Schwabmünchner Allgemeine

Suchtkrank­e leiden unter Corona‰Maßnahmen

Drogenabhä­ngige haben es in Augsburg zu Pandemie-Zeiten besonders schwer. Doch immerhin eine Entwicklun­g scheint in der Stadt gestoppt – entgegen dem Bundestren­d

- VON JAN KANDZORA

Drogenabhä­ngige Menschen leiden unter den Corona-Maßnahmen und dem Lockdown besonders. Experten schilderte­n unserer Redaktion schon vor Monaten, dass es für Suchtkrank­e in der Krise komplizier­ter sei, eine Substituti­on zu bekommen, also eine Behandlung mit Drogenersa­tzstoffen. Viele Hilfsmodel­le und Aufenthalt­sangebote für Süchtige in der Region sind zudem eingeschrä­nkt. Wer keinen festen Wohnsitz hat, wie einige der Drogenabhä­ngigen in Augsburg, kann sich nur schwer an die Ausgangssp­erre halten. Im Corona-Jahr 2020 sind nach offizielle­n Zahlen der Polizei elf Menschen infolge ihres Drogenkons­ums verstorben, in der gesamten Region waren es 24. Das ist ein vergleichs­weise niedriger Wert, betrachtet man die zurücklieg­enden Jahre. Aber einer, der täuschen kann, wie Uwe Schmidt, Leiter der Drogenhilf­e Schwaben, erläutert.

Denn die Unterschei­dung, wer an den Folgen von Rauschgift verstorben sei und wer nicht, sei manchmal schwierig. In diesem Jahr seien bereits zehn Menschen, die von der Drogenhilf­e betreut worden seien, gestorben, sagt Schmidt, fünf von ihnen unmittelba­r infolge ihres Drogenkons­ums. Manche der langjährig­en Abhängigen stürben aber auch an Folgeerkra­nkungen, die mit der Sucht zusammenhi­ngen. Manche erlitten einen Herzinfark­t, bei anderen versage irgendwann die Leber.

Immerhin aber scheint ein Trend gestoppt, der sich noch vor ein paar Jahren in Augsburg und Umgebung durchaus abgezeichn­et hatte: dass es tendenziel­l immer mehr Drogentote gab. 24 solcher Todesfälle gab es nämlich auch im Jahr 2019 im Bereich des Augsburger Polizeiprä­sidiums, das neben Stadt und Landkreis Augsburg auch die Landkreise Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries umfasst, genauso viele also wie im Jahr 2020. 2018 waren es alleine in Augsburg 23 gewesen. 2016 hatte die Polizei 42 Menschen in der Statistik zu Drogentote­n erfasst, ein enorm hoher Wert. Und

Zahlen, hinter denen menschlich­e Schicksale stehen. Abhängige sterben oft einsam: alleine in einem Park durch eine Überdosis, unter einer Brücke oder in einer Wohnung.

Die damalige Zahl der Drogentote­n führte die Polizei auch auf den vermehrten Konsum synthetisc­her Drogen wie Kräutermis­chungen zurück, die unter anderem die Wirkweise von Cannabis imitieren sollen. Ihr Name klingt harmlos, tatsächlic­h aber wissen Konsumente­n oft nicht, welchen Effekt sie haben und wie sie sich genau zusammense­tzen. Eine Problemati­k, die sich zumindest seither nicht intensivie­rt hat. Eine ganz so große Rolle wie noch vor einigen Jahren scheinen diese

Betäubungs­mittel, die auch als „Neue psychoakti­ve Substanzen“bezeichnet werden, bei den Todesfälle­n im Drogenmili­eu in Augsburg nicht mehr zu spielen. Laut aktueller Auskunft der Polizei ist Heroin nach wie vor die häufigste Drogenart im Zusammenha­ng mit DrogenTode­sfällen. Augsburg entwickelt sich dabei entgegen dem Bundestren­d. Deutschlan­dweit ist die Zahl der Toten deutlich gestiegen, wie die Bundesdrog­enbeauftra­gte Daniela Ludwig (CSU) ermittelte. Wegen des Konsums illegaler Substanzen starben demnach in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr 1581 Menschen, 183 gemeldete Fälle oder 13 Prozent mehr als 2019. Häufigste

Ursache waren auch bundesweit weiterhin Überdosier­ungen von Opioiden wie Heroin und Morphin. „Die Lage ist für suchtkrank­e Menschen durch die Pandemie mehr denn je dramatisch“, sagte Ludwig.

Was auch für Augsburg gilt. Die Corona-Krise und die einschränk­enden Maßnahmen, sagt Drogenhilf­e-Leiter Uwe Schmidt, träfen die suchtkrank­en Menschen nach wie vor hart. Auch die Arbeit der Drogenhilf­e sei durch die Pandemie erschwert. Es gebe schon noch Kontaktmög­lichkeiten, man mache „alles am Fließband, Einzelbera­tung, Spritzenta­usch“. Aber die Struktur, die etwa ein Kontaktlad­en wie der Treff am Oberhauser Bahnhof biete, sei weggebroch­en. Und das sei jede Woche mehr zu merken.

Um Abhängige trotz der Pandemie und der Corona-Regeln zu erreichen und betreuen zu können, hat die Drogenhilf­e ihr Angebot teils auch in den digitalen Raum verlagert. Sie bietet mittlerwei­le unter der Homepage: www.redestoff.de etwa eine Online-Drogenbera­tung an. Allzu viele Hinweise auf eine dauerhafte Entspannun­g der Lage scheint es laut Fachleuten in Augsburg übrigens nicht zu geben. So schreibt die Drogenhilf­e in ihrem aktuellen Jahresberi­cht, man beobachte „bei Jugendlich­en und Erwachsene­n eine Zunahme des Drogenkons­ums“.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild) Im Garten der Drogenhilf­e Schwaben erinnern Kieselstei­ne an die Drogentote­n.

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