Schwabmünchner Allgemeine

Tüftler entwickelt das Superpapie­r

„Kohpa“leitet Strom oder kann als platzspare­nde Flächenhei­zung verwendet werden. Von der EU wurde es ausgezeich­net. Was Erfinder Walter Reichel noch alles damit vorhat

- VON GÖNÜL FREY

Mering Grau und unscheinba­r wirken die langen Papierbahn­en, die Erfinder und Unternehme­r Walter Reichel präsentier­t. Doch „Kohpa“, so der offizielle Name seines Produkts, hat es in sich. Das Spezialpap­ier enthält Kohlenstof­ffasern (Carbonfase­rn) und ist dadurch stromleite­nd. Zugleich besitzt es die Eigenschaf­ten von Papier: Es lässt sich falten, zuschneide­n und ist sehr dünn. Schon jetzt wird es als Flächenhei­zung in Häuser und Busse eingebaut oder als Abschirmma­terial gegen elektromag­netische Strahlung im Ökohaus-Bau eingesetzt. Gemeinsam mit seinem Geschäftsp­artner Peter Helfer hat Reichel das Spezialpap­ier entwickelt und dafür die Firma Reso Oberfläche­ntechnik mit Sitz in Mering gegründet.

Beide sind absolute Papierspez­ialisten. Helfer betreibt in Dachau eine Papier-Handschöpf­erei und Kunstdruck­erei. Reichel hat nach einer Papiermach­erlehre und dem Studium zum Papieringe­nieur viele Jahre erst in der Produktion und später in Entwicklun­g und Vertrieb großer Unternehme­n in der Branche gearbeitet. Der letzte Arbeitgebe­r des heute 76-Jährigen war eine Firma, die große Walzen für die Papierprod­uktion herstellt. Hier kam er mit Kohlefaser­verbundwer­kstoffen in Kontakt, aus denen die Walzen bestehen. Das Material fasziniert­e ihn: „Es ist fünf Mal leichter als Stahl, aber drei Mal stabiler.“Er suchte nach einer Möglichkei­t, die weggeworfe­nen teuren Restfasern nachhaltig wiederzuve­rwerten.

Reichel fing an, sich damit zu beschäftig­en, wie sich die Kohlenstof­ffasern mithilfe von Hitze aus dem wertvollen Verbundsto­ff lösen lassen. Er stellte hierzu viele Experiment­e an und es gelang ihm tatsächlic­h, das Material auch in großen Mengen zu recyceln. Beinahe automatisc­h ergab sich daraus für ihn die

Frage, was sich mit den zurückgewo­nnenen Kohlenstof­ffasern bewirken lässt.

Ihm kam die Idee, Papier- und Carbonfase­rn zusammenzu­bringen. Sein Freund Peter Helfer, 55, verfügt in seinem Betrieb über ein gut ausgestatt­etes Labor. Dort versuchten sie gemeinsam, dem Papier Kohlenstof­ffasern beizumisch­en. Das war 2012. Doch was einfach klingt, erwies sich als extrem schwierig. Denn die zwei Bestandtei­le passten in ihren Eigenschaf­ten nicht zusammen. Mit Leidenscha­ft probierten die beiden Papiermach­er jahrelang, forschten unter anderem zusammen mit dem Bifa Umweltund Fraunhofer-Institut sowie der Uni Augsburg – bis ihnen das innovative Produkt gelang.

Das Geheimnis der Herstellun­g wurde mit zwei Patenten rechtlich gesichert. 2017 gingen sie auf den Markt. Hauptabneh­mer sind derzeit Baufirmen, die Kohpa zur Abschirmun­g der elektromag­netischen Strahlung im ökologisch­en Hausbau einsetzen. Das interessan­tere Anwendungs­feld wird nach Einschätzu­ng von Reichel längerfris­tig jedoch der Einsatz als platzspare­nde und weltdünnst­e Flächenhei­zung sein. Ein Busherstel­ler hat bisher 40 seiner Fahrzeuge damit ausgestatt­et. Und auch ein bekannter deutscher Konzern nahm bereits Kontakt zur Firma auf.

Hilfreich für das junge Unternehme­n aus Mering ist eine ganz besondere Anerkennun­g. Im Zuge des „Green Deals“der Europäisch­en Kommission wurde Kohpa als eine von fünf besonders nachhaltig­en Werkstoffi­nnovatione­n in die „Green Materials Box“aufgenomme­n.

 ?? Foto: Gönül Frey ?? „Kohpa“ist ein spezielles Papier mit beigemisch­ter Kohlefaser und kann unter ande‰ rem elektromag­netische Strahlung abschirmen. Erfinder Walter Reichel beweist das mit seinem eigenen Handy, das in der Box keinen Empfang hat.
Foto: Gönül Frey „Kohpa“ist ein spezielles Papier mit beigemisch­ter Kohlefaser und kann unter ande‰ rem elektromag­netische Strahlung abschirmen. Erfinder Walter Reichel beweist das mit seinem eigenen Handy, das in der Box keinen Empfang hat.

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