Tag der Fische: Die Situation ist prekär
Mit einem bundesweit einzigartigen Projekt will das Institut für Fischerei den Bestand an Bachforellen nachhaltig verbessern. Der Fischerverein Meitingen bietet dafür die optimalen Voraussetzungen
Am Sonntag findet der „Tag der Fische“statt. Ein Tag, der vor 14 Jahren ins Leben gerufen wurde, um auf bedrohte Fischarten aufmerksam zu machen und deren Schutz in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Denn dass in Bayern nach der aktuellen Roten Liste sieben der mehr als 70 heimischen Fischarten vom Aussterben bedroht sind, und elf Arten als gefährdet beziehungsweise stark gefährdet deklariert werden, ist vielen nicht bekannt. Gibt es doch im Supermarkt tolle Angebote an Fisch aus aller Herren Länder. Doraden, Dorsch, Lachs in allen Variationen, geräucherte Forellen oder Heringe als Filets oder in Stücken, wahlweise in Dill- oder Sahnesoße. Doch die Situation ist prekär.
Ohne die wertvolle Arbeit der Fischereivereine wären bereits wesentlich mehr heimische Arten spurlos verschwunden. Doch deren Engagement in Sachen Hege und Pflege wird oft unterschätzt. Das am Mädelelech umgesetzte einzigartige Projekt des Instituts für Fischerei zeigt, wie ernst die Lage tatsächlich ist und mit wie viel Einfallsreichtum Fachleute versuchen, der gefährlichen Entwicklung entgegenzusteuern. Und jeder Angler, der einen Fischereischein hat, darf ein wenig stolz auf diese Arbeit sein. Denn finanziert wird das Projekt über die Fischereiabgabe, die jeder Petrijünger zahlt.
Meitingen Sie sind stumm, haben keine mächtige Lobby und sind in der Regel kaum zu sehen. Wahrgenommen werden sie meist erst, wenn sie auf dem Teller landen. Sei es als Forelle blau, nach MüllerinArt oder als Steckerlfisch. Doch der natürliche Bestand an Bachforellen ist nicht nur im Augsburger Land gefährdet und geht stark zurück. In der aktuellen Roten Liste wird dieser Fisch bereits in der Vorwarnliste geführt. Dies will nun unter anderem der Fischerverein Meitingen ändern. Und zwar mit einem Projekt des Instituts für Fischerei aus Starnberg, das es bundesweit noch nie gegeben hat.
Es ist kein leichtes Leben, das eine frisch geschlüpfte Fischlarve erwartet. Nur wenige Tage steht ihr der eigene Dottersack als Nahrungsquelle zur Verfügung, danach muss sich der Jungfisch selbst versorgen. Doch nur wenige überleben. Fallen sie nicht ihren Fressfeinden unter Wasser zum Opfer, ist das Fischlein auch ein willkommener Appetithappen für den Reiher, Eisvogel oder Kormoran. Und hat er all die Gefahren überlebt, hängt er oft genug einem Angler am Haken und wandert in die Pfanne. Erstmalig aber gibt es nun Schützenhilfe vom Institut für Fischerei aus Starnberg. 2100 Bachforellen wurden in dieser Woche in den Mädelelech eingesetzt. Fische, die zuvor ein ganz besonderes Training erhalten haben.
„Wir haben die Fische vor dem Besatz quasi in die Schule geschickt“, sagt Gregor Schmidt und schmunzelt. Der studierte Fischwirt ist zusammen mit seinem Kollegen Jean-Michel Knust extra aus Starnberg an den Mädelelech gekommen, um bei der Auswilderung seiner
„Schüler“dabei zu sein. „Man nennt ihn mittlerweile scherzhaft den Hansi Flick der Bachforellen“, sagt Reinhard Reiter vom Fischerverein Meitingen und spielt damit auf Schmidts Trainingskonzept an.
Das Überlebenstraining begann bereits mit der Haltung der Jungfische. Schwimmen in klassischen Zuchtbetrieben die Forellen dicht besetzt in künstlichen Becken oder Teichen, so gab es stattdessen nun unterschiedliche Bedingungen. „Eine Gruppe wurde beispielsweise naturnah in Erdteichen aufgezoerklärt Schmidt. Andere Gruppen wiederum durften in unterschiedlich stark besetzten Becken heranwachsen. Nach gut einem Jahr begann dann für die eine Hälfte die eigentliche Schule. Drei Wochen lang wurden die Bachforellen intensiv auf das Leben in der freien Natur vorbereitet.
Mit die wichtigste Lektion war für die Bachforellen, sich vom Menschen zu entwöhnen. „Sieht ein Fisch in einem klassischen Zuchtbetrieb einen Schatten am Rand, kommt er gleich angeschwommen, da er weiß, dass es nun Futter gibt“, erklärt Schmidt. In der freien Natur aber könne dieser Schatten auf zwei Beinen alles andere als Futter dabei haben. Eher Hunger. „Den Unterschied zwischen einem Menschen und einem Reiher oder Kormoran kennt der Fisch ja nicht“, so Schmidt. Um den Fischen beizubringen, dass auch fliegende Schatten Gefahr bedeuten können, haben sich Schmidt und Knust etwas ganz Kreatives ausgedacht.
„Wir haben ein T-Shirt an einem Kleiderbügel per Zugseil über das Wasser gezogen“, sagt Knust. Dies sollte den Flug eines Vogels imitieren, damit der Fisch lernt, dass nicht immer alles Gute von oben kommt. Damit sich die Bachforellen auch schnell und wirksam verstecken können, lag Wurzelwerk, Geäst und reichlich Kies auf dem Grund. Und auch um ihre Nahrung mussten sich die kleinen Fischlein zu guter Letzt selbst kümmern.
Statt Fast Food in Form von Pellets standen für die Bachforellen im Trainingslager Maden, Mückenlarven oder Bachflohkrebse auf der Speisekarte. Diese wurden jedoch nicht einfach ins Wasser gekippt, sondern in Eiswürfel eingefroren, die sich erst nach einiger Zeit auflösten. „So lernen sie ihr natürliches Nahrungsspektrum kennen und werden gleichzeitig von der fütternden und schützenden Hand des Menschen entwöhnt“, erklärt Schmidt. Ob das Experiment geglückt ist, wird sich jedoch erst in einem Jahr zeigen.
Jeder Fisch, der in einem Jahr im Mädelelech gefangen wird, kann aufgrund der farblichen Markierung, die das Institut für Fischerei bei allen 2100 Forellen in einer Hautfalte am Auge gesetzt hat, den unterschiedlichen Gruppen zugegen“, ordnet werden. „Die Farben Rot, Orange, Gelb oder Grün zeigen, aus welcher ,Schule‘ sie kommen, und die Seite der Markierung lässt erkennen, ob trainiert oder untrainiert“, erklärt Schmidt. Sollten einige Fische aus ihrer Kinderstube jedoch in den Lech abgewandert sein und gefangen werden, wird jeder Angler gebeten, die Farbe und Seite der Markierung sowie Länge, Ort und Datum des Fangs dem Institut mitzuteilen.
Das Starnberger Institut hat sich für die Umsetzung des einzigartigen Projekts ganz bewusst den Mädelelech, das einzige Nebengewässer des Lechs zwischen Gersthofen und Ellgau, ausgesucht. Vor mehr als 20 Jahren wurde der Bach in Zusammenarbeit mit den LEW künstlich angelegt und naturnah gestaltet. „Dieses Gewässer ist ideal, da es nicht befischt wird“, sagt Schmidt. Stattdessen stünden dort bedrohte heimische Fischarten im Fokus. Es sei ein optimaler Lebensraum, um abzulaichen, aber auch für Jungfische, um ungestört aufzuwachsen.
„Hier finden die Fische einen sicheren Rückzugsort bei Hochwasser und auch Schutz vor Fisch fressenden Vögeln“, zählt Vorsitzender Hubert Schuster die weiteren Vorteile des idyllischen Vereinsgewässers auf. Zudem bietet der Wechsel von flachen, schnell fließenden Bereichen und tieferen Gumpen auch vielen anderen Lebewesen im und am Wasser beste Bedingungen. „Sogar der Eisvogel fühlt sich hier wohl“, sagt Schuster. Jetzt allerdings muss es der „Vogel des Jahres“aus dem Jahr 2009 mit trainierten Bachforellen aufnehmen.
Und die wissen ganz genau, was es heißt, wenn plötzlich ein fliegender Schatten über dem Wasser auftaucht.