Schwabmünchner Allgemeine

„Sie ist das Maß der Dinge“

Isabell Werth über ihre Stute Bella Rose, die sie in den Ruhestand verabschie­den will. Über langjährig­e Beziehunge­n zu Pferden. Und über die Fehler im Regelwerk des modernen Fünfkampfs

- Interview: Christoph Schillingm­ann

Frau Werth, Sie wollen Ihr Erfolgspfe­rd Bella Rose beim CHIO in Aachen aus dem Sport verabschie­den. Warum haben Sie sich diesen Zeitpunkt ausgewählt?

Isabell Werth: waren uns einig und fanden es sehr schön, dass Bella sich in Tokio vom Championat­s-Parkett verabschie­det und Weihegold dafür die Europameis­terschaft bekommt.

Mit Bella Rose haben Sie OlympiaGol­d im Team und Olympia-Silber im Einzel gewonnen, sind zweimal TeamWeltme­isterin und einmal EinzelWelt­meisterin mit ihr geworden. 2019 haben Sie drei EM-Titel zusammen geholt. Was ist Ihr gemeinsame­s Erfolgsrez­ept?

Werth: das Pferd neun oder zehn Jahre alt ist, dass es den Grand-Prix-Level erreicht hat. Je nach Glück, Routine, Erfahrung und Temperamen­t ist das Pferd in einem Alter zwischen etwa elf, zwölf und 16, 17 Jahren auf dem Zenit – wenn es von Verletzung­en verschont bleibt.

Jessica von Bredow-Werndl ist mit Dalera spätestens mit den Leistungen in Tokio auf diesem Niveau angekommen. Was macht die beiden als Paar so stark?

Werth: Sie sind über die Jahre entspreche­nd zusammenge­wachsen. Das ist in der Dressur das Wichtigste. Man muss wie ein altes Ehepaar ein Team werden und die Stärken, Schwächen, Emotionen und Reaktionen kennenlern­en. Das ist von Pferd zu Pferd sehr unterschie­dlich. Das gelingt mal schneller und mal weniger schnell. Sie hat Rio knapp verpasst und war dann seit der Weltmeiste­rschaft 2018 in Tryon dabei, hat sich akribisch weiterentw­ickelt und ist jetzt Doppelolym­piasiegeri­n.

Wenn man Jahre braucht, um mit einem Pferd zusammenzu­wachsen: Wie bewerten Sie den Modernen Fünfkampf, der zum Ende der Olympische­n Spiele durch den Vorfall mit Annika Schleu in die Kritik geraten ist? Werth: Man hat keine Verbindung zu einem Pferd, das man kurz vor dem Wettkampf ausgelost bekommt und dann 20 Minuten Zeit zum Warmreiten hat, um dann eine Prüfung zu absolviere­n. Das ist ein ganz anderes

System, das ich nicht mehr für zeitgemäß halte. Dieses Ausmaß der teils unsachlich­en und unfairen Kommentare, aber auch gerechtfer­tigten Kritiken trifft sie natürlich sehr hart. Meine Kritik gilt dem System, nicht der Athletin. Reiten ist im Fünfkampf lediglich eine Teildiszip­lin. Man muss darüber nachdenken, wie man das System überarbeit­et, dass man allen und vor allem den Pferden gerecht wird. Denn in der Situation waren alle überforder­t: Pferd, Reiterin und Trainerin.

Was muss sich im Regelwerk ändern?

Werth: Ich bin jetzt nicht damit beschäftig­t, mir das Regelwerk des Modernen Fünfkampfe­s zu eigen zu machen. Es gibt Verantwort­liche, die darüber nachdenken müssen, wie sie sich in der Zukunft wettbewerb­sfähig halten. Eigene Pferde mitzubring­en, ist aber sicher eine Variante. Weil das Springreit­en aber eine Teildiszip­lin ist, weiß ich nicht, ob alle Teilnehmer eigene Pferde zur Verfügung haben. Wenn die meisten aus dem Schwimmen, Fechten oder Laufen kommen, dann ist Reiten eben nur ein Teil, den man mitabsolvi­ert.

Isabell Werth, 52, ist sie‰ benfache Olympiasie­ge‰ rin im Dressurrei­ten. Dazu kommen neun WM‰ und 20 EM‰Titel. (AZ)

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Foto: dpa Auf Bella Rose holte Isabell Werth Silber bei den Olympische­n Sommerspie­len in Tokio. Bald soll die Stute in den Ruhestand verabschie­det werden.
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