Forschung
Messdaten zum Klimawandel
Schwabmünchen Drei Abenteurer aus Schwabmünchen und Bamberg hatten sich auf die Spur des Schweizers Alfred de Quervain begeben, der das Eis auf einer 800 Kilometer langen Route quer durch Grönland erstmals vermessen hatte. Das war im Jahr 1912. Mit der Expedition soll jetzt herausgefunden werden, wie der Klimawandel dem Eispanzer zusetzt. Im Interview berichtet Ruppert Heim über die Messungen.
Sie waren 35 Tage im grönländischen Eis unterwegs. Eingeplant waren 45. Sind Sie schneller geworden?
Ruppert Heim: Wir hatten eine sehr gute Geschwindigkeit beim Laufen. Nach drei Wochen, wir waren bereits über den 2500 Meter hohen Gipfel gekommen, kamen die Fallwinde von hinten. Die konnten wir mit unseren Kites nutzen. Die Kites hatten Flächen von vier bis hin zu zwölf Quadratmetern. Den Umgang mit den Segeln konnten wir auf den Feldern um Schwabmünchen und auf dem Reschensee in Südtirol trainieren.
Sie sind 800 Kilometer über das schier endlose Eis gelaufen: Wie haben Sie sich eigentlich orientiert?
Heim: Die Hauptnavigation funktionierte über GPS-Geräte. Jeder von uns hatte eines bei sich. Auf ihnen war unsere vorher ausgearbeitete Route eingespeichert. Wir mussten diese Route auch möglichst oft kreuzen, um perfekte Messergebnisse zu bekommen. Das heißt: Je öfter wir die Route gekreuzt haben, desto mehr Messpunkte bekamen wir.
Wie hat die Messung funktioniert?
Heim: Wir haben insgesamt drei verschiedene Messungen vorgenommen. Die wichtigste beschäftigte sich mit dem Höhenprofil von Grönland. Eine Antenne, die über Solarstrom betrieben wird, zeichnete im Takt von ein bis zwei Sekunden automatisch unsere Höhe auf. Wir mussten die Antenne auf dem Schlitten positionieren und die Distanz zum Boden messen. Alle ein bis zwei Stunden mussten wir auch feststellen, wie sehr der Schlitten eingesunken war. Die Schneeverhältnisse änderten sich ja ständig. Die Daten sind jetzt bei der BrandenburgTechnischen Universität in Cottbus. Dort werden sie ausgewertet.
Wie lief die zweite Messreihe ab?
Heim: Die zweite Messreihe befasste sich mit der Dichte von Schnee in der obersten Schicht. Das heißt: Alle 20 Kilometer hatten wir ein Rohr in den Schnee getrieben und es dann wieder ausgegraben. Anschließend wurde das gesamte Gewicht gemessen, um somit die Dichte zu errechnen. So lässt sich erkennen, ob der Schnee schmilzt oder verdunstet. Es sind auch einzelne Schnee- und Eishorizonte feststellbar. So lassen sich
Rückschlüsse ziehen, wann es Schmelzphasen gab. Nebenbei hatten wir auch normale meteorologische Messungen wie Windgeschwindigkeit und Temperatur vorgenommen. Bei der dritten Messung ging es um eine Langzeitstudie an der Westküste. Dort wurden ab 1991 Jahr für Jahr Messpunkte beobachtet. So lässt sich die Eisdrift feststellen. Wir sind 48 Punkte auf einer Fläche von zehn Quadratmeter abgelaufen und haben dann deren Höhe und Position ermittelt. Wir mussten jeweils bis zum blanken Eis graben. Und konnten dann die Höhe messen.
Wie stark geht das Eis zurück?
Heim: Es gibt Tendenzen von bis zu 30 Metern zwischen 2002 und 2015.
Was lässt sich über das Höhenprofil aussagen?
Heim: Auf der Westküste verliert das Eis etwa zwei Meter im Jahr. Auf dem Gipfel in der Mitte von Grönland haben wir einen Zuwachs von 0,6 Metern gemessen. An der Ostküste sind es acht Meter weniger.
Was passiert mit den Daten?
Heim: Sie werden bearbeitet. Aus ihnen ziehen dann die hauptberuflichen Wissenschaftler Rückschlüsse.
In Grönland haben Sie die Natur extrem gespürt. Kommt man ins Philosophieren, welche Bedeutung der Mensch in diesem System hat?
Heim: Gerade in Grönland – es ist eines der am wenigsten besiedelten Länder überhaupt – fühlt man sich in so einer riesigen Eiswelt richtig klein und angesichts der endlosen Weite auch unbedeutend. Man merkt, dass die Natur das Sagen hat. In Deutschland hat man das lange Zeit nicht mehr gemerkt.
Nach den schweren Unwettern in Deutschland: Müssen wir umdenken?
Heim: Schwere Unwetter gab es in der Menschheitsgeschichte schon immer. Das ist auch nachgewiesen. Wir müssen aber bedenken: Wir haben als Menschen zuletzt sehr stark in die Natur eingegriffen. Wenn es nicht zu spät sein sollte, dann müssen wir spätestens jetzt beim Klimaschutz etwas tun.