Handschuh verlässt das Theater Ulm
Generalmusikdirektor geht nach zehn Jahren
Ulm Sang- und klanglos – so möchte doch niemand Abschied nehmen. Erst recht nicht, wenn einer von Beruf Dirigent ist. Aber es ist tatsächlich etwas still um Timo Handschuh in diesen Tagen. Nach zehn Jahren nimmt er Abschied vom Ulmer Stadttheater und das große Adieu, die Coda seiner Zeit als Generalmusikdirektor, hat die Pandemie verkorkst. Verkürzte, verknappte Spielzeiten, große Orchesterpause statt Parsifal und Tosca, so war das alles nicht geplant. Das Theater blickt jetzt trotzdem liebevoll zurück – auf ein Jahrzehnt mit Handschuh. Das Haus hat dem GMD eine Extra-Ausgabe der eigenen Theaterzeitung gewidmet, ja fast eine kleine Festschrift. „Lieber Timo...“, so beginnen viele dieser persönlichen Texte.
Handschuh – wie würden ihn seine Musiker beschreiben? Jene Philharmoniker, die Stunden, Tage, Lebensjahre mit ihm im Orchestergraben geschwitzt haben? „Energisch, zielstrebig, fokussiert“, findet die Soloflötistin Karin Schweiger-Hilario. Tubist Erwin Rummel spekuliert: „Er hätte sich bestimmt blendend mit dem jungen Karajan in dessen Ulmer Zeit unterhalten können – nicht nur über schnelle Autos.“Jost Butzko, Bassist, fasst es in Musik: „H-Dur, Allegro vivace, forte!“
In Lahr im Schwarzwald, nah am Rhein, kam Timo Handschuh 1975 zur Welt. Mit 17 Jahren gründete er dort schon ein eigenes Orchester. Nach Lehrjahren an der Musikhochschule und der Staatsoper in Stuttgart folgte 2011 der Karriereschritt: Er wurde Generalmusikdirektor in Ulm. Schon bald nach der Taktstockübergabe – er beerbte James Allen Gähres – schien klar: Vielfalt ist Handschuhs Stärke. Er sagt selbst: „Ich bin aus tiefstem Herzen Musiker, es ist egal, ob ich dirigiere, die Orgel spiele oder komponiere.“
Was Musiker an ihm schätzen, ist sein Gespür für Klangfarben, für feines Legato und sein Instinkt für französische Musik. Poulencs Oper „Dialogues de Carmélites“, in Handschuhs Interpretation – unvergessen. So wie viele weitere Momente im Großformat: Strauss’ „Rosenkavalier“, Bruckner-Sinfonien im Ulmer Münster. Auch der Tradition gab er neuen Schwung: Die Ulmer Neujahrskonzerte, oft zehnmal aufgeführt, fast immer ausverkauft – hat er mit kleinen Scherzen garniert. In Kinderkonzerten suchte der GMD den Draht zum jüngsten Publikum.
Mit dem Intendanten Kay Metzger teilt er die Liebe zu den hoch- bis spätromantischen Großkalibern alla Richard Wagner. Metzger lernte seinen GMD schätzen, als Opern- und Konzertdirigent, „Entertainer“, immer „gut für Überraschungen“. Und nicht zuletzt lernte Ulm ihn als Kirchenmusiker kennen, der regelmäßig an der Orgel das Ulmer Münster beschallte. Zuletzt leitete der GMD beim Schwörkonzert 2021 ein Brandenburgisches Konzert am Cembalo, im Herzen des Münsters.
Wenn man so will, hat Handschuh auch seinem Nachfolger den Weg nach Ulm, ins GMD-Amt gebahnt: Felix Bender, zuletzt an der Oper Leipzig, Mitte 30 – so jung wie Handschuh 2011. Und eben dieses Talent hatte Handschuh schon 2013 für ein Gastkonzert nach Ulm geholt.
Wohin es Handschuh jetzt zieht, ist noch nicht bekannt, er hält sich bedeckt. Als Gastdirigent bleibe er in Ulm aber stets willkommen, das betont das Theater. Seinen offiziellen Ausstand als GMD wird Handschuh in guter Gesellschaft geben: Ein Gipfelkonzert der Generationen plant das Theater für Juni 2022 – mit Bender, Gähres und Timo Handschuh.