Doc Tressel will mit Humor durch die Krise
Professor Wolfgang Tressel ist Mediziner, Musiker und Kabarettist. So hat er einen besonderen Blick auf die Pandemie-Maßnahmen. Einige Aspekte sieht er sehr kritisch. Serie (5)
Gibt man im Internet „Doc Tressel“ein, ploppt einem auch ein Song auf, den man auf Youtube anhören kann mit dem Titel „Corona – Corona, ich kann’s schon nicht mehr hören“. In mit Piano unterlegtem schwungvollen Swing trifft man auf die leicht frivole erste Textzeile „Ich sitze hier zu Hause und esse meine Jause, säß’ lieber mit Frau Krause auf ihrem Kanapee“. Weiter heißt es „zu Haus ist nicht gut lachen, da kann man gar nichts machen“oder im Refrain „Corona, Corona – man hört nichts als Corona; Corona – macht das ganze Leben monotoner“.
Man amüsiert sich gleichermaßen über die mitgelieferten Bilder wie unter anderem auch den auf dem WC Zeitung Lesenden mit den immer wieder gleichen Schlagzeilen. Es handelt sich aber nicht um Statements von Corona-Gegnern. Nein, hinter dem Künstlernamen „Doc Tressel“steckt der in Königsbrunn lebende ehemalige Chef der geriatrischen Rehaklinik Hessing Professor Wolfgang Tressel. Von Haus aus ist er eigentlich Orthopäde wie Rheumatologe, der aber seine große Liebe zur Musik als Kabarettist und Sänger auslebt.
Sich selbst am Klavier begleitend, trat er vor der Pandemie auf Bühnen quer durch Deutschland auf. Dabei präsentiert er seit zwanzig Jahren als Interpret Chansons des Wiener Kabarettisten Kurt Kreisler und anderer Vertreter des schwarzen Humors. Dazu trägt er sein eigenes Programm vor und greift vor allem Themen aus der Medizin auf und parodiert die eigene Zunft. Texte und Musik schreibt er komplett selbst.
„Durch meine langjährige Erfahrung sowohl mit operativer als auch nicht-operativer Medizin und später in der Geriatrie tätig, kenne ich die Stärken und Schwächen ganz genau“, sagt Tressel. Im Gespräch zeichnet sich der Ruheständler nicht nur durch naturwissenschaftliches Wissen, sondern auch durch Charme und Humor aus. Auf die Politik und die Situation der Pandemie angesprochen, scheut er sich aber auch nicht, deutlich zu werden.
Aus seiner Sicht habe sich in den vergangenen 14 Monaten gezeigt, dass die Politik im Gegensatz zur Wissenschaft eben nicht gewohnt sei, im stetigen Lernprozess Entscheidungen zu treffen. Es sei vor allem für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar, wie sich in unserem Land immer wieder die Bürokratie durchsetze. In Israel oder USA beispielsweise würden die Impfungen unkompliziert während eines Restaurantbesuches oder im Auto appliziert. Hier bei uns habe er gehört, dass der frei praktizierende Arzt bis zu sieben Zettel ausfüllen müsse, um eine Injektion verabreichen zu dürfen.
Insgesamt schlagen als Mediziner und Kulturschaffender zwei Herzen in seiner Brust. Als Mediziner sagt er, dass er sich selbstverständlich impfen lasse, wenn er an die Reihe käme. Auch mit den verschiedenen Impfstoffen habe er kein Problem. Und natürlich müsse man diese Pandemie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eindämmen und alle davon überzeugen, die immer noch Zweifel haben.
Gleichzeitig müsse man die Gesundheitssysteme für die Zukunft besser aufstellen. Kliniken seien am Limit, die Pflegekräfte und Ärzte würden Übermenschliches leisten: „Ich kenne einige, die spätestens nach der Pandemie in diesem Beruf aufhören werden oder die auch jetzt schon gekündigt haben.“Hier fordert er auch gegenüber der Politik handelnde Schritte. Diese Berufe müssten attraktiver gemacht werden, sowohl was die Dienstzeiten, den Personalschlüssel wie die Bezahlung betreffe.
Als Kulturschaffender sieht er jedoch auch die Problematik und die Tragik, dass man so beschränkt würde. Er hätte sich darum ein anderes Vorgehen gewünscht: „Lieber konsequent, heftig und kurz einen harten Lockdown als immer wieder im Hin und Her, vor und zurück. Das führt auch zu großer Unübersichtlichkeit in den Bundesländern“, unterstreicht Tressel, der im Januar 2020 das letzte Mal auftrat.
Vor allem aber bedauere er, sowohl die Menschen in den Altersheimen wie die jungen Musiker, die mit dem auch von ihm als Vorsitzender von „Live Music Now“geförderten Programm früher 140 Auftritte im Jahr in den Seniorenheimen gaben. Im vergangenen Jahr habe man da gerade einmal zwölf Veranstaltungen im Freien und auf Abstand organisiert. Tressel hofft, dass es in den kommenden Monaten vorwärtsgeht. Solange nimmt er, der auch noch als Lehrbeauftragter am Zentrum für Musiktherapie des Leopold-Mozart Zentrums der Uni Augsburg tätig ist, im eigenen Tonstudio Lieder auf und produziert CDs und Videofilme. Nur mit Kreativität, Musik und Humor komme man durch die Krise.