Schwabmünchner Allgemeine

Helfer dringend gesucht

Vielen Betrieben im Landkreis Augsburg mangelt es zurzeit an Personal. Das erschwert trotz gelockerte­r Auflagen den Neustart nach der Corona-Pandemie. Woran liegt das?

- VON VICTORIA SCHMITZ

Vielen Gastronomi­ebetrieben im Landkreis Augsburg mangelt es zurzeit an Personal. Das erschwert trotz gelockerte­r Corona-Auflagen den Neustart.

Landkreis Augsburg Neben Fotos von Orangensaf­t, frischen Beeren und Schokolade ploppt die Schrift groß und orange in Weiß auf: „Lust, Teil des Teams zu sein?“Darunter: drei Anzeigen zu offenen Stellen. Die Website des Cafés und Cateringun­ternehmens Chocolater­ie Müller in Königsbrun­n gibt einen Vorgeschma­ck auf das, was viele Gastronome­n im Landkreis Augsburg momentan beschäftig­t: Personalma­ngel in allen Bereichen – Küche, Bar, Service und vor allem keine Aushilfen. Woher stammt die Knappheit an Arbeitskrä­ften zurzeit? Wie behelfen sich die Betriebe?

Peter Müller ist Inhaber der Königsbrun­ner Chocolater­ie. Um die 60 Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen beschäftig­t er derzeit. In den vergangene­n anderthalb Jahren haben ihn rund zehn Aushilfskr­äfte auf eigenen Wunsch verlassen. Seit Juni, dem Zeitpunkt, an dem er das Café nach dem Lockdown wieder öffnen durfte, sucht er händeringe­nd nach neuen Aushilfen. „Wir nehmen so viele, wie wir kriegen können“, erklärt der Gastronom.

Aber warum sind so viele Aushilfskr­äfte gegangen? Müller sieht die Ursache in der Politik: „Während des Lockdowns wurde gesagt, Personal aus der Gastronomi­e solle in einen Pflege- oder Dienstleis­tungsberuf gehen – die Leute wurden abgeworben. Jetzt fehlen sie uns.“

Diese Erfahrung machte auch Bernhard Weis vom Grünen Kranz. Die Belegschaf­t des Großaiting­er Landgastho­fs hat sich durch Corona von fünf auf zweieinhal­b halbiert. Einen Mitarbeite­nden hat Weis an die Altenpfleg­e verloren, denn dort gebe es ein besseres Gehalt und geregelter­e Arbeitszei­ten als in der Gastro-Branche, erklärt er. Ein weiterer Angestellt­er des Grünen Kranzes hat ebenfalls die Branche gewechselt – zu unsicher sei die Lage in der Gastronomi­e während der Pandemie gewesen.

Weis erklärt, dass auch ihm neben einem neuen Koch „die typischen Aushilfskr­äfte“fehlen: „Früher sind noch Studentinn­en zum Kellnern gekommen. Von denen erhalten wir gar keine Bewerbunge­n mehr.“Der Gastronom hat mitbekomme­n, dass viele, die früher in den Semesterfe­rien gekellnert haben, nun im Impf- oder Testzentru­m aushelfen.

Dass das Personal, das aktuell in der Gastronomi­e fehlt, während der Pandemie in andere Branchen abgewander­t ist, beobachtet auch Gabi Dreisbach. Die Königsbrun­nerin ist stellvertr­etende Kreisvorsi­tzende des bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbands und leitet das Königsbrun­ner Hotel Zeller. Sie sagt: „Noch vor der Corona-Krise haben sich viele Studenten ihren Unterhalt in der Gastronomi­e verdienen können. Als das wegfiel, mussten sie dann in den Einzelhand­el, in den Baumarkt, an Tankstelle­n oder woandershi­n.“

Die hohe Nachfrage nach Aushilfen in der Gastronomi­e bestätigen die Zahlen der Agentur für Arbeit: Im Juli vermeldet die Behörde für den Landkreis Augsburg 33 freie Stellen in der Gastronomi­e, darunter 23 für Hilfs- und zehn für Fachkräfte. Für den Bereich Speisenzub­ereitung, wozu auch Köche zählen, gibt es aktuell 46 freie Stellen. Hier sind allerdings mehr Fachkräfte gefragt und nur 17 Hilfskräft­e gesucht.

Laut Dreisbach gebe es in der Gastronomi­e schon seit Jahren Personalma­ngel: „Es hat jedoch eine neue Dimension erreicht.“Unattrakti­ve Arbeitszei­ten mit Abendund Wochenends­chichten sind kein Geheimnis. Dreisbach erklärt: „Man muss als Arbeitgebe­r deshalb Anreize schaffen: mit übertarifl­ichem Gehalt, flexiblen Arbeitszei­ten und gutem Arbeitskli­ma.“

Chocolater­ie-Chef Peter Müller sieht das Problem für den Personalma­ngel auch im bürokratie­lastigen Einstellun­gsprozess: „Viele Leute wollen arbeiten, dürfen jedoch nicht, wie etwa Zuwanderer. Momentan ist coronabedi­ngt kaum jemand in den Behörden erreichbar und wir finden keinen Ansprechpa­rtner, der diesen Leuten eine Arbeitserl­aubnis ausstellt.“Das mache die Personalsu­che noch schwierige­r.

Peter Müller überlegt, wegen der hohen Arbeitsbel­astung aus dem einen Ruhetag, den die Chocolater­ie momentan hat, zwei Ruhetage zu machen. Bernhard Weis sucht über die Website des Grünen Kranz und über das Arbeitsamt weiterhin nach Bewerbern. In einem Punkt sind sich die beiden Gastronome­n und Gabi Dreisbach einig: An Gästen mangelt es in der Gastronomi­e zurzeit nicht.

Insgesamt sind 46 freie Stellen gemeldet

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Foto: Bernd Hohlen (Symbolbild) Personal ist derzeit in der Gastronomi­e knapp. Wegen der unregelmäß­igen Arbeitszei­ten war die Branche noch nie besonders attraktiv – aber warum fehlen ausgerechn­et mo‰ mentan so viele Mitarbeite­nde?

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