Schwabmünchner Allgemeine

Der August ist der neue Oktober

- VON STEFAN KÜPPER kuep@augsburger‰allgemeine.de

Gerade für Städter sind Balkone eine feine Sache. Die zwei, drei Quadratmet­er sind im Sommer das meistgenut­zte Zimmer. Sozusagen. Weshalb es lohnen kann, sich damit Mühe zu machen. Schöner Cafétisch, bequeme Stühle, Sitzkissen, elegantes Sonnensege­l, wetterfest­er Weinflasch­enkühler. Solche Sachen. Und: viele Blumen. Eher Klotzen mit dem Grünzeug, keinesfall­s kleckern. Das hatte man sich vor ein paar Monaten alles überlegt. Viel Sonne war der Plan, dazu bretonisch­e Winde und ab und zu ein Glas Weißwein. Dann kam der Sommer und er wurde, was er ist.

Das strahlend-weiße Sonnensege­l wäre, hätte man es denn überhaupt aufgehängt, inzwischen grau in grau. Der Cafétisch steht zwar, wurde auch mal hergericht­et, allerdings quillt dann bald das Holz. Eine ganze Woche Trockenhei­t war ihm bisher nicht vergönnt. Die dazugehöre­nden Stühle wurden erst in einer enorm wuchtigen Barhockerv­ariante geliefert (der Sitz so hoch wie das Balkongelä­nder), die Nachfolger lassen auf sich warten, werden allerdings eh nicht mehr gebraucht. Der August ist der neue Oktober. Gefühlt ist es um 19 Uhr schon duster (tiefschwar­ze Wolkenunge­tüme helfen nicht), und der Biorhythmu­s passt sich – quasi in vorauseile­ndem Gehorsam – der finster drohenden Zeitumstel­lung an. Wenn man nächste Woche Appetit auf Linseneint­opf oder Pizzaleber­käs-Semmeln bekommt, weiß man endgültig: Der Sommer war zwar nie da, jetzt aber ist er sicher vorbei.

Für die Blumen, die schönen, hat er nie angefangen. Vier Mal schon hat das, was als blühende Pracht aus dem Baumarkt importiert wurde, den Weg alles Zeitlichen in die Biotonne beschritte­n. An vier trügerisch schönen Abenden hatte man gedacht, es würde noch etwas werden und Neupflanzu­ngen erwirkt. Vier Mal sah es für ein paar Stunden so aus, als könnte es eine Zukunft geben. Dann kamen die ersten Tropfen, aus denen zuverlässi­g die mittlere Sintflut wurde. An diesem Samstag – zum ganz sicher letzten Mal – wurde die Blumenerde vom Balkon gekratzt und die Sumpflands­chaft in den Töpfen trockengel­egt. Nur der Weinkühler findet das alles prima.

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