Ist eine Rettung aus Afghanistan bald unmöglich?
Bundeswehr-Soldaten holen Deutsche aus dem Stadtgebiet ab. Am Flughafen fallen Schüsse
Berlin Die Lage auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul spitzt sich immer weiter zu. Am Montagmorgen ist es dort zu einer tödlichen Schießerei gekommen, in die auch Soldaten der Bundeswehr und der US-Armee verwickelt wurden. Bei dem Angriff unbekannter Männer starb ein afghanischer Sicherheitsmann, drei weitere wurden verletzt. Angehörige der Bundeswehr oder der US-Streitkräfte wurden laut Verteidigungsministerium nicht verletzt. Wie lange überhaupt noch Menschen aus Kabul gerettet werden können, ist völlig unklar.
Zwar hatten die Taliban allen Ausländern freien Abzug zugesichert, doch wie zuverlässig diese Aussage ist, vermag niemand zu sagen. Nicht ausgeschlossen ist, dass es sich bei den Angreifern um Angehörige der Terrormiliz „Islamischer Staat“handelt, die mit den Taliban verfeindet ist. Dem Verteidigungsministerium zufolge wächst die Gefahr eines Terroranschlags auf den Flughafen. Tausende verzweifelte Menschen harren dort aus und hoffen auf einen Platz in einem Evakuierungsflieger – unter ihnen viele afghanische Mitarbeiter deutscher Organisationen, die Racheakte der Radikalislamisten fürchten müssen.
Bis die Taliban vor rund einer Woche faktisch die Macht im Land übernommen haben, hatten rund 1100 Afghanen für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wurde von FDP und Grünen scharf kritisiert – die Opposition wirft ihm vor, er habe die Ausreise afghanischer Ortskräfte verzögert oder blockiert. Hintergrund: Einheimische GIZ-Mitarbeiter erhalten eine Geldprämie, wenn sie erklären, im Land zu bleiben. Im Gespräch mit unserer Redaktion verteidigte Müller das Angebot: „Ja, wir haben zugesichert, diese afghanischen Familien jetzt finanziell vor Ort nicht hängen zu lassen, sondern weiter zu unterstützen.“Es gebe afghanische Mitarbeiter, die auch in der aktuellen Lage bleiben wollten, weil sie etwa in einer vergleichsweise stabilen Provinz leben. Für diejenigen, die ausreisen wollen, arbeite die Bundesregierung „auf vielen Ebenen und auch an weiteren Möglichkeiten, das Land verlassen zu können jenseits der Luftevakuierung“. Außenminister Heiko Maas (SPD) kündigte an, dass die Bundesregierung mit den Nachbarländern Afghanistans kooperieren werde, um Ausreisen auf dem Landweg zu ermöglichen.
Schon jetzt ist es kaum mehr möglich, sicher an den Flughafen zu
„Was immer da vor Ort passiert: Ich halte den Kopf hin.“
Verteidigungsministerin KrampKarrenbauer
gelangen. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will dazu übergehen, „die Leute sozusagen abzuholen“. So ist die Bundeswehr nun auch außerhalb des Airports im Einsatz. Die Truppe bestätigte, dass Angehörige der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte „KSK“zu Fuß eine dreiköpfige Familie aus München aus dem Stadtgebiet von Kabul „abgeholt“und zum rettenden Flughafen geleitet haben. Kramp-Karrenbauer übernahm für solche Aktionen die politische Verantwortung: „Was immer da vor Ort passiert: Ich halte den Kopf hin.“
Laut Auswärtigem Amt befindet sich geschätzt noch „eine niedrige dreistellige Zahl“deutscher Staatsangehöriger in Afghanistan. Die Zeit für deren Rettung läuft ab. USPräsident Joe Biden hatte den 31. August als Zeitpunkt für den endgültigen Abzug aus Afghanistan festgelegt, eine Verlängerung aber nicht ausgeschlossen. Doch die Taliban wollen dem keinesfalls zuzustimmen.