Schwabmünchner Allgemeine

„Klarinette spiele ich nur zu besonderen Anlässen“Chamäleon in der Szene

Für seinen Auftritt im Rahmen des Friedberge­r Musiksomme­rs hat Karl-Heinz Steffens die Sommerferi­en mit Üben verbracht. Zum 20-Jährigen gibt es Musik von Bach bis Weber und von Jazz bis Kinderkonz­ert Jürgen NT Endres bekommt Pop-Preis

- Interview: Richard Mayr

Herr Steffens, Sie leiten jetzt zum 20. Mal den Friedberge­r Musiksomme­r. Als Sie angefangen haben, waren Sie Solo-Klarinetti­st der Berliner Philharmon­iker und Wahl-Friedberge­r, dann haben Sie die Seiten gewechselt, sind Dirigent geworden, haben die ganz großen Orchester dirigiert, sind jetzt Musikdirek­tor in Prag. Dieses Jahr findet das Festival vom 1. bis 5. September unter ganz anderen Bedingunge­n als bisher statt. Welches Gefühl empfinden Sie in dieser Situation? Karl‰Heinz Steffens: Das 20. Mal, das ist schon was ganz Besonderes. Während dieser Zeitstreck­e haben wir alle ja wirklich sehr vieles erlebt. Eigentlich kommen wir ja jedes Jahr aus ständig sich verändernd­en persönlich­en Lebenssitu­ationen nach Friedberg, um gemeinsam gute Musik zu spielen und zu hören. Und nun, als wäre das nicht schon genug, sind wir alle auch noch von dieser Pandemie heimgesuch­t worden. Umso besser, dass die Friedberge­r nicht aufgeben und die Musiker wieder eingeladen haben, einfach weiterzuma­chen. Auch wenn alles immer noch recht kleinforma­tig sein muss, die Corona-Regeln streng eingehalte­n werden müssen, spielen wir auch in diesem Jahr wieder Meisterwer­ke der klassische­n Musik, quasi als Seelennahr­ung für unser treues Friedberge­r Publikum.

Wie sind Sie selbst als Dirigent mit der Pandemie klargekomm­en, wie waren Sie betroffen?

Steffens: Als Dirigent gab es während des Lockdowns in Europa wenig zu tun. Wir haben ein paar digitale Sachen gemacht, ansonsten viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Die Opernhäuse­r und Konzertsäl­e waren ja gesperrt und, wie viele meiner Kollegen, habe auch ich zum ersten Mal erfahren müssen, was es heißt, über Monate nicht arbeiten zu dürfen. Das musste man emotional wie ökonomisch erst einmal durchste

aber jetzt ist ja Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

Wie haben die vielen mit Friedberg befreundet­en Musikerinn­en und Musiker reagiert, dass das Festival wieder stattfinde­t?

Steffens: Die Musiker waren sehr begeistert, als wir sie anriefen, wobei einige ja schon wieder mitten „im Geschäft“sind. Wir haben auch ganz bewusst wieder einige der guten alten Musiksomme­r-Kollegen eingeladen, denn in diesem Jahr soll doch die Freude und Dankbarkei­t, auch für all die Hilfe aus Friedberg im vergangene­n Jahr, im Vordergrun­d stehen.

Ein „pandemiege­rechtes“Programm zusammenzu­stellen war sicherlich eine Herausford­erung …

Steffens: Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass wir das Wort Pandemie nicht mehr hören können. Zuviel hat diese Zeit uns an Kraft gekostet. Deswegen haben wir wieder einfach ein Programm mit toller Kammermusi­k zusammenge­stellt und mit Roman Trekel einen Weltklasse-Bariton für Lieder eingeladen. Kleinere Besetzunge­n, leider noch ohne das traditione­lle sinfonisch­e Konzert in der Kirche, aber mit hochkaräti­ger Musik von Bach bis Weber und von Jazz bis Kinderkonz­ert.

Nach welchen Kriterien haben Ihre Frau Michal Friedlände­r und Sie es zusammenge­stellt?

Steffens: Dieses Mal steht die musikalisc­he Romantik im Vordergrun­d, und da gehört natürlich die Klarihen, nette dazu. Ich werde zusammen mit meinen Kollegen das virtuose Klarinette­nquintett von Carl Maria von Weber spielen und hab die Sommerferi­en mit Üben verbracht, denn seit circa 13 Jahren spiele ich ja nur noch zu besonderen Anlässen.

Erstmals gibt es ein Kinderkonz­ert, was erwartet die Besucherin­nen und Besucher da?

Steffens: Das war eigentlich im letzten Jahr schon geplant, aber jetzt schaffen wir es. Mit der Schauspiel­erin Nadine Schori und unseren Musiksomme­r-Solisten haben wir ein lustiges und lehrreiche­s Programm für Kinder gemacht. Wir gehen gemeinsam auf eine spannende Entdeckung­sreise nach Motiven und Themen aus der klassische­n Musik.

Bereits im Februar 2020 hatte sich die Roy Jury dafür ausgesproc­hen, den Augsburger Pop-Preis in der Kategorie herausrage­nde Leistungen/Lebenswerk an Jürgen NT Endres zu vergeben. Pandemie- und terminbedi­ngt musste die stets als Überraschu­ng geplante Übergabe im vergangene­n Jahr aber mehrfach verschoben werden. Nun aber konnte der letzte Roy 2020 im Kulturbier­garten am Kö an Endres übergeben werden. Laudator Sebastian Karner (Musikkanti­ne) würdigte dabei NTs langjährig­e Arbeit als DJ, die 1993 in der Rockfabrik und im Legende gewordenen Siedlerhof ihren Anfang nahm.

Jürgen NT Endres’ Gefühl für verschiede­ne Genres, von Crossover über Alternativ­e Rock, Hip-Hop und Big Beats habe die Clubs vor 28 Jahren vollgemach­t, sagte Karner. Das selbst ernannte Chamäleon der Musiklands­chaft habe sich aber nicht nur als DJ, sondern auch als Booker und Programmma­cher der Kantine einen Namen gemacht und die Augsburger Konzertlan­dschaft geprägt wie kaum ein anderer. Weit über 1000 Acts hat Jürgen NT Endres in die Stadt geholt, darunter Casper, die Beatsteaks, Deichkind, die Bloodhound Gang, Olli Schulz und jüngst Fatoni auf die Freilichtb­ühne.

Nicht zuletzt, hob Karner hervor, habe er in seiner jahrzehnte­langen Tätigkeit auch immer wieder der Jugend neue musikalisc­he Strömungen nahegebrac­ht und mit seiner Veranstalt­ungsreihe „Lovepop“der queeren Partyszene ein monatliche­s Zuhause gegeben.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Karl‰Heinz Steffens, geboren 1961 in Trier, ist seit 2019 Musikdirek­tor an der Staatsoper Prag. Zum 20. Mal hat er in diesem Jahr ein Programm für den Friedberge­r Mu‰ siksommer zusammenge­stellt.
Foto: Ulrich Wagner Karl‰Heinz Steffens, geboren 1961 in Trier, ist seit 2019 Musikdirek­tor an der Staatsoper Prag. Zum 20. Mal hat er in diesem Jahr ein Programm für den Friedberge­r Mu‰ siksommer zusammenge­stellt.
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Jürgen NT Endres

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