Ein Skandal an den Gestaden der Singold
Vor 100 Jahren schreitet das Hohe Bezirksamt Augsburg gegen Nacktbadende ein. Die Polizei war überfordert
Es waren im Jahre 1921 – vor genau 100 Jahren – wohl arg heiße Augusttage angesagt. Jedenfalls sah sich das Gögginger Gemeindeoberhaupt Leo Eichleitner genötigt, eine lange Verfügung des Königlichen Bezirksamtes Augsburg mit dem Betreff „Maßnahmen gegen Auswüchse beim öffentlichen Baden“gleich mit vollem Wortlaut im monatlichen Amts- und Anzeigeblatt bekannt zu geben. Gott sei Dank betraf die gestrenge bezirksamtliche Rüge nicht die braven Gögginger. Im Gegenteil: Diese waren sogar die Opfer der Untaten anderer.
Ins Zielfeuer der beamteten Tugendwächter gerieten nämlich die meist aus Augsburg stammenden Badegäste, die an den Gestaden der Singold Erfrischung und Erholung suchten, wogegen nichts einzuwenden gewesen wäre. Doch die Bezirksamtsbürokraten rügten etwas ganz anderes: „Das Benehmen zahlreicher Ausflügler beim Baden im Freien nimmt allmählich Formen an, die immer mehr erkennen lassen, dass es den betreffenden Personen vor allem darum gehe, die Mischung der Geschlechter zu benutzen, um durch größtmögliche Zuchtlosigkeit das Schamgefühl der Mitmenschen gröblichst zu verletzen“, schrieben sie in ihre Verfügung. Schlimm müssen sie es schon getrieben haben, die Nachbarn aus der Großstadt.
Und dem Hohen Amt sei sogar berichtet worden, dass Ausflügler vielfach überhaupt nicht oder nur mit ungenügenden Badekleidern versehen seien. Ein rasches Einschreiten sei im Interesse der Einhaltung von Zucht und Ordnung unabweisbar. Doch dann beginnt eine bezirksamtliche Jammerei: Diese Arbeit könne von der Polizeibehörde nicht alleine geleistet werden, wie überhaupt der sittlichen Verwilderung durch obrigkeitliche Maßnahmen allein nicht zu begegnen sei. An das „breite Publikum“ergeht deshalb die Bitte, „bei gegebener Gelegenheit gegen Unschicklichkeiten öffentlich und geschlossen Stellung zu nehmen und die betroffenen Personen in die Grenzen des Anstandes und der Sittlichkeit zu verweisen“.
Auch sollen die Namen der Bösen eruiert werden. Durch Anzeigeerstattung bei der Gendarmerie müssten diese dann eine gerechte Bestrafung erhalten. Ziemlich viel wurde da von den Göggingern schon verlangt. Und es kam noch etwas hinzu: „Da mit dem Baden im Freien meist ein Betreten der Wiesen verbunden ist, kann das wüste Treiben der Ausflügler durch ein strafrechtlich gestütztes Betretungsverbot verhindert werden“; so die Empfehlung der schlauen Rechtsräte im Augsburger Bezirksamt. Nicht bekannt ist, ob all dieses Weheklagen zum Erfolg führte. Jedenfalls wird aber eine Besserung dann eingetreten sein, als sich der heiße Sommer des Jahres 1921 dem Herbst zuwandte.