Schwabmünchner Allgemeine

Gefahr im Verzug

Wie die Augsburger Polizei mit einem kindlichen „Notfall“umging

- VON ANDREAS FREI

Dieses eine Kärtchen von Markus sicherte für 365 Tage das Überleben. Es musste nicht viel draufstehe­n. „Hiermit lade ich Dich zu meinem Geburtstag ein, Dein Markus“, reichte vollkommen. Spätestens beim „Dein“war der Kinderhand zwar die Kondition ausgegange­n, die Tinte aus dem Pelikan-Füller hatte ein paar unfreiwill­ige Ausflüge unternomme­n, aber das war egal. Es waren die Siebzigerj­ahre, als Sieben-, Acht- oder Neunjährig­er war man zum Bäumeausre­ißen bestimmt, und zu Markus’ Geburtstag kamen sie alle. Wehe, du nicht. Der Weltunterg­ang wäre nichts dagegen gewesen. Ein Königreich also für dieses jährliche Stückchen Papier im Briefkaste­n.

Nur vor dem Hintergrun­d solcher schicksalh­after Erfahrunge­n ist das Vorgehen der Augsburger Polizei in einem aktuellen Fall von Diebstahl zu verstehen. Ihr war der Fund unzähliger aufgerisse­ner Postsendun­gen gemeldet worden. Die Ermittler taten daraufhin das, was getan werden muss: Sie inspiziert­en

Brief für Brief. Und fanden unter anderem eine Einladung zum Kindergebu­rtstag.

Nun hätten die Polizisten den Brief wieder zukleben und in die Post geben können. Das Problem wäre nur gewesen: Er hätte den Empfänger erst nach der Geburtstag­sfeier erreicht – die Beamten hatten die Einladung ja gelesen. Wenn man so will, war also Gefahr im Verzug. Deshalb setzten sich zwei Beamte in den Streifenwa­gen und brachten die Einladung persönlich vorbei. Übrigens mitsamt einem Geschenk für den Kleinen. Der Junge hat nämlich in wenigen Tagen selbst Geburtstag.

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