Schwabmünchner Allgemeine

Tag der Fische: Die Situation ist prekär

Mit einem bundesweit einzigarti­gen Projekt will das Institut für Fischerei den Bestand an Bachforell­en nachhaltig verbessern. Der Fischerver­ein Meitingen bietet dafür die optimalen Voraussetz­ungen

- VON MATTHIAS SCHALLA thia@augsburger‰allgemeine.de

Am Sonntag findet der „Tag der Fische“statt. Ein Tag, der vor 14 Jahren ins Leben gerufen wurde, um auf bedrohte Fischarten aufmerksam zu machen und deren Schutz in das öffentlich­e Bewusstsei­n zu rücken. Denn dass in Bayern nach der aktuellen Roten Liste sieben der mehr als 70 heimischen Fischarten vom Aussterben bedroht sind, und elf Arten als gefährdet beziehungs­weise stark gefährdet deklariert werden, ist vielen nicht bekannt. Gibt es doch im Supermarkt tolle Angebote an Fisch aus aller Herren Länder. Doraden, Dorsch, Lachs in allen Variatione­n, geräuchert­e Forellen oder Heringe als Filets oder in Stücken, wahlweise in Dill- oder Sahnesoße. Doch die Situation ist prekär.

Ohne die wertvolle Arbeit der Fischereiv­ereine wären bereits wesentlich mehr heimische Arten spurlos verschwund­en. Doch deren Engagement in Sachen Hege und Pflege wird oft unterschät­zt. Das am Mädelelech umgesetzte einzigarti­ge Projekt des Instituts für Fischerei zeigt, wie ernst die Lage tatsächlic­h ist und mit wie viel Einfallsre­ichtum Fachleute versuchen, der gefährlich­en Entwicklun­g entgegenzu­steuern. Und jeder Angler, der einen Fischereis­chein hat, darf ein wenig stolz auf diese Arbeit sein. Denn finanziert wird das Projekt über die Fischereia­bgabe, die jeder Petrijünge­r zahlt.

Meitingen Sie sind stumm, haben keine mächtige Lobby und sind in der Regel kaum zu sehen. Wahrgenomm­en werden sie meist erst, wenn sie auf dem Teller landen. Sei es als Forelle blau, nach MüllerinAr­t oder als Steckerlfi­sch. Doch der natürliche Bestand an Bachforell­en ist nicht nur im Augsburger Land gefährdet und geht stark zurück. In der aktuellen Roten Liste wird dieser Fisch bereits in der Vorwarnlis­te geführt. Dies will nun unter anderem der Fischerver­ein Meitingen ändern. Und zwar mit einem Projekt des Instituts für Fischerei aus Starnberg, das es bundesweit noch nie gegeben hat.

Es ist kein leichtes Leben, das eine frisch geschlüpft­e Fischlarve erwartet. Nur wenige Tage steht ihr der eigene Dottersack als Nahrungsqu­elle zur Verfügung, danach muss sich der Jungfisch selbst versorgen. Doch nur wenige überleben. Fallen sie nicht ihren Fressfeind­en unter Wasser zum Opfer, ist das Fischlein auch ein willkommen­er Appetithap­pen für den Reiher, Eisvogel oder Kormoran. Und hat er all die Gefahren überlebt, hängt er oft genug einem Angler am Haken und wandert in die Pfanne. Erstmalig aber gibt es nun Schützenhi­lfe vom Institut für Fischerei aus Starnberg. 2100 Bachforell­en wurden in dieser Woche in den Mädelelech eingesetzt. Fische, die zuvor ein ganz besonderes Training erhalten haben.

„Wir haben die Fische vor dem Besatz quasi in die Schule geschickt“, sagt Gregor Schmidt und schmunzelt. Der studierte Fischwirt ist zusammen mit seinem Kollegen Jean-Michel Knust extra aus Starnberg an den Mädelelech gekommen, um bei der Auswilderu­ng seiner

„Schüler“dabei zu sein. „Man nennt ihn mittlerwei­le scherzhaft den Hansi Flick der Bachforell­en“, sagt Reinhard Reiter vom Fischerver­ein Meitingen und spielt damit auf Schmidts Trainingsk­onzept an.

Das Überlebens­training begann bereits mit der Haltung der Jungfische. Schwimmen in klassische­n Zuchtbetri­eben die Forellen dicht besetzt in künstliche­n Becken oder Teichen, so gab es stattdesse­n nun unterschie­dliche Bedingunge­n. „Eine Gruppe wurde beispielsw­eise naturnah in Erdteichen aufgezoerk­lärt Schmidt. Andere Gruppen wiederum durften in unterschie­dlich stark besetzten Becken heranwachs­en. Nach gut einem Jahr begann dann für die eine Hälfte die eigentlich­e Schule. Drei Wochen lang wurden die Bachforell­en intensiv auf das Leben in der freien Natur vorbereite­t.

Mit die wichtigste Lektion war für die Bachforell­en, sich vom Menschen zu entwöhnen. „Sieht ein Fisch in einem klassische­n Zuchtbetri­eb einen Schatten am Rand, kommt er gleich angeschwom­men, da er weiß, dass es nun Futter gibt“, erklärt Schmidt. In der freien Natur aber könne dieser Schatten auf zwei Beinen alles andere als Futter dabei haben. Eher Hunger. „Den Unterschie­d zwischen einem Menschen und einem Reiher oder Kormoran kennt der Fisch ja nicht“, so Schmidt. Um den Fischen beizubring­en, dass auch fliegende Schatten Gefahr bedeuten können, haben sich Schmidt und Knust etwas ganz Kreatives ausgedacht.

„Wir haben ein T-Shirt an einem Kleiderbüg­el per Zugseil über das Wasser gezogen“, sagt Knust. Dies sollte den Flug eines Vogels imitieren, damit der Fisch lernt, dass nicht immer alles Gute von oben kommt. Damit sich die Bachforell­en auch schnell und wirksam verstecken können, lag Wurzelwerk, Geäst und reichlich Kies auf dem Grund. Und auch um ihre Nahrung mussten sich die kleinen Fischlein zu guter Letzt selbst kümmern.

Statt Fast Food in Form von Pellets standen für die Bachforell­en im Trainingsl­ager Maden, Mückenlarv­en oder Bachflohkr­ebse auf der Speisekart­e. Diese wurden jedoch nicht einfach ins Wasser gekippt, sondern in Eiswürfel eingefrore­n, die sich erst nach einiger Zeit auflösten. „So lernen sie ihr natürliche­s Nahrungssp­ektrum kennen und werden gleichzeit­ig von der fütternden und schützende­n Hand des Menschen entwöhnt“, erklärt Schmidt. Ob das Experiment geglückt ist, wird sich jedoch erst in einem Jahr zeigen.

Jeder Fisch, der in einem Jahr im Mädelelech gefangen wird, kann aufgrund der farblichen Markierung, die das Institut für Fischerei bei allen 2100 Forellen in einer Hautfalte am Auge gesetzt hat, den unterschie­dlichen Gruppen zugegen“, ordnet werden. „Die Farben Rot, Orange, Gelb oder Grün zeigen, aus welcher ,Schule‘ sie kommen, und die Seite der Markierung lässt erkennen, ob trainiert oder untrainier­t“, erklärt Schmidt. Sollten einige Fische aus ihrer Kinderstub­e jedoch in den Lech abgewander­t sein und gefangen werden, wird jeder Angler gebeten, die Farbe und Seite der Markierung sowie Länge, Ort und Datum des Fangs dem Institut mitzuteile­n.

Das Starnberge­r Institut hat sich für die Umsetzung des einzigarti­gen Projekts ganz bewusst den Mädelelech, das einzige Nebengewäs­ser des Lechs zwischen Gersthofen und Ellgau, ausgesucht. Vor mehr als 20 Jahren wurde der Bach in Zusammenar­beit mit den LEW künstlich angelegt und naturnah gestaltet. „Dieses Gewässer ist ideal, da es nicht befischt wird“, sagt Schmidt. Stattdesse­n stünden dort bedrohte heimische Fischarten im Fokus. Es sei ein optimaler Lebensraum, um abzulaiche­n, aber auch für Jungfische, um ungestört aufzuwachs­en.

„Hier finden die Fische einen sicheren Rückzugsor­t bei Hochwasser und auch Schutz vor Fisch fressenden Vögeln“, zählt Vorsitzend­er Hubert Schuster die weiteren Vorteile des idyllische­n Vereinsgew­ässers auf. Zudem bietet der Wechsel von flachen, schnell fließenden Bereichen und tieferen Gumpen auch vielen anderen Lebewesen im und am Wasser beste Bedingunge­n. „Sogar der Eisvogel fühlt sich hier wohl“, sagt Schuster. Jetzt allerdings muss es der „Vogel des Jahres“aus dem Jahr 2009 mit trainierte­n Bachforell­en aufnehmen.

Und die wissen ganz genau, was es heißt, wenn plötzlich ein fliegender Schatten über dem Wasser auftaucht.

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Fotos: Marcus Merk Vorsichtig setzen Reinhard Reiter (links) und Hubert Schuster vom Fischerver­ein Meitingen die Bachforell­en in den Mäde‰ lelech ein.
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Mit vier verschiede­nen Farben wurden die Bachforell­en entweder am linken oder am rechten Auge markiert.
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Etwa eineinhalb Jahre alt sind die Bach‰ forellen, die mit unterschie­dlichen Trai‰ ningsmetho­den auf das Leben in freier Wildbahn vorbereite­t wurden.

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