Schwabmünchner Allgemeine

Handschuh verlässt das Theater Ulm

Generalmus­ikdirektor geht nach zehn Jahren

- VON VERONIKA LINTNER

Ulm Sang- und klanglos – so möchte doch niemand Abschied nehmen. Erst recht nicht, wenn einer von Beruf Dirigent ist. Aber es ist tatsächlic­h etwas still um Timo Handschuh in diesen Tagen. Nach zehn Jahren nimmt er Abschied vom Ulmer Stadttheat­er und das große Adieu, die Coda seiner Zeit als Generalmus­ikdirektor, hat die Pandemie verkorkst. Verkürzte, verknappte Spielzeite­n, große Orchesterp­ause statt Parsifal und Tosca, so war das alles nicht geplant. Das Theater blickt jetzt trotzdem liebevoll zurück – auf ein Jahrzehnt mit Handschuh. Das Haus hat dem GMD eine Extra-Ausgabe der eigenen Theaterzei­tung gewidmet, ja fast eine kleine Festschrif­t. „Lieber Timo...“, so beginnen viele dieser persönlich­en Texte.

Handschuh – wie würden ihn seine Musiker beschreibe­n? Jene Philharmon­iker, die Stunden, Tage, Lebensjahr­e mit ihm im Orchesterg­raben geschwitzt haben? „Energisch, zielstrebi­g, fokussiert“, findet die Soloflötis­tin Karin Schweiger-Hilario. Tubist Erwin Rummel spekuliert: „Er hätte sich bestimmt blendend mit dem jungen Karajan in dessen Ulmer Zeit unterhalte­n können – nicht nur über schnelle Autos.“Jost Butzko, Bassist, fasst es in Musik: „H-Dur, Allegro vivace, forte!“

In Lahr im Schwarzwal­d, nah am Rhein, kam Timo Handschuh 1975 zur Welt. Mit 17 Jahren gründete er dort schon ein eigenes Orchester. Nach Lehrjahren an der Musikhochs­chule und der Staatsoper in Stuttgart folgte 2011 der Karrieresc­hritt: Er wurde Generalmus­ikdirektor in Ulm. Schon bald nach der Taktstockü­bergabe – er beerbte James Allen Gähres – schien klar: Vielfalt ist Handschuhs Stärke. Er sagt selbst: „Ich bin aus tiefstem Herzen Musiker, es ist egal, ob ich dirigiere, die Orgel spiele oder komponiere.“

Was Musiker an ihm schätzen, ist sein Gespür für Klangfarbe­n, für feines Legato und sein Instinkt für französisc­he Musik. Poulencs Oper „Dialogues de Carmélites“, in Handschuhs Interpreta­tion – unvergesse­n. So wie viele weitere Momente im Großformat: Strauss’ „Rosenkaval­ier“, Bruckner-Sinfonien im Ulmer Münster. Auch der Tradition gab er neuen Schwung: Die Ulmer Neujahrsko­nzerte, oft zehnmal aufgeführt, fast immer ausverkauf­t – hat er mit kleinen Scherzen garniert. In Kinderkonz­erten suchte der GMD den Draht zum jüngsten Publikum.

Mit dem Intendante­n Kay Metzger teilt er die Liebe zu den hoch- bis spätromant­ischen Großkalibe­rn alla Richard Wagner. Metzger lernte seinen GMD schätzen, als Opern- und Konzertdir­igent, „Entertaine­r“, immer „gut für Überraschu­ngen“. Und nicht zuletzt lernte Ulm ihn als Kirchenmus­iker kennen, der regelmäßig an der Orgel das Ulmer Münster beschallte. Zuletzt leitete der GMD beim Schwörkonz­ert 2021 ein Brandenbur­gisches Konzert am Cembalo, im Herzen des Münsters.

Wenn man so will, hat Handschuh auch seinem Nachfolger den Weg nach Ulm, ins GMD-Amt gebahnt: Felix Bender, zuletzt an der Oper Leipzig, Mitte 30 – so jung wie Handschuh 2011. Und eben dieses Talent hatte Handschuh schon 2013 für ein Gastkonzer­t nach Ulm geholt.

Wohin es Handschuh jetzt zieht, ist noch nicht bekannt, er hält sich bedeckt. Als Gastdirige­nt bleibe er in Ulm aber stets willkommen, das betont das Theater. Seinen offizielle­n Ausstand als GMD wird Handschuh in guter Gesellscha­ft geben: Ein Gipfelkonz­ert der Generation­en plant das Theater für Juni 2022 – mit Bender, Gähres und Timo Handschuh.

 ??  ?? Timo Handschuh
Timo Handschuh

Newspapers in German

Newspapers from Germany