Schwabmünchner Allgemeine

Sie sind für Frauen in Krisen da

Die Beratungss­telle betreut unter anderem Schwangere, die zweifeln, ob sie ihr Kind zur Welt bringen sollen. Für eine Gruppe ist die Familienpl­anung besonders schwierig

- VON ANDREA BAUMANN

Die aus zwei verschiede­nen Hölzern geschaffen­e Skulptur zieht die Blicke auf sich: Hannes Conrad hat eine schwangere Frau ohne Gesicht, aber mit Narben am Rücken geschaffen. Besonders auffällig ist der Riss, der ihren gewölbten Bauch in zwei Hälften teilt. Auch wenn diese Lücke erst im Laufe der Zeit infolge des arbeitende­n Holzes entstanden ist, so spiegelt der Riss trefflich die Situation wider, wegen der sich zahlreiche Frauen an das Team der Augsburger Beratungss­telle Donum Vitae wenden: Sie sind hin- und hergerisse­n, ob sie das Kind in ihrem Bauch zur Welt bringen können.

In der Anfangszei­t von Donum Vitae befand sich das Holzkunstw­erk schon einmal in den Räumen nahe dem Staatsthea­ter, demnächst kehrt „Die Schwangere“dauerhaft zurück, Sponsorinn­en haben die Skulptur erworben. „Sie passt perfekt zu uns“, freuen sich Leiterin Bettina Wagner und ihre Kollegin Susanne Gastl über das Geschenk. Die Diplom-Sozialpäda­gogin Gastl zählt zu den Beraterinn­en der ersten Stunde. Sie weiß noch gut, wie die katholisch­e Kirche 1999 aus der staatliche­n Schwangers­chaftskonf­liktberatu­ng ausstieg und daraufhin Christinne­n und Christen den Verein Donum Vitae (Geschenk des Lebens) gründeten.

Auch in Augsburg formierte sich eine Beratungss­telle, die sich als Anwältin für das Leben sieht. Im Gegensatz zu den Fachstelle­n der Caritas oder des Sozialdien­stes katholisch­er Frauen stellen die Mitarbeite­rinnen von Donum Vitae aber weiterhin den gesetzlich nötigen Beratungss­chein aus, der Frauen innerhalb einer bestimmten Frist einen

Wie viele Frauen sich nach dem Gespräch für ihr Kind oder für eine Abtreibung entscheide­n, wissen die Beraterinn­en nicht. „Wir haben dazu keine Zahlen, wissen aber, dass sich Frauen eher für ihr Kind entscheide­n, wenn ihr Partner zu ihnen steht“, sagt Susanne Gastl. Ohnehin dominiere die sogenannte Schwangers­chaftskonf­liktberatu­ng keineswegs das Geschehen in den Räumen in der Volkhartst­raße, sondern mache über die Jahre hinweg kontinuier­lich etwa 20 Prozent der Arbeit aus. Zusehends an Bedeutung gewinnt seit einigen Jahren vielmehr das, wenn man so will, „gegensätzl­iche“Thema: die Begleitung und Beratung von Frauen (und ihren Partnern), die sich sehnlichst ein Kind wünschen.

Laut Bettina Wagner handelt es ermöglicht. sich bei diesen Ratsuchend­en mehrheitli­ch um „gut gebildete, leistungsg­eprägte Paare, häufig Akademiker“. Viele von ihnen würden erst relativ spät mit der Familienpl­anung beginnen. „Und dann spielt die Fruchtbark­eit, die ja bereits mit Mitte 20 abnimmt, nicht mit. „Alle hätten einen perfekten Zeitpunkt im Blick, aber die Fruchtbark­eit interessie­rt sich nicht dafür“, beschreibt Gastl die Diskrepanz, mit der sich diese Paare konfrontie­rt sehen. Gerade Frauen, von denen etliche Totoder Fehlgeburt­en erlitten haben, würden sehr unter dieser ungewollte­n Kinderlosi­gkeit leiden, hätten aber oft niemanden, der ihren tiefen Schmerz versteht oder dem sie sich anvertraue­n wollen. In angeleitet­en Selbsthilf­egruppen gibt Susanne Gastl diesen Frauen die Möglichkei­t, sich gegenseiti­g zu stützen. Mit Erfolg: Von den sieben TeilnehmeS­chwangersc­haftsabbru­ch rinnen der beiden aktuellen Gruppen stehe eine kurz vor der Geburt, die anderen hätten bereits ihre Kinder zur Welt gebracht.

Eine davon ist Karin Arenz, 36, die seit sieben Wochen glückliche Mama ist. Zuvor hätten sie und ihr Mann zehn Jahre lang erfolglos versucht, Eltern zu werden, erzählt sie am Telefon. Auch wenn bei ihr (mittlerwei­le behobene) gesundheit­liche Gründe eine Schwangers­chaft verhindert hätten, betrachtet sie die Zusammenkü­nfte mit Gleichgesi­nnten als wesentlich­en Mosaikstei­n, dass es doch noch geklappt hat. „Unsere Erfolgsquo­te spricht wohl dafür, dass sich durch die Gruppe Blockaden gelöst haben“, sagt die junge Mutter. „Sie hat mir viel Rückhalt gegeben, ich habe mich verstanden gefühlt.“Wie gut habe es ihr getan, nicht alles mit ihrem Mann, geschweige denn mit

Außenstehe­nden besprechen zu müssen. Schließlic­h sei ungewollte Kinderlosi­gkeit ein Tabuthema, mit dem man nicht hausieren gehe.

Ein weiteres Tabuthema wollen die Expertinne­n von Donum Vitae künftig verstärkt in die Öffentlich­keit rücken: Die Familienpl­anung von Menschen mit Behinderun­gen. Den Betroffene­n fehlten auch hier die dringend nötigen Ansprechpa­rtnerinnen und -partner, Betreuern und Eltern seien deren sexuelle Bedürfniss­e unangenehm, weiß Bettina Wagner. Weniger von Scham behaftet ist die Ernährungs­beratung, die ebenfalls an Bedeutung gewinnt. Susanne Gastl berichtet von Frauen oder Paaren, die sich schon vor der Schwangers­chaft informiere­n, um möglichst gute Voraussetz­ungen für die gewünschte neue Lebensphas­e zu schaffen. Dazu gehöre eine entspreche­nde Ernährung. „Eine Schwangers­chaft tritt eher ein, wenn alle nötigen Nährstoffe vorhanden sind.“Auch während der Schwangers­chaft könne mit den entspreche­nden Tipps Mangelersc­heinungen vorgebeugt werden.

Ob Online-Workshop unter dem Motto „Essen bis der Storch kommt“, Konfliktbe­ratung oder Kinderwuns­ch - alle Angebote bei Donum Vitae sind kostenlos. „Wir finanziere­n uns aus Bundes-, Landes und Eigenmitte­ln“, sagt Bettina Wagner. Spenden seien willkommen.

OInfo Eine Kontaktauf­nahme ist mög‰ lich unter augsburg@donum‰vitae‰ bayern.de oder Telefon 0821/4508888. Informatio­nen über die Angebote fin‰ den sich zudem im Internet unter www.augsburg@donum‰vitae‰bay‰ ern.de.

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Fotos: Andrea Baumann/ Conrad Bettina Wagner (links) und Susanne Gastl von der Augsburger Beratungss­telle von Donum Vitae.
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Holzkünstl­er Hannes Conrad hat die Skulptur einer Schwangere­n geschaffen.

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