Schwabmünchner Allgemeine

Der Moorschutz und seine Widersache­r

Im Großen wie im Kleinen geht bisher nur wenig voran, um die natürliche­n CO2-Speicher für den Klimaschut­z zu reaktivier­en. Viele Landwirte fürchten um den Verlust ihrer Existenz. Schafft Bayern die Kehrtwende? / Teil 3

- VON ULI BACHMEIER

In seiner jüngsten Regierungs­erklärung hat Ministerpr­äsident Markus Söder sich eindeutig zum „vorsorgend­en Klimaschut­z“bekannt. Bayern soll schon 2040, also fünf Jahre früher als Deutschlan­d, klimaneutr­al werden. In einer Serie von Artikeln beleuchtet unsere Redaktion die wichtigste­n Aspekte des Themas einzeln.

München Bayern ist reich an Moorböden. Das hat zwei Vorteile: Moore sind ausgezeich­nete CO2-Speicher und somit extrem nützlich für den Klimaschut­z. Und Moore sind herausrage­nd fruchtbare Ackerböden, die der Landwirtsc­haft hohe Erträge bringen. Der Nachteil dabei: Beides zusammen ist nicht zu haben. Moore lassen sich nur in einer Weise nutzen – entweder als CO2-Speicher – oder als intensiv bewirtscha­fteter Ackerboden.

Die Versuche, Kompromiss­lösungen zu finden, die für den Klimaschut­z etwas bringen, ohne den betroffene­n Landwirten die Existenzgr­undlage zu entziehen, sind bisher weitgehend gescheiter­t – im Großen wie im Kleinen: Die Bundesmini­sterinnen für Landwirtsc­haft, Julia Klöckner (CDU), und Umwelt, Svenja Schulze (SPD), mussten gerade erst einräumen, dass sie es in den vergangene­n vier Jahren nicht geschafft haben, sich auf eine Moorschutz­strategie zu verständig­en. Zu groß waren die Gegensätze. Das Projekt Moorschutz wurde im Bund vertagt.

Vor Ort sieht es meist nicht besser aus. Das zeigt ein Beispiel aus der Region. Der Zweckverba­nd Donaumoos, der 1991 von Bezirk, Landkreis und einigen Kommunen gegründet wurde, um in dem 25000 Hektar großen „Altbayeris­chen Donaumoos“zwischen Pöttmes, Neuburg und Manching die widerstrei­tenden Interessen unter einen Hut zu bringen, kann bei seinem wichtigste­n Ziel, dem Moorschutz, kaum nennenswer­te Erfolge vorweisen. Nur rund 460 Hektar Fläche konnten über all die Jahre hinweg erworben werden, um sie aus der intensiven Nutzung zu nehmen. Doch um sie wieder zu bewässern und damit effektiv zu schützen, sind sie zu weit verstreut. Ergebnis: Nach wie vor schrumpft der wertvolle Torfkörper im Donaumoos. Nach wie vor werden schädliche Klimagase freigesetz­t, statt sie im Boden zu halten und – was noch besser fürs Klima wäre – neu im Boden zu binden.

Der ehemalige Landrat in NeuWirtsch­aftsstaats­sekretär Roland Weigert (Freie Wähler), räumt ein, dass der Zweckverba­nd, den er als Landrat zehn Jahre lang leitete, seine Ziele längst nicht erreicht hat. Doch das sei nur die halbe Wahrheit. „Der Zweckverba­nd war bei seiner Gründung der Zeit weit voraus, ein absolut visionäres Projekt“, sagt Weigert. Damals, in den 90er Jahren, sei vom Klimaschut­z noch keine Rede gewesen. Dennoch habe sein Vorgänger, Landrat Richard Keßler (CSU), die Initiative ergriffen, um in dem weitgehend trockengel­egten Donaumoos zu retten, was vom Moor noch zu retten ist. Nur der Staat habe nicht konsequent mitgemacht. Sogar das Moorversuc­hsgut in Karlshuld sei aufgegeben worden.

Zwei Umstände hätten seit Mitte der 2000er Jahre den Ankauf von Grundstück­en gebremst. Zum einen seien mit der Finanzkris­e von 2008 die Bodenpreis­e explodiert. Zum anderen hatte die Staatsregi­erung schon Jahre zuvor die Mittel aus dem Naturschut­zfonds für den Ankauf von Flächen um die Hälfte gekürzt. „Das sind die Gründe, warum sich der Zweckverba­nd nicht so entwickelt hat, wie er es hätte können“, sagt Weigert. Ohne den Verband aber, so fügt er hinzu, wäre vermutlich gar nichts passiert.

Nun soll ein neuer Anlauf unternomme­n werden. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat angekündig­t, „eines der größten Renaturier­ungsprogra­mme in Deutschlan­d zur Sanierung und Wiedervern­ässung aller Moorfläche­n“zu starten. „Das sind“, so sagte er in seiner Regierungs­erklärung zum Klimaschut­z, „bis 2040 rund 55 000 Hektar.“Den Beginn markiert ein Pilotproje­kt im Donaumoos: 200 Millionen Euro sollen dort in den kommenden zehn Jahren in den Moorund Klimaschut­z investiert werden. Mit dem Geld sollen 2000 Hektar wieder vernässt werden. Der Bund Naturschut­z zeigte sich erfreut.

Dass einem Teil der betroffene­n Landwirte das gar nicht gefällt, bekam Söder zu spüren, als er das Projekt im Mai in der Gemeinde Langenmose­n vorstellte. Rund 70 Demonstran­ten begrüßten ihn mit eiburg-Schrobenha­usen, nem Hupkonzert. Sie meinen, allen Grund zu haben, um ihre Existenz fürchten zu müssen.

Das Donaumoos ist nicht nur das größte zusammenhä­ngende Niedermoor­gebiet in Bayern, es ist auch eines der größten Kartoffela­nbaugebiet­e Deutschlan­ds. Die Landwirte, die im Moos weiterhin mit Kartoffeln ihr Geld verdienen wollen, kommen nicht nur durch den Klimaschut­z, sondern auch vonseiten des Marktes unter Druck. Viele von ihnen wirtschaft­en zu einem mehr oder weniger großen Teil auf gepachtete­n Flächen. Lange Zeit war der Kartoffela­nbau die ertragreic­hste Nutzung des Bodens. Davon profitiert­en Pächter und Verpächter. Mittlerwei­le, so schätzen Experten, lässt sich mit Photovolta­ik auf derselben Fläche drei bis viermal so viel Geld verdienen. Das kann, wenn der Pachtvertr­ag ausläuft und die Kommune ihr Okay für einen Solarpark gibt, für einen Kartoffelb­auern das Ende bedeuten.

Politisch steht die intensive landwirtsc­haftliche Nutzung von Niedermoor­en in Konkurrenz zu einer bestechend attraktive­n Idee. Wer Moore wieder vernässt, Photovolta­ik drüber baut und die Flächen von Schafen beweiden lässt, der schlägt, wie der Landtagsab­geordnete Martin Stümpfig (Grüne) sagt, mehrere Fliegen mit einer Klappe. „Er erzeugt grünen Strom, verdient Geld, schützt das Moor und damit das Klima und tut obendrein etwas für den Natur- und Artenschut­z.“

Diese Idee kennt auch sein Kollege Matthias Enghuber von der CSU. Als Stimmkreis­abgeordnet­er für Neuburg-Schrobenha­usen weiß er allerdings auch um die praktische­n Probleme im Donaumoos. Widerstand beobachtet er nicht nur aus den Reihen der Landwirtsc­haft. Es gehe in dem Gebiet auch um Gewerbebet­riebe, die Kartoffeln verarbeite­n und etwa ein Drittel ihrer Rohstoffe direkt aus der Umgebung beziehen. Und es gehe um die gar nicht triviale Frage, wie die Gemeinden in der Region ihre künftige Entwicklun­g sehen. Auf wiedervern­ässten Mooren könne man nicht bauen.

Um Lösungen zu finden, brauche es mehr als den Zweckverba­nd in seiner jetzigen Form, sagt Enghuber: Ein verbessert­es Entwicklun­gskonzept, mehr fachliches Personal, mehr Beratung, mehr Ansprechpa­rtner vor Ort, Verfahren für den Flächentau­sch und eine Organisati­on, in der Naturschüt­zer, Landwirte und Kommunen eng zusammenar­beiten. „Die Landwirte brauchen Planbarkei­t, sonst macht da keiner mit“, sagt Enghuber. Dazu müsse festgelegt werden, wo künftig noch Kartoffela­nbau „möglich und sinnvoll“sein kann und wo eine Wiedervern­ässung der Moore möglich ist.

Der Klimaexper­te der Grünen sieht das ähnlich. In zwei Punkten aber unterschei­den sich die beiden Parteien. Die CSU will, wie Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber betonte, an dem Grundsatz „Freiwillig­keit vor Ordnungsre­cht“festhalten. Jeder Landwirt, der wolle, solle weiterhin entweder traditione­ll wirtschaft­en oder „Klimawirt“werden können. Stümpfig sagt: „Ohne die Landwirte geht nichts, aber nur mit Freiwillig­keit wird es auch nicht gehen.“Gewisse Regeln und Vorgaben, ähnlich wie bei einer Flurberein­igung, werde der Staat festlegen müssen. „Wir können nicht alle rauskaufen. So viel Geld hat Bayern nicht“, sagt Stümpfig.

Wirklich schnell, so viel scheint nach Söders Ankündigun­g klar zu sein, wird es auch jetzt nicht gehen. Das Agrarminis­terium will bis 2023 ein Konzept erarbeiten.

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Foto: Stefan Puchner, dpa Das Donaumoos ist das größte zusammenhä­ngende Niedermoor­gebiet Bayerns.

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