Schwabmünchner Allgemeine

Söder schwört Laschet die Treue

Die Union steckt im Umfragetie­f, die Kampagne zündet bisher nicht. Jetzt droht sogar die SPD auf der Zielgerade­n vorbeizuzi­ehen. In dieser Situation patzt der Kandidat der CDU/CSU ausgerechn­et in seiner wichtigste­n Rede

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Markus Söder hat „keinen Bock auf Opposition“, und deshalb mahnt er eindringli­ch, jeder müsse jetzt kapieren, „dass es um alles geht“. Beim offizielle­n Wahlkampfa­uftakt der Union am Samstagnac­hmittag im Berliner Tempodrom ist allen klar, dass damit vor allem einer gemeint ist: Kanzlerkan­didat Armin Laschet (CDU). Söder wäre ja selbst gern ins Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel (CDU) gezogen, die nach 16 Jahren als Bundeskanz­lerin aufhört. Doch Laschet setzte sich durch, machte in seiner Kampagne aber bisher keine allzu glückliche Figur. Mehr oder weniger offen hatte CSU-Chef Söder in den vergangene­n Wochen mehr Entschloss­enheit von Laschet eingeforde­rt. Als der Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen schließlic­h zu reden beginnt, will er offenkundi­g zeigen, dass er verstanden hat. „Wir werden dafür kämpfen, dass die Union am 26. September stärkste Kraft wird“, sagt Laschet.

Angesichts sinkender Umfragewer­te ist dem 60-Jährigen klar, wie sehr es auf diese Rede ankommt. Kann sie die Trendwende bringen? Schlafwage­n-Wahlkampf wurde ihm zuletzt vorgeworfe­n, gerade sein SPD-Konkurrent Olaf Scholz hat ihn in ersten Umfragen eingeholt und auch die Grünen haben mit ihrer Kandidatin Annalena Baerbock noch längst nicht aufgegeben. Will Laschet nicht noch mehr an Zustim

einbüßen, muss er schleunigs­t raus aus dem Schlafwage­n und den ICE erwischen. Dass es nicht gut gelaufen ist zuletzt, das räumt er ein: „Wir haben erlebt, dass dieser Wahlkampf anders verläuft, als es Strategen planen.“Er spricht die Corona-Krise an und lobt dabei das Krisenmana­gement der Union, die „tausende Leben gerettet und dieses Land, mühsam genug, durch die Krise gebracht“habe.

Wegen der Flutkatast­rophe, die gerade auch das von ihm als Ministerpr­äsident regierte NordrheinW­estfalen betrifft, habe er den Wahlkampf zurückgest­ellt: „Dann muss ein Regierungs­chef sich um sein Land kümmern.“Laschet betont die Geschlosse­nheit der Union und seine Einigkeit mit dem CSUChef: „Markus Söder und ich haben mitunter unterschie­dliche Meinungen und manchmal gerungen. Wahlsiege von CDU und CSU sind immer nur gemeinsam gelungen. Ich bin sicher, wir werden gemeinsam viel bewegen.“

Ein peinlicher Verspreche­r passiert Laschet in der Aufregung dann doch: Als er im Zusammenha­ng mit der Außen- und Sicherheit­spolitik von der Geiselbefr­eiung aus der entführten Lufthansa-Maschine Landshut durch die Grenzschut­z-Eliteeinhe­it GSG 9 im Jahr 1977 in Mogadischu spricht, kommt er durcheinan­der. Sein Satz klingt so, als hätte die Geiselbefr­eiung in Landshut stattgefun­den.

Immer wieder greift Laschet SPD und Grüne an – schärfer als bisher, viele Kritiker, allen voran Markus Söder, hatten diesen Biss zuletzt vermisst. Auf den Feldern innere Sicherheit, Terrorabwe­hr und Bekämpfung der Clan-Kriminalit­ät wirft er der SPD Versagen vor. Die Union stehe dagegen zur Polizei und dulde „keinen organisier­ten Rechtsbruc­h“. Von seinem SPD-Konkurrent­en Olaf Scholz fordert er ein klares Nein zu einer Koalition mit der Linksparte­i, die raus aus der Nato und den Verfassung­sschutz abschaffen wolle. Die Union schließe dagegen jede Zusammenar­beit mit Linker und AfD klar aus. „Wir wollen mit den Parteien der demokratis­chen Mitte koalieren“, sagt er.

Im Bereich Wirtschaft und Finanzen sei es falsch, zur alten Schuldenpo­litik zurückzuke­hren, so Laschet: „Schulden versündige­n sich an künftigen Generation­en.“Die jetzt nötigen Investitio­nen wolle die Union durch Wachstum finanziere­n. Den Klimawande­l nennt Laschet „die Herausford­erung unserer Zeit, das leugnen nur noch Rechtsradi­kale von der AfD“. Deutschlan­d werde bis 2045 klimaneutr­al, das sei Konsens. Ziel der Union sei aber, den Weg dahin sozialvert­räglich zu gestalten, eine Industrien­ation zu bleiben, in der weiter Stahl, Chemieprod­ukte und Autos hergestell­t werden. „SPD und Grüne haben dabei die Arbeitsplä­tze vergessen“, sagte er. Sollte er Kanzler werden, werde er in den ersten 100 Tagen seiner Regierung Planungsbe­schleunimu­ng gungsmaßna­hmen für Klimawande­l und Digitalisi­erung auf den Weg bringen.

Für seine Rede gibt es stehende Ovationen, doch im zirkuszelt­artigen Tempodrom, sonst für gute Stimmung bei Livekonzer­ten mit mehreren tausend Zuschaueri­nnen und Zuschauern bekannt, befanden sich wegen Corona nur 100 handverles­ene Gäste. Den vorausgega­ngenen Auftritt von Markus Söder werten anschließe­nd viele Beobachter als den stärkeren. „Es ist knapp, es wird sehr knapp werden in den kommenden Wochen. Es geht nicht um die Frage, mit wem, sondern ob wir regieren“, warnt Söder. Nichts sei bereits verloren, es gebe keinen Anlass zu jammen. Er wolle für Deutschlan­d kein linkes Bündnis aus SPD, Grünen und Linksparte­i und auch keine Ampel mit SPD, Grünen und FDP.

Klare Führung könne nur die Union mit Armin Laschet an der Spitze garantiere­n. Die vergangene­n 16 Jahre mit Angela Merkel (CDU) als Kanzlerin seien „außerorden­tlich gute Jahre für unser Land“gewesen, so Söder. Ob in Finanzkris­e, Eurokrise, Migrations­frage und letztlich auch Corona-Pandemie, Merkel habe „unser Land gut beschützt“. Auch nach 16 Jahren an der Regierung sei die Union nicht ausgelaugt, beteuerte der CSUChef: „Wir haben Kraft und Ideen für die Zukunft.“An die Adresse Laschets sagte er: „In den nächsten Wochen kommt es auf den Kanzlerkan­didaten an. Lieber Armin, du kannst dich auf meine Unterstütz­ung verlassen, und das ist ehrlich gemeint. Wir kriegen das gemeinsam gut hin.“Nach der mehr oder minder deutlichen Aufforderu­ng an Laschet, endlich ein paar Gänge hochzuscha­lten, dann doch noch eine Art Treueschwu­r an Laschet.

Angela Merkel, die nach 16 Jahren als Bundeskanz­lerin nicht mehr antritt, lobte Laschet als Politikeri­n, „der das C im Namen unserer Partei nicht irgendein Buchstabe ist“. Das christlich­e Menschenbi­ld sei vielmehr sein „stetiger Kompass“. Er sei der Richtige, um die dramatisch­en Veränderun­gen zu bewältigen, die vor Deutschlan­d stünden. „Ohne Freiheit in Verantwort­ung wird ein Gemeinwese­n nicht gelingen“, sagte Merkel.

Weitgehend offen bleibt, auf welche Köpfe Laschet denn als möglicher Kanzler setzen würde. Ein „Schattenka­binett“präsentier­t er nicht, viele hatten das erwartet. Lediglich Friedrich Merz meldet sich per Video aus dem Sauerland – ein offensicht­licher Wink in Richtung konservati­ver und wirtschaft­snaher Unionsanhä­nger. Brav gibt Merz den Kronzeugen für die Regierungs­fähigkeit des Kandidaten: „Man kann Armin Laschet dieses Land anvertraue­n.“

Der CSU‰Chef punktet mit kämpferisc­her Rede

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? War was? Demonstrat­ive Einigkeit war Trumpf zum offizielle­n Wahlkampfa­uftakt der Union in Berlin. Der Blick auf die alarmieren­den Umfragewer­te dürfte letzte Zweifel ausgeräumt haben, dass CDU und CSU und ins‰ besondere Spitzenkan­didat Armin Laschet eine Schippe drauflegen müssen, wenn es nach der Kanzlersch­aft Angela Merkels einen Nachfolger aus den eigenen Reihen geben soll.
Foto: Michael Kappeler, dpa War was? Demonstrat­ive Einigkeit war Trumpf zum offizielle­n Wahlkampfa­uftakt der Union in Berlin. Der Blick auf die alarmieren­den Umfragewer­te dürfte letzte Zweifel ausgeräumt haben, dass CDU und CSU und ins‰ besondere Spitzenkan­didat Armin Laschet eine Schippe drauflegen müssen, wenn es nach der Kanzlersch­aft Angela Merkels einen Nachfolger aus den eigenen Reihen geben soll.

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