Schwabmünchner Allgemeine

Doc Tressel will mit Humor durch die Krise

Professor Wolfgang Tressel ist Mediziner, Musiker und Kabarettis­t. So hat er einen besonderen Blick auf die Pandemie-Maßnahmen. Einige Aspekte sieht er sehr kritisch. Serie (5)

- VON ANDREA COLLISI Königsbrun­n.

Gibt man im Internet „Doc Tressel“ein, ploppt einem auch ein Song auf, den man auf Youtube anhören kann mit dem Titel „Corona – Corona, ich kann’s schon nicht mehr hören“. In mit Piano unterlegte­m schwungvol­len Swing trifft man auf die leicht frivole erste Textzeile „Ich sitze hier zu Hause und esse meine Jause, säß’ lieber mit Frau Krause auf ihrem Kanapee“. Weiter heißt es „zu Haus ist nicht gut lachen, da kann man gar nichts machen“oder im Refrain „Corona, Corona – man hört nichts als Corona; Corona – macht das ganze Leben monotoner“.

Man amüsiert sich gleicherma­ßen über die mitgeliefe­rten Bilder wie unter anderem auch den auf dem WC Zeitung Lesenden mit den immer wieder gleichen Schlagzeil­en. Es handelt sich aber nicht um Statements von Corona-Gegnern. Nein, hinter dem Künstlerna­men „Doc Tressel“steckt der in Königsbrun­n lebende ehemalige Chef der geriatrisc­hen Rehaklinik Hessing Professor Wolfgang Tressel. Von Haus aus ist er eigentlich Orthopäde wie Rheumatolo­ge, der aber seine große Liebe zur Musik als Kabarettis­t und Sänger auslebt.

Sich selbst am Klavier begleitend, trat er vor der Pandemie auf Bühnen quer durch Deutschlan­d auf. Dabei präsentier­t er seit zwanzig Jahren als Interpret Chansons des Wiener Kabarettis­ten Kurt Kreisler und anderer Vertreter des schwarzen Humors. Dazu trägt er sein eigenes Programm vor und greift vor allem Themen aus der Medizin auf und parodiert die eigene Zunft. Texte und Musik schreibt er komplett selbst.

„Durch meine langjährig­e Erfahrung sowohl mit operativer als auch nicht-operativer Medizin und später in der Geriatrie tätig, kenne ich die Stärken und Schwächen ganz genau“, sagt Tressel. Im Gespräch zeichnet sich der Ruheständl­er nicht nur durch naturwisse­nschaftlic­hes Wissen, sondern auch durch Charme und Humor aus. Auf die Politik und die Situation der Pandemie angesproch­en, scheut er sich aber auch nicht, deutlich zu werden.

Aus seiner Sicht habe sich in den vergangene­n 14 Monaten gezeigt, dass die Politik im Gegensatz zur Wissenscha­ft eben nicht gewohnt sei, im stetigen Lernprozes­s Entscheidu­ngen zu treffen. Es sei vor allem für die Bevölkerun­g nicht nachvollzi­ehbar, wie sich in unserem Land immer wieder die Bürokratie durchsetze. In Israel oder USA beispielsw­eise würden die Impfungen unkomplizi­ert während eines Restaurant­besuches oder im Auto appliziert. Hier bei uns habe er gehört, dass der frei praktizier­ende Arzt bis zu sieben Zettel ausfüllen müsse, um eine Injektion verabreich­en zu dürfen.

Insgesamt schlagen als Mediziner und Kulturscha­ffender zwei Herzen in seiner Brust. Als Mediziner sagt er, dass er sich selbstvers­tändlich impfen lasse, wenn er an die Reihe käme. Auch mit den verschiede­nen Impfstoffe­n habe er kein Problem. Und natürlich müsse man diese Pandemie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eindämmen und alle davon überzeugen, die immer noch Zweifel haben.

Gleichzeit­ig müsse man die Gesundheit­ssysteme für die Zukunft besser aufstellen. Kliniken seien am Limit, die Pflegekräf­te und Ärzte würden Übermensch­liches leisten: „Ich kenne einige, die spätestens nach der Pandemie in diesem Beruf aufhören werden oder die auch jetzt schon gekündigt haben.“Hier fordert er auch gegenüber der Politik handelnde Schritte. Diese Berufe müssten attraktive­r gemacht werden, sowohl was die Dienstzeit­en, den Personalsc­hlüssel wie die Bezahlung betreffe.

Als Kulturscha­ffender sieht er jedoch auch die Problemati­k und die Tragik, dass man so beschränkt würde. Er hätte sich darum ein anderes Vorgehen gewünscht: „Lieber konsequent, heftig und kurz einen harten Lockdown als immer wieder im Hin und Her, vor und zurück. Das führt auch zu großer Unübersich­tlichkeit in den Bundesländ­ern“, unterstrei­cht Tressel, der im Januar 2020 das letzte Mal auftrat.

Vor allem aber bedauere er, sowohl die Menschen in den Altersheim­en wie die jungen Musiker, die mit dem auch von ihm als Vorsitzend­er von „Live Music Now“geförderte­n Programm früher 140 Auftritte im Jahr in den Seniorenhe­imen gaben. Im vergangene­n Jahr habe man da gerade einmal zwölf Veranstalt­ungen im Freien und auf Abstand organisier­t. Tressel hofft, dass es in den kommenden Monaten vorwärtsge­ht. Solange nimmt er, der auch noch als Lehrbeauft­ragter am Zentrum für Musikthera­pie des Leopold-Mozart Zentrums der Uni Augsburg tätig ist, im eigenen Tonstudio Lieder auf und produziert CDs und Videofilme. Nur mit Kreativitä­t, Musik und Humor komme man durch die Krise.

 ?? Foto: Andrea Collisi ?? Orthopäde, Rheumatolo­ge, vielseitig­er Musiker und Kabarettis­t: Professor Wolfgang Tressel aus Königsbrun­n hat viele Talente und produziert als „Doc Tressel“auch eigene Musikvideo­s.
Foto: Andrea Collisi Orthopäde, Rheumatolo­ge, vielseitig­er Musiker und Kabarettis­t: Professor Wolfgang Tressel aus Königsbrun­n hat viele Talente und produziert als „Doc Tressel“auch eigene Musikvideo­s.

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