Zehn Dinge, die man zur Fuggerei wissen sollte
Jakob Fugger stiftete 1521 seine Siedlung für Bedürftige, sie besteht seit 500 Jahren. Dass dort keine Statisten leben, ist für viele neu. Auch andere Fragen werden immer wieder gestellt. Einige Antworten
Bewohner also nur einen Bruchteil des damaligen Geldwerts. Eingezogen wird das Geld halbjährlich, im April und im Oktober. Ausnahme: Bei Bewohnerinnen und Bewohnern, deren Miete vom Jobcenter bezahlt wird, wird der Betrag monatlich abgerechnet, in Summen von je sieben Cent. Die Schnapszahl von 88 Cent entstand durch Währungsumstellungen: vom Gulden zur Goldmark, zur D-Mark und schließlich zum Euro.
Wie sind die Wohnungen heutzutage ausgestattet?
Beim Einzug neuer Bewohnerinnen und Bewohner sind die Wohnungen leer, die Menschen bringen ihre Möbel mit. Die Gestaltung ist ihnen freigestellt. Die Standardwohnung hat zwei Zimmer, Küche und Bad und Strom, fließend Wasser und einen Anschluss ans Fernwärmenetz der Stadt. Bis in die 1970er-Jahre gab es keine Bäder in den Wohnungen, die Menschen wuschen sich im Badehaus der Fuggerei oder im Alten Stadtbad. Im Zuge von Renovierungen wurde der Standard sukzessive verbessert. Auch Wohnungsgrößen wurden angeglichen, sodass es nun auch Dreiund Vierzimmerappartements sowie Wohnungen mit nur einem Zimmer gibt. Die Wohnfläche liegt zwischen 30 und 140 Quadratmetern. In jedem Häuschen gibt es zwei Wohnungen: Die im Erdgeschoss verfügt über einen Garten, die im ersten Stock über einen Dachboden. Die Wohnungen eines Hauses sind voneinander getrennt: Durch eine Türe kommt man in die untere, durch eine andere Haustüre über eine Treppe in die obere. Vergeben werden die Einheiten nach Bedarf: Wird eine große Wohnung frei, geht sie an eine Familie.
Ist die Fuggerei eine Siedlung für Alte und Alleinstehende?
Zumindest heute ist sie das nicht mehr. Zwar ist der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner aktuell über 66 Jahre alt, es leben aber auch Babys, Kinder und Jugendliche sowie jüngere Erwachsene in der Sozialsiedlung. Ein Großteil der Bewohner ist alleinstehend, es gibt derzeit acht Familien und acht Paare. Früher waren die Aufnahmeregeln strenger: Noch vor dem Krieg musste der Haushaltsvorstand mindestens 50 Jahre alt sein, um in der Fuggerei eine Wohnung zu bekommen. Weil die Wartezeiten teils bei über 15 Jahren lagen, waren die meisten Bewohnerinnen und Bewohner beim Einzug oft schon im Rentenalter. Vor den 1950ern gab es ein weiteres Problem: Damals war die Aufnahme Paaren vorbehalten. Starb während der Wartezeit auf eine Wohnung ein Partner, wurde dem Überlebenden die Aufnahme verweigert. Diese Regelung wurde 1952 aufgehoben. Lebte ein Paar bereits in der Sozialsiedlung und starb ein Partner, musste der oder die Hinterbliebene in eine kleinere Wohnung ziehen. 1956 entstand darum der sogenannte Witwenbau mit Einzelzimmern, Anfang der 60er ein zweiter.
Saugasse, Ochsengasse, Garten gasse – woher kommen die Straßennamen?
Zumindest für einige Namen ist die Herkunft geklärt: Die Ochsen- und die Saugasse haben ihren von den Märkten für Schweine und Rinder, die in den Straßen vor den entsprechenden Fuggereitoren abgehalten wurden. Neben Ochsen aus der unund garischen Tiefebene waren auch Rinder aus dem Bayerischen und dem Böhmerwald für die Fleischversorgung Augsburgs von Bedeutung, die auf Märkten in der Stadt gehandelt wurden. Die Gartengasse und die Neue Gasse entstanden im Rahmen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und erhielten ihre Namen wegen des Neubaus und der nahe gelegenen Grünanlage. Mittlere und Hintere Gasse erhielten ihre Bezeichnung aufgrund der Lage innerhalb der Fuggerei, sie entstanden gemeinsam mit der Finsteren Gasse schon zu Jakob Fuggers Zeiten, während die Ochsengasse unter Anton Fugger als erste Erweiterung der Siedlung entstanden war.
Die Fuggerei schließt um 22 Uhr. Darf dann keiner mehr raus?
Doch, die Bewohnerinnen und Bewohner können sich völlig frei bewegen. Schlüssel zu den blau-gelben Toren, die die Fuggerei zum Rest der Stadt hin abschließen, haben sie aber nicht. Kommen sie nach 22 Uhr nach Hause, müssen sie zum Eingang Ochsengasse und dort an der Nachtklingel läuten. Dann öffnet ihnen der Nachtwächter gegen einen Obolus. Diese Aufgabe übernehmen die Bewohnerinnen und Bewohner selbst im wöchentlichen Turnus. Der diensthabende Nachtwächter verbringt die Nächte in der Nachtwächterstube. Dort gibt es auch ein Telefon, an dem die Mieterinnen und Mieter der Siedlung bei Notfällen anrufen können. Der Nachtwächter entzündet bei Einbruch der Dunkelheit übrigens auch die Laternen in der Siedlung; nur fürs Anschalten der Gaslaternen sind zentral die Stadtwerke zuständig. Morgens werden die Tore zwischen 4.30 und 5.30 wieder aufgesperrt, was auch von den Zustellern der abhängt. Wenn sie mit kommen, öffnen die Tore wieder bis zum Abend.
Augsburger Allgemeinen Einmal eingezogen, immer in der Fuggerei?
Das Wohnrecht in der Sozialsiedlung gilt auf Lebenszeit, gedacht ist die Siedlung aber als Übergangslösung für ihre Bewohnerinnen und Bewohner sein, die dort wieder lernen sollen, auf eigenen Füßen zu stehen. Unterstützt werden sie unter anderem von Sozialpädagoginnen. Die durchschnittliche Wohndauer lag nach Statistiken der Jahre 1948 bis 2018 bei 13,9 Jahren, es gibt auch Mieter, die länger oder kürzer bleiben. „Die längste Wohndauer liegt derzeit bei 25 Jahren“, sagt Stiftungsadministrator Wolf-Dietrich Graf von Hundt. Grundsätzlich gilt: Sobald keine Bedürftigkeit mehr gegeben ist, endet das Wohnrecht in der Fuggerei. Heiratet ein Bewohner oder eine Bewohnerin zum Beispiel einen Partner, der keine Berechtigung für die Fuggerei hat, muss er oder sie ausziehen. Auch gesundheitliche Gründe können Grund für einen Ortswechsel sein, denn die Menschen in der Siedlung sollten ein selbstständiges Leben führen können.
Warum dürfen nur Katholiken einziehen?
Der Glaube ist eine Voraussetzung, die der Stifter für den Einzug festlegte. Allerdings gab es zu seinen Lebzeiten nur die päpstliche Kirche, die Reformation war gerade erst im Aufschwung. Warum soll die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben dann dem Wunsch des Stifters entsprechen? Erstens, weil Jakob Fugger sich mehrfach gegen die Reformation, also den neuen Glauben ausgesprochen hatte und sich immer wieder „ganz wider die Lutherei“äußerte. Im Stifterbrief steht außerdem, dass die Bewohnerinnen und Bewohner täglich drei Gebete sprechen sollen, darunter das Ave Maria. Ein Gebet, das bis heute nur Katholiken sprechen.
Was hat es mit den Hausmadonnen auf sich?
Früher gab es an vielen Häuserfassaden in Augsburg Schutzpatrone für Gebäude und Straßen. Die wenigsten haben sich erhalten. In der Fuggerei sieht das anders aus, dort gibt es die Figuren noch an vielen Häusern zu sehen. Die Figuren seien, so Fuggerei-Sprecherin Astrid Gabler, Mahner für ein gottgefälliges Leben.