Mein Sohn, der Überflieger
Mit drei Jahren liest der in Deutschland geborene Shahab Gharib erste Bücher, mit zwölf schafft er den Schulabschluss in den USA. Nun studiert er – und spielt trotzdem noch gerne mit Lego
New York Schon in der Grundschule war Shahab Gharib mit allen Aufgaben immer vor seinen Mitschülern fertig. „Deswegen habe ich mich dann immer durch alle Bibliotheken gelesen“, sagt der heute 13-Jährige, der im baden-württembergischen Bruchsal geboren ist und mit seinen Eltern als Kleinkind nach Florida umzog. „Jeden Tag bin ich nach Hause gekommen und habe gesagt: Heute habe ich drei Bücher gelesen, heute habe ich vier Bücher gelesen.“
Und in der Tat: Die „Harry Potter“-Bände hatte er schon in der ersten Klasse alle durch. „Als er gesagt hat, er will meine Bücher lesen, habe ich gesagt: Das kannst du nicht, du bist noch viel zu klein“, erzählt Shahabs Vater Bardia. „Natürlich hat er sich dann das Lesen selbst beigebracht. Ich habe ihm ein paar Tricks gezeigt, wie man Buchstaben erkennt – und ein paar Wochen später hat er sich die ersten Bücher aus dem Regal gezogen.“
Als Shahab in der vierten Klasse bei einem für doppelt so alte Kinder angelegten landesweiten Test im obersten Tausendstel landet, wird es dem Vater klar: „Irgendwas stimmt mit dem Typen nicht. Da waren wir echt ein bisschen stolz.“Shahab wechselt in Florida auf eine Begabtenschule, absolviert alle seine Fämit Bestnoten und schafft schließlich 2020 den HighschoolAbschluss – mit gerade einmal zwölf Jahren. Einem Alter, in dem andere Kinder noch gar nicht auf der Highschool angefangen haben.
Danach bewarb er sich bei zahlreichen Universitäten. Und seit diesem Frühjahr studiert der im Februar 13 Jahre alt gewordene Gharib nun an der New Yorker Pace University – als einer der jüngsten Studenten in der Geschichte der Bildungseinrichtung, wenn auch nicht der allerjüngste, wie die Uni mitteilt. Das Alter seines Sohnes habe die Bewerbungen deutlich verkompliziert, sagt der Vater. Unter anderem deswegen, weil man mit weniger als 13 Jahren noch nicht einmal ein Internet-Profil für die nötigen Zulassungstests anlegen könne. Mehrere Universitäten lehnten Shahabs Bewerbung ab, aber von der Pace University kam am Tag vor Weihnachten die Zusage.
„Die zuständige Direktorin hat erzählt, sie hat meine Bewerbung durchgelesen und gesagt: Den will ich – und da hatte sie noch nicht einmal mein Alter gesehen“, erinnert sich Shahab Gharib. Dank zahlreicher Stipendien kostet das Studium für Gharib vergleichsweise günstige mehrere tausend Dollar pro Semester. Mit der Universität ist vereinbart, dass der Vater den Sohn als eine Art Aufsicht begleitet. Geschichte ist nun das Hauptfach von Shahab, dazu belegt er – teilweise im Gebäude im Süden Manhattans, teilweise wegen der Pandemie noch zu Hause – unter anderem Kurse in Wirtschaft, Psychologie, Ägyptologie und Poesie. „Es macht mir sehr viel Spaß“, sagt der 13-Jährige. Und mit seinen teils deutlich älteren Kommilitonen sei alles „ganz normal“.
Lob kommt auch von der Uni: „Es ist eine Freude, Shahab zu unterrichten“, sagt der Präsident der Pace University, Marvin Krislov, in dessen Kurs über öffentliche Bildung Gharib eingeschrieben ist. „Er ist intellektuell neugierig und nimmt aktiv an den Diskussionen im Kurs teil. Er ist einfach ein wundervoller Student.“Warum er akademisch so viel schneller sei als die meisten anderen Kinder, könne er sich auch nicht erklären, sagt Gharib. „Ich glaube, vieles ist Genetik, ich habe einfach einen schlauen Vater und eine schlaue Mutter.“Ob es auch etwas gebe, was er nicht so gut könne? „Ich kann keinen Ton singen und ich kann kein Instrument spielen.“Sein Sohn sei einfach ein „stinknormaler 13-Jähriger mit eicher ner Begabung fürs Lernen“, sagt Vater Bardia Gharib, der früher erfolgreich ein Box-Zentrum in Bruchsal betrieben hat. Gedrillt worden sei Gharib nie. „Wenn ich das höre, lache ich“, sagt der 13-Jährige.
Aber die Eltern unterstützten ihn und zogen von Florida nach New York, damit er auf eine gute Universität gehen kann. Was er einmal werden will, das weiß Gharib noch nicht genau. „Ich kann mir Jura vorstellen, aber ich glaube, wenn ich einen Professor kennenlerne, der Arzt ist, dann kann ich mir auch Medizin vorstellen.“Zunächst einmal müsse er Praktika machen, sagt der Vater. „Und da ist schon wieder sein Alter ein Problem. Viele Firmen werden einfach ablehnen vom Alter her.“
Schon in etwa zwei Jahren wird Shahab den Bachelor-Abschluss haben – mit 15. Wenn er gerade nicht studiert, spielt er gerne mit Lego oder Playmobil, schaut mit seinen Eltern Filme oder geht mit ihnen ins Metropolitan Museum. Die Jahreskarte hat er sich zum HighschoolAbschluss gewünscht. „Wir sind total stolz auf ihn“, sagt Vater Bardia. „Aber wir sehen in ihm auch genauso den Lauselümmel, der er ist.“