Sinnvolle Hilfen für Schüler sind kein Hexenwerk
Lockdown und zu wenig Digitalisierung drohen dem Lernerfolg lange zu schaden. Um das zu verhindern, muss man über das Schuljahr hinaus denken
Magie gilt als Kunst, die übersinnliche Kräfte für sich zu nutzen vermag. Magier machen sich diese Kräfte durch Praktiken zum Helfer, die nur sie selbst beherrschen. Jetzt hat also Bayerns Kultusminister Michael Piazolo zum Schulstart nach den Osterferien von seinem „magischen Viereck der Sicherheit“gesprochen, mit dem er Unterricht im Klassenzimmer ermöglichen will: Wenn alle die Maskenpflicht einhalten, sich testen, Lehrer möglichst bald geimpft werden und dazu die Politik die Inzidenzwerte prüft, so kann man es deuten, verschwindet die Pandemie wie von Zauberhand. Nur leider: Die Lernlücken, die das Virus über die Schüler brachte, sind so schädlich wie schwarze Magie. Wie ein böser Geist, gegen den immer noch keine Beschwörungsformel gefunden ist.
Doch um in den nächsten Monaten und Jahren Schaden von den Schulen abzuwenden, braucht Bayern ein solches Zaubermittel. Ein Förderprogramm, das über das Schuljahr hinaus greift. Nur dieses kann verhindern, dass etwa Viertklässler noch als Teenager mit dem jetzt verpassten Lernstoff kämpfen.
Bisher denkt die Politik vor allem von Woche zu Woche. Doch schon zeigt sich, wie zerbrechlich das magische Viereck Piazolos ist. Inzidenzzahlen weit über 100 zwingen die allermeisten Schüler wieder in den Distanzunterricht – kaum dass die Schulen eröffnet hatten.
Doch Bildungspolitiker bis in die Bundesregierung hinein scheinen zu hoffen, dass alles sich wie aus der Hand eines guten magischen Wesens fügt, wenn nur die Schüler wieder regelmäßig im Klassenzimmer den Schulranzen auspacken. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat ein deutschlandweites Nachhilfeprogramm versprochen – eine wegweisende Idee. Doch anders als angekündigt will sie damit erst im kommenden Schuljahr starten. Dabei zählt jede Stunde.
Der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass jeder fünfte Schüler jetzt schon Nachhilfe nötig hat. Eine Studie der Universität Augsburg beweist, dass die Jüngsten allein im ersten Lockdown durchschnittlich ein halbes Schuljahr verloren haben. Diese Schüler brauchen Hilfe. Der erste Schritt dazu: Bayern muss den Nachholbedarf diagnostizieren. Mit professionell erarbeiteten Aufgaben
über einen zentralen Server und für alle. Nur mit einem Gesamtüberblick kann man – wenn nötig – Schlussfolgerungen für den Lehrplan der nächsten Jahre ableiten. Doch der Freistaat setzt darauf, dass jeder Lehrer selbst überprüft, ob und welcher Nachholbedarf besteht.
Zwar sind Fördergelder in Höhe von 20 Millionen genehmigt. Doch das Geld scheint nicht planvoll verteilt zu werden, sondern eher wild und bunt wie das Konfetti aus einem
Kinderzauberstab. Dabei hat das Kultusministerium gute Pläne: individuelle Förderung, Beratungsangebote, Ferien-Förderkurse, Freizeitpädagogik. Nach den Pfingstferien soll alles starten – getragen unter anderem von Lehramtsstudenten und Kräften aus der Ganztagsbetreuung. Nur: Ob genügend Kräfte schon gefunden sind, keiner weiß es offiziell. In zentralen Kursen vorbereitet werden sie nicht. Dabei wäre das so wichtig.
Private Schulen haben es erkannt. Das Schulwerk der Diözese Augsburg etwa bereitet auf eigene Faust zusammen mit der hiesigen Uni mehr als 100 angehende Lehrer auf eine Sommerschule in den Ferien vor. Das Konzept auszuarbeiten, hat ein Vierteljahr gedauert. Wenn das Ministerium sich jetzt an die Arbeit macht, kann es bis zu den Sommerferien auch an den staatlichen Schulen noch klappen.
Von selbst wird sich das Schulsystem nicht von der Schwächung erholen. Denn jeder Zauberer weiß: Was scheint wie Magie, ist meist das Resultat von harter Arbeit hinter den Kulissen.
Private Schulen sind schon einen Schritt weiter