Erste Vorteile für Geimpfte
Baden-Württemberg gewährt seit Montag einige Freiheiten für Menschen mit vollständigem Impfschutz. Wird es ähnliche Erleichterungen auch in Bayern geben?
Stuttgart/Augsburg Seit Wochen diskutieren Mediziner, Politiker und die Bürger in Deutschland immer wieder die gleichen Fragen: Wann wird es Vorteile für Menschen geben, die vollständig gegen Corona geimpft sind? Wie könnten solche Erleichterungen aussehen? Und welches Risiko könnte von diesen Freiheiten ausgehen? Einen ersten Schritt in diese Richtung geht nun Bayerns Nachbar-Bundesland Baden-Württemberg. Nach Angaben des dortigen Sozialministeriums treten die ersten Lockerungen für Menschen mit vollständigem Impfschutz in Kraft – unabhängig von der Entscheidung, dass in BadenWürttemberg schon jetzt die Regelungen der angekündigten Notbremse der Bundesregierung gelten. Was ist nun erlaubt?
Seit Montag gibt es die ersten Freiheiten für Menschen in Pflegeheimen. Sobald 90 Prozent der Bewohner einer Einrichtung geimpft sind, wird die Beschränkung auf zwei Besuche pro Tag aufgehoben. Auch Treffen in Gemeinschaftsräumen sind dann wieder möglich. Auf Mindestabstand und das Tragen einer Maske kann verzichtet werden. Ein Ministeriumssprecher sagte gegenüber unserer Redaktion: „Hierdurch soll wieder mehr Nähe zwischen Bewohnern und Besuchern ermöglicht werden und insbesondere an Demenz erkrankten Bewohnern das Erkennen der Besucher erleichtert werden.“
Darüber hinaus gibt es weitere Erleichterungen: Wer etwa vollständig geimpft ist und keine Symptome hat, muss sich beim Kontakt mit Infizierten künftig nicht mehr in Quarantäne begeben. Auch wer aus einem Risikogebiet im Ausland einreist, muss nicht mehr in Quarantäne. Als Nachweis für den Schutz muss laut Ministerium der Impfpass oder eine Impfbescheinigung vorgelegt werden. Alle in der EU zugelassenen Impfstoffe werden akzeptiert. Noch einen Schritt weiter geht in diesem Zusammenhang übrigens das Bundesland Berlin: Wer beide Corona-Impfungen erhalten hat, wird – nach 15 Tagen ab der ZweitImpfung – künftig wie ein negativ Getesteter behandelt. Einkäufe, Friseuroder Museumsbesuche sind dann ohne Test möglich.
Und in Bayern? Können die Menschen im Freistaat mit ähnlichen Erleichterungen rechnen? Auf Nachfrage beim bayerischen Gesundheitsministerium wird bisher lediglich auf eine Lockerung in Sachen Quarantäne verwiesen. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) erklärte: „Wir wollen für die Menschen immer dort Erleichterungen zulassen, wo es aus infektiologischer Sicht verantwortbar ist. So gibt es bestimmte Personen, die als enge Kontaktpersonen keine Quarantäne antreten müssen: Das sind vollständig geimpfte Personen ab dem 15. Tag nach der abschließenden Impfung.“Die Quarantäne nach der Rückkehr aus dem Ausland bleibt Holetschek zufolge bestehen. Auch alle weiteren Einschränkungen gelten für Geimpfte wie bisher. Das Gesundheitsministerium wolle prüfen, wo weitere Lockerungen möglich seien. Denkbar ist demnach etwa die Aufhebung der Quarantänepflicht nach Reisen in Risikogebiete. Auch von einer Testpflicht beim Einkaufen könnten Geimpfte ausgenommen werden. Holetschek kündigte in einem Interview an, dass die Gesundheitsminister der Länder sich demnächst erneut mit möglichen Erleichterungen für Geimpfte auseinandersetzen wollen.
Ethiker und Infektiologen äußern zu solchen Lockerungen für Geimpfte jedoch Bedenken. Andreas Lob-Hüdepohl zum Beispiel, Mitglied im Deutschen Ethikrat, warnte im Gespräch mit dem
vor der Ungleichbehandlung
Rundfunk Bayerischen
verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Auch nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bleibe immer ein Restrisiko bestehen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Geimpfte das Virus übertragen, sei nach aktuellem Stand zwar gering, aber nicht gleich null, heißt es in einer Erklärung des RKI. Wie stark eine Übertragung durch eine Impfung verhindert wird, könne man derzeit nicht genau beziffern. Bislang vorliegende Daten wiesen darauf hin, dass die Viruslast bei Infizierten stark reduziert und die Zeit der Übertragung verkürzt sei. Die Ständige Impfkommission empfiehlt dennoch für Geimpfte, an Schutzmaßnahmen – Maske, Hygieneregeln und Abstand – festzuhalten.
Aus juristischer Sicht dagegen könnte einiges dafür sprechen, dass bald Vorteile für Geimpfte kommen könnten. Einige Rechtsexperten verweisen darauf, dass an einer schrittweisen Lockerung der Grundrechtsbeschränkungen für Geimpfte kein Weg vorbeiführt. Damit argumentiert auch das Bundesland Baden-Württemberg: Sozialminister Manne Lucha (Grüne) berichtete von einem rechtlichen Zugzwang für sein Bundesland. Gerichte hätten die Landesregierung auf den entsprechenden Handlungsbedarf hingewiesen.
Das Restrisiko ist gering, aber nicht gleich null