Die Fuggerei expandiert nach Afrika
500 Jahre nach Gründung sollen neue Sozialsiedlungen in anderen Ländern entstehen. Zwei Interessenten gibt es, doch sie müssen einige Herausforderungen meistern
Augsburg 500 Jahre nach Gründung der Augsburger Fuggerei wollen die Nachfahren des Stifters Jakob Fugger neue Wege gehen: Die Sozialsiedlung soll als Idee künftig in andere Länder exportiert werden. Konkret sind diese Pläne für Sierra Leone in Afrika und Litauen im Baltikum, wo es bereits Interessenten gibt. Sie werden als Partner eng mit den Fugger’schen Stiftungen zusammenarbeiten, denn auch eine „Fuggerei der Zukunft“muss den Anforderungen gerecht werden, die der Stifter vor 500 Jahren an das Original stellte. Vorgestellt wurden die Pläne am Montag bei einem Festakt, zu dem auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gekommen war.
Die Vertreter der drei Fugger’schen Familienlinien, die bis heute für den Fortbestand der Augsburger Sozialsiedlung garantieren, haben sich viele Gedanken darüber gemacht, was die Einrichtung ausmacht und weshalb sie 500 Jahre lang funktionierte. Herausgebildet hat sich der sogenannte „FuggereiCode“, der die größten Herausforderungen benennt, denen man sich über die Jahrhunderte stellen musste. „In der Debatte wurde klar, dass viele auch heute noch aktuell sind“, sagt Maria Elisabeth Gräfin ThunFugger, Vorsitzende des Seniorats. Ging es Jakob Fugger zum Beispiel darum, Bedürftigkeit zu überwinden und ärmeren Menschen einen Lebensraum und Sicherheit zu schaffen, sieht sich die Fuggerei von heute mit ähnlichen gesellschaftlichen Problemen konfrontiert: Viele Menschen können sich mit ihrer kleinen Rente keine Wohnung zu marktüblichen Mieten leisten und drohen, in Armut abzusinken. Eine Wohnung in der Fuggerei mit ihrer Jahreskaltmiete von 88 Cent kann diesen Fall abmildern oder vermeiden.
Auch in Litauen gibt es überdurchschnittlich viele ältere Menschen, deren Rente zu gering ist, um daraus Miete und Lebenshaltungskosten zu bestreiten, sagt Gintaras Grachauskas. Als ehemaliger Berater der litauischen Regierung hat er ein Konzept erarbeitet, mit dem das Land den Schwierigkeiten begegnen könnte, die eine alternde Gesellschaft mit sich bringt. Umgesetzt wurde es nie. Grachauskas ist überzeugt, dass der Staat viele Probleme nicht alleine lösen kann. Das private Engagement, wie Jakob Fugger es lebte, dient ihm als Vorbild für eine Wohnsiedlung, die er im Norden seines Landes errichten will. Das Grundstück bringt er selbst ein, für alles weitere will er auf ein internationales Netzwerk an Unterstützern zurückgreifen.
Es braucht nicht keine großen Mäzene, um Großes zu leisten, ist Alexander Graf Fugger überzeugt. Gesellschaftliches Engagement könne von allen ausgehen. Genau diesen Impuls wollen die Fugger im Jubiläumsjahr setzen. „Wir maßen uns nicht an, die Welt zu retten, aber die Aufmerksamkeit, die uns zum 500. zuteil wird, wollen wir nutzen, um Nachahmer für die Idee Jakob Fuggers zu finden.“Ein Lob gab es dafür vom Ministerpräsidenten: „Solche Projekte motivieren andere, mehr zu geben, als man geben müsste. Wir müssen Anreize geben zu stiften.“
Auch Stella Rothenberger will in die Fußstapfen des berühmten Stifters treten. Seit Jahren engagiert sie sich in der Entwicklungshilfe und hat gelernt, dass Hilfsprojekte oft von Ländern aus gedacht werden, die die Gegebenheiten vor Ort nicht kennen. Viele Projekte greifen deshalb nicht so, wie sie es könnten. Rothenberger arbeitet nun in mehreren afrikanischen Ländern mit der Bevölkerung zusammen, um gezielt zu helfen. So entstand die Idee einer Fuggerei in Sierra Leone, einem der ärmsten Länder Afrikas. Rothenberger und ihre Co-Stifterin Rugiatu Neneh Turay wollen vor jungen Frauen Hilfe bieten, die von Genitalverstümmelung bedroht sind und deshalb aus der Gemeinschaft fliehen müssen, die ihnen Familie und Dorf bieten. Ihnen eine Chance auf Bildung zu geben, sei eine Investition in die Zukunft des Landes.
In Würde leben zu können, war auch eines der Ziele, das Jakob Fugger erreichen wollte. Diese Maßgaben sollen in neuen Fuggereien berücksichtigt werden. Wie sie umgesetzt werden könnten, wollen die Fugger öffentlich diskutieren. Ab Mai werden die Ergebnisse auf dem Augsburger Rathausplatz präsentiert. Dort entsteht ein Pavillon in Form eines Fuggerhäuschens, der als Ausstellungsraum fungiert. „Ab dann soll der Impuls, sich dem Stiftungsgedanken anzuschließen, in alle Welt gehen“, hoffen Gräfin ThunFugger und Graf Fugger.