Wie gut Covid behandelt werden kann
Alle sprechen von den Impfstoffen. Doch für Menschen, die sich infiziert haben, ist etwas anderes wichtig: wirksame Medikamente. Wo die Medizin hier aktuell steht und was noch erwartet werden darf
Augsburg Wirksame Therapeutika spielen ebenso wie Impfstoffe bei der Eindämmung der Corona-Pandemie eine zentrale Rolle. Weltweit wird an zahlreichen wissenschaftlichen Projekten mit dem Ziel gearbeitet, Wirkstoffe zu finden, die das neue Virus effektiv bekämpfen. Doch was hilft aktuell, wenn Menschen sich bereits infiziert haben? Und wie weit ist die Forschung?
„In Bezug auf die Medikamentenentwicklung ist die Bundesregierung zu zögerlich gewesen“, sagt die Virologin und Leopoldina-Mitglied Professorin Dr. Helga RübsamenSchaeff. Zu Beginn der Pandemie habe sich Deutschland sehr stark auf die Impfstoffe konzentriert und die Medikamentenentwicklung nicht richtig vorangetrieben. „Inzwischen scheint aber die Einsicht zu reifen, dass man auch an Medikamenten arbeiten muss und die Förderung beginnt besser zu werden.“
Wann also kommt der Durchbruch bei der Behandlung von Covid? „Ein Durchbruch wäre schön, aber ich sehe ihn leider noch gar nicht“, sagt Professor Dr. Bernd Salzberger, Infektiologe am Universitätsklinikum Regensburg, und ergänzt: „Wir haben sehr wenig in der Hand, wenn es um die Behandlung von Covid geht.“Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel seiner Ansicht nach immer zu Recht sage, „sind die bisherigen Behandlungsmethoden unbefriedigend“. So könnten, um ein Beispiel zu nennen, die Todesfälle bei einer durch Bakterien hervorgerufenen Lungenentzündung mithilfe von Antibiotika zu 80 Prozent verhindert werden. „Wenn wir bei Covid alle Medikamente zusammennehmen – also etwa Remdesivir, Dexamethason, die monoklonalen Antikörper –, können wir immer noch weniger als 50 Prozent der Todesfälle verhindern.“
Hinzu kommt, erklärt Salzberger, „dass die monoklonalen Antikörper bei der Delta-Variante ihre Wirksamkeit verlieren“. Für den Mediziner steht daher fest: „Behandlungsmethoden für Covid zu entwickeln, ist ein wesentlich dickeres Brett, als Impfstoffe gegen Covid zu entwickeln.“Viele Experimente seien nötig und vor allem viel Zeit, schließlich müssten sich die Medikamente auch in der Praxis bewähren.
Für die Virologin Helga Rübsamen-Schaeff gibt es drei Phasen nach einer Infektion mit SarsCoV-2: die leichte Erkrankung, die mittelschwere mit Lungenentzündung und die kritische Erkrankung. In der ersten Phase sei viel Virus im Körper, in der zweiten deutlich weniger und in der dritten kaum noch Virus zu finden. „Wenn wir über Medikamente gegen Viren reden, so sind sie sinnvollerweise in der ersten Phase einzusetzen – mit dem Ziel, die Virusmenge im Körper zu reduzieren, sodass der Patient nicht ernst erkrankt und damit er auch weniger infektiös für andere ist.“Ziel müsse es sein, ein als Tablette verabreichbares Medikament zu finden, das hoch effektiv und mit minimalen Nebenwirkungen für fünf bis zehn Tage eingesetzt werden kann, sobald die Infektion bekannt ist.
Helga Rübsamen-Schaeff sieht durchaus wirksame Medikamente gegen das Virus. An erster Stelle nennt die Virologin Antikörper, die von verschiedenen Firmen zugelassen sind beziehungsweise sich in späten Stadien der klinischen Entwicklung befinden. „Sie haben aber den Nachteil, dass sie mehrfach gespritzt werden müssen.“Sodann seien Medikamente wie Remdesivir oder Favipiravir zu nennen, die ursprünglich gegen andere Viren entwickelt worden sind und daher nicht optimal wirksam gegen Sars-CoV-2 seien. Zudem müsse Remdesivir gespritzt werden und beide Medikamente seien auch mit Nebenwirkungen belastet.
Und erwartet die Virologin noch neue Medikamente in diesem Jahr, die bei Covid helfen? „Es sind insgesamt drei Medikamente in der klinischen Prüfung, die ich für interessant halte: Molnupiravir, entwickelt von MSD, AT-527/RO7496998 entwickelt von Atea und Roche und PF-07321332, entwickelt von Pfizer. Für alle drei können noch in diesem Jahr Daten aus den klinischen Studien erwartet werden und alle drei können oral gegeben werden.“Solche Medikamente, die das Virus unterdrücken, sollten früh nach der Infektion eingesetzt werden, um zu vermeiden, dass sich das Virus im Körper ausbreitet und der Patient ernsthaft erkrankt.
In Bayern macht unter anderem auch die Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) bei der Covid-Forschung immer wieder von sich reden. So wirkten JMU-Forschende mit eigenen Arbeiten mit, die zeigten, warum Remdesivir bei Covid-19 eher schwach wirkt. Aktuell haben Forschende am Göttinger Max-Planck-Institut und der JMU den Wirkmechanismus von einem der Medikamente entschlüsselt, die Virologin Rübsamen-Schaeff für wichtig hält: Molnupiravir.
Die USA sicherten sich bereits, wie die JMU schreibt, 1,7 Millionen Dosen davon. Molnupiravir bremst demnach in vorläufigen Studien das Coronavirus bei seiner Vermehrung aus. Der Wirkstoff schleuse RNAähnliche Bausteine in das Erbgut des Virus ein. „Wird das Erbgut weiter vermehrt, entstehen fehlerhafte RNA-Kopien – der Erreger kann sich dann nicht mehr ausbreiten.“Molnupiravir werde derzeit in der Klinik erprobt.
Und nicht nur bei der Medikamentenentwicklung gibt es immer wieder Neues. Auch ein neuer Impfstoff soll noch in diesem Jahr kommen, und zwar von dem USUnternehmen Novavax. Was hält der erfahrene Immunologe Salzberger von Novavax? Schließlich ist es ein proteinbasierter Impfstoff, also ein Impfstoff, der beispielsweise wie ein herkömmlicher Grippeimpfstoff aufgebaut ist und das Immunsystem aktiviert. „Interessant ist der neue Impfstoff Novavax sicher“, sagt Salzberger. „Allerdings ist er ja noch gar nicht zugelassen.“Auch hätten die Chinesen ebenfalls schon Impfstoffe in gleicher Bauweise auf den Markt gebracht. Daher ist Salzberger vorsichtig, wenn manche jetzt schon glauben, mit Novavax würden sich gerade Menschen impfen lassen, denen die neue medizinische Technik eines mRNA-Impfstoffs oder eines Vektor-Impfstoffs Ängste bereitet: „Auch mit Novavax wird man nicht alle Schalter umlegen können.“
Wünschenswert wäre die Tablettenform