Nationalmannschaft der Elf- bis 17-jährigen zu betreuen.