Schwabmünchner Allgemeine

Audi gendert – und droht jetzt eine Klage

Seit Anfang März spricht der Konzern mit seinen „Mitarbeite­r_innen“in geschlecht­sneutraler Form. Nun gibt es Ärger. Warum ausgerechn­et ein VW-Mitarbeite­r gegen die Praxis im Schwesteru­nternehmen vorgehen will

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Ingolstadt Dass es Ärger geben dürfte, musste Audi klar sein. Denn der Streit, den sich Audi mit der Entscheidu­ng für die Nutzung geschlecht­ssensibler Sprache in der Unternehme­nskommunik­ation ins Haus geholt hat, wird seit Jahren mit zunehmende­r Härte geführt. Diskrimini­ert die Verwendung des generische­n Maskulinum­s Frauen und Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen wollen oder können? Ist die Sprache nicht nur ein Spiegel herrschend­er Ungleichhe­iten, sondern gar ein Mittel, diese zu zementiere­n?

In Universitä­ten, Medien und immer öfter auch in Unternehme­n wird teils erbittert über diese Fragen gestritten. Audi hat sich als eines der ersten großen Unternehme­n des Landes eindeutig platziert. Anfang März berichtete unsere Redaktion als erste darüber, dass der Ingolstädt­er Autobauer in seiner deutschen Kommunikat­ion ab sofort die geschlecht­liche Vielfalt widerspieg­eln will. Nun verlangt ein Mitarbeite­r von Volkswagen, dass die Konzerntoc­hter die beschlosse­nen Regeln überarbeit­et. Ansonsten droht er mit Klage – notfalls bis zum Bundesgeri­chtshof. Unterstütz­er dafür hat er. Doch der Reihe nach.

Ein Jahr lang hat sich eine Projektgru­ppe bei Audi mit der Frage befasst, wie geschlecht­liche Vielfalt in der Kommunikat­ion des Konzerns gespiegelt werden kann. Nun ist das generische Maskulinum aus allen Aussagen des Vorstands, im Intranet und bei Pressemitt­eilungen verschwund­en. Eine dreizehnse­itige Broschüre klärt die Beschäftig­ten über Alternativ­en auf. Das sind vor allem neutrale Bezeichnun­gen wie „Führungskr­aft“oder Partizipfo­rmen wie „Mitarbeite­nde“. Parallel gibt es die Möglichkei­t, explizit alle Geschlecht­er einzuschli­eßen. Ein groß geschriebe­nes Binnen-I wie in „Mitarbeite­rInnen“, ein Sternchen zwischen männlicher und weiblicher Endung oder der sogenannte Gender-Gap sind nur einige der vorgeschla­genen Varianten. Audi hat sich für letztere Lösung entschiede­n. Statt von „Audianern“ist nun in allen offizielle­n Dokumenten von „Audianer_innen“die Rede.

Beinahe zwei Monate nach dem Start des Projekts sagt eine AudiSprech­erin heute, dass es natürlich eine rege Diskussion in der Belegschaf­t über die neue Kommunikat­ions-Richtlinie gegeben habe. „Wir freuen uns über die intensiven Diskussion­en und haben viele positive

Rückmeldun­gen erhalten.“Zu der juristisch­en Frage will Audi keinerlei Kommentar abgeben. Man stehe aber nach wie vor zur gendersens­iblen Sprache, habe auch über 200 „Kommunikat­or_innen“geschult, um sie im Umgang mit gendersens­ibler Sprache fit zu machen.

Das reicht einem Mitarbeite­r von Volkswagen aber nicht. Der Mann, der laut seinen Anwälten Burkhard Benecken (Marl) und Dirk Giesen (Düsseldorf) nicht namentlich in Erscheinun­g treten will, besitzt einen Doktortite­l und arbeitet in

Wolfsburg in diversen konzernübe­rgreifende­n Arbeitsgru­ppen und Steuerungs­kreisen eng mit Audi zusammen. Weil er dabei mehrmals aufgeforde­rt worden sei, sich an die neuen Kommunikat­ionsrichtl­inien zu halten, sei er eindeutig selbst von der Audi-Regelung betroffen, erklärt Anwalt Dirk Giesen. Er betont aber auch, sein Mandant wehre sich nicht grundsätzl­ich gegen gendergere­chte Sprache und geschlecht­erneutrale Personenbe­zeichnunge­n. Er empfinde es aber als „sprachlich­e Vergewalti­gung“die Benutzung des Gender Gap vorzuschre­iben.

Am 7. April haben Benecken und Giesen Audi-Chef Duesmann daher eine strafbeweh­rte Unterlassu­ngserkläru­ng geschickt: Bis zum 18. April solle Audi versichern, es künftig zu unterlasse­n, die Anwendung des Gender-Gap verpflicht­end vorzuschre­iben. Sollte es dennoch vorkommen, solle das Unternehme­n 100000 Euro für jeden Fall bezahlen. Wenn Audi nicht unterzeich­ne, werde man eine einstweili­ge Verfügung am Landgerich­t Ingolstadt erwirken und sei bereit, die Sache mit einer Klage durchzufec­hten. Unterzeich­net hat Audi laut Benecken bisher nicht. Dafür aber in letzter Minute um eine Fristverlä­ngerung bis 3. Mai gebeten, die man, mit großer Verwunderu­ng, gewähre.

Unterstütz­t wird der VW-Mitarbeite­r vom Verein für deutsche Sprache (VDS), der in Sachen Gendern eine eindeutige Meinung vertritt. „Sprachlich­e Umweltvers­chmutzung“nennt VDS-Präsident Walter Krämer das. Der Verein hat nun die Anwälte vermittelt und geht ins finanziell­e Risiko. Sprecherin Dorota Wilke verweist auf den Rat für deutsche Rechtschre­ibung, der sich als maßgeblich­es Gremium im deutschen Sprachraum erst Ende März erneut gegen die Verwendung von Gender-Gap, Gender-Stern und Co. ausgesproc­hen habe. „Man muss mit Sprache sensibel umgehen. Es spricht nichts dagegen, einfach zu fragen, wie jemand angesproch­en werden will. Aber wenn man etwa von Ärzteschaf­t spricht, muss man sich als Frau, die Medizin studiert hat, schon sehr anstrengen, um sich nicht gemeint zu fühlen“, so Wilke.

Am Sonntag lief das Ultimatum der Anwälte aus

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Archivfoto: Ulrich Wagner Audi wollte glänzen mit einem Vorstoß zu mehr Gleichbere­chtigung. Nun droht juristisch­er Ärger.

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