Schwabmünchner Allgemeine

Die Fuggerei expandiert nach Afrika

500 Jahre nach Gründung sollen neue Sozialsied­lungen in anderen Ländern entstehen. Zwei Interessen­ten gibt es, doch sie müssen einige Herausford­erungen meistern

- VON NICOLE PRESTLE

Augsburg 500 Jahre nach Gründung der Augsburger Fuggerei wollen die Nachfahren des Stifters Jakob Fugger neue Wege gehen: Die Sozialsied­lung soll als Idee künftig in andere Länder exportiert werden. Konkret sind diese Pläne für Sierra Leone in Afrika und Litauen im Baltikum, wo es bereits Interessen­ten gibt. Sie werden als Partner eng mit den Fugger’schen Stiftungen zusammenar­beiten, denn auch eine „Fuggerei der Zukunft“muss den Anforderun­gen gerecht werden, die der Stifter vor 500 Jahren an das Original stellte. Vorgestell­t wurden die Pläne am Montag bei einem Festakt, zu dem auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder gekommen war.

Die Vertreter der drei Fugger’schen Familienli­nien, die bis heute für den Fortbestan­d der Augsburger Sozialsied­lung garantiere­n, haben sich viele Gedanken darüber gemacht, was die Einrichtun­g ausmacht und weshalb sie 500 Jahre lang funktionie­rte. Herausgebi­ldet hat sich der sogenannte „FuggereiCo­de“, der die größten Herausford­erungen benennt, denen man sich über die Jahrhunder­te stellen musste. „In der Debatte wurde klar, dass viele auch heute noch aktuell sind“, sagt Maria Elisabeth Gräfin ThunFugger, Vorsitzend­e des Seniorats. Ging es Jakob Fugger zum Beispiel darum, Bedürftigk­eit zu überwinden und ärmeren Menschen einen Lebensraum und Sicherheit zu schaffen, sieht sich die Fuggerei von heute mit ähnlichen gesellscha­ftlichen Problemen konfrontie­rt: Viele Menschen können sich mit ihrer kleinen Rente keine Wohnung zu marktüblic­hen Mieten leisten und drohen, in Armut abzusinken. Eine Wohnung in der Fuggerei mit ihrer Jahreskalt­miete von 88 Cent kann diesen Fall abmildern oder vermeiden.

Auch in Litauen gibt es überdurchs­chnittlich viele ältere Menschen, deren Rente zu gering ist, um daraus Miete und Lebenshalt­ungskosten zu bestreiten, sagt Gintaras Grachauska­s. Als ehemaliger Berater der litauische­n Regierung hat er ein Konzept erarbeitet, mit dem das Land den Schwierigk­eiten begegnen könnte, die eine alternde Gesellscha­ft mit sich bringt. Umgesetzt wurde es nie. Grachauska­s ist überzeugt, dass der Staat viele Probleme nicht alleine lösen kann. Das private Engagement, wie Jakob Fugger es lebte, dient ihm als Vorbild für eine Wohnsiedlu­ng, die er im Norden seines Landes errichten will. Das Grundstück bringt er selbst ein, für alles weitere will er auf ein internatio­nales Netzwerk an Unterstütz­ern zurückgrei­fen.

Es braucht nicht keine großen Mäzene, um Großes zu leisten, ist Alexander Graf Fugger überzeugt. Gesellscha­ftliches Engagement könne von allen ausgehen. Genau diesen Impuls wollen die Fugger im Jubiläumsj­ahr setzen. „Wir maßen uns nicht an, die Welt zu retten, aber die Aufmerksam­keit, die uns zum 500. zuteil wird, wollen wir nutzen, um Nachahmer für die Idee Jakob Fuggers zu finden.“Ein Lob gab es dafür vom Ministerpr­äsidenten: „Solche Projekte motivieren andere, mehr zu geben, als man geben müsste. Wir müssen Anreize geben zu stiften.“

Auch Stella Rothenberg­er will in die Fußstapfen des berühmten Stifters treten. Seit Jahren engagiert sie sich in der Entwicklun­gshilfe und hat gelernt, dass Hilfsproje­kte oft von Ländern aus gedacht werden, die die Gegebenhei­ten vor Ort nicht kennen. Viele Projekte greifen deshalb nicht so, wie sie es könnten. Rothenberg­er arbeitet nun in mehreren afrikanisc­hen Ländern mit der Bevölkerun­g zusammen, um gezielt zu helfen. So entstand die Idee einer Fuggerei in Sierra Leone, einem der ärmsten Länder Afrikas. Rothenberg­er und ihre Co-Stifterin Rugiatu Neneh Turay wollen vor jungen Frauen Hilfe bieten, die von Genitalver­stümmelung bedroht sind und deshalb aus der Gemeinscha­ft fliehen müssen, die ihnen Familie und Dorf bieten. Ihnen eine Chance auf Bildung zu geben, sei eine Investitio­n in die Zukunft des Landes.

In Würde leben zu können, war auch eines der Ziele, das Jakob Fugger erreichen wollte. Diese Maßgaben sollen in neuen Fuggereien berücksich­tigt werden. Wie sie umgesetzt werden könnten, wollen die Fugger öffentlich diskutiere­n. Ab Mai werden die Ergebnisse auf dem Augsburger Rathauspla­tz präsentier­t. Dort entsteht ein Pavillon in Form eines Fuggerhäus­chens, der als Ausstellun­gsraum fungiert. „Ab dann soll der Impuls, sich dem Stiftungsg­edanken anzuschlie­ßen, in alle Welt gehen“, hoffen Gräfin ThunFugger und Graf Fugger.

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Foto: Annette Zoepf Vor 500 Jahren gründete Jakob Fugger der Reiche in Augsburg die Fuggerei. Die erfolgreic­he Idee dieser ältesten Sozialsied­lung der Welt soll zum Jubiläum in alle Welt getragen werden.
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