Schwabmünchner Allgemeine

Was kommt nach dem Inzidenzwe­rt?

Die Auslastung der Kliniken soll nicht der alleinige Maßstab für Einschränk­ungen sein

- VON MARIA HEINRICH, BERNHARD JUNGINGER UND MICHAEL POHL

Berlin Die vierte Corona-Welle hat begonnen. Die Zahl der Neuinfekti­onen steigt ungebremst – erst recht, seit in einigen Bundesländ­ern die Schule wieder begonnen hat. Am Mittwoch verzeichne­te das RobertKoch-Institut mit 11561 so viele neue Fälle wie zuletzt im Mai. Der Inzidenzwe­rt liegt bundesweit bei 61,3 – doch für die staatliche­n Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie ist er nicht mehr so maßgebend.

Grund für die langsame Abkehr von der Sieben-Tage-Inzidenz als alleiniger Richtschnu­r ist, dass fast 60 Prozent der Bevölkerun­g geimpft und damit gut vor schweren Krankheits­verläufen geschützt sind. Wichtig ist nun vor allem, dass die Kliniken einer neuen Welle standhalte­n. Welche Grenzwerte dabei gelten sollen, ist aber noch unklar. Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek sagt: „Sicherlich werden die Neuaufnahm­en auf den Stationen und die Belegung der Intensivbe­tten für den Bewertungs­maßstab eine Rolle spielen.“Um das Pandemiege­schehen einzuschät­zen, seien aus Sicht des CSU-Politikers aber noch weitere Parameter notwendig. „Ich denke, die Inzidenz wird in der Gesamtbetr­achtung weiterhin eine relevante Rolle spielen, zum Beispiel als Vorwarnwer­t.“Welche genauen Grenzwerte für den Herbst in Bayern gelten und wie die von Ministerpr­äsident Markus Söder angekündig­te „Krankenhau­sampel“funktionie­ren soll, bespricht das Kabinett am Dienstag.

In den heftigsten Phasen der Pandemie lag die Zahl der Krankenhau­seinweisun­gen im Zeitraum von sieben Tagen pro 100000 Einwohner bei mehr als zehn. Zum Vergleich: Aktuell liegt dieser Wert bundesweit bei 1,28. Rund 800 Patienten werden auf Intensivst­ationen behandelt, 394 müssen beatmet werden. Zwar erkranken auch

Geimpfte, doch bei rund 90 Prozent der Patienten in den Kliniken handelt es sich um Ungeimpfte.

Die Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens variieren von Bundesland zu Bundesland. Anders als Nordrhein-Westfalen will Bayern weiter an der Kontaktdat­enerhebung in Restaurant­s und Kneipen festhalten. „Von einem Strategiew­echsel kann man in Bayern nicht sprechen“, sagte eine Sprecherin des bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums. Gerade mit Blick auf das wieder ansteigend­e Infektions­geschehen bleibe weiterhin wichtig, Infektions­ketten gezielt zu unterbrech­en. In NRW müssen Restaurant­s, Cafés und Kneipen nicht mehr festhalten, wer von wann bis wann bei ihnen war.

Die FDP hat überdies massive Bedenken gegen einen Ausschluss Ungeimpfte­r. Bundestags­fraktionsv­ize Stephan Thomae findet: „Es gibt auch respektabl­e Gründe, sich nicht impfen zu lassen.“Nicht jeder, der eine Impfung ablehne, sei verrückt oder rechtsradi­kal. Der Bundestag beschloss zudem am Mittwoch die Verlängeru­ng der epidemisch­en Lage. Sie gibt dem Staat zahlreiche Sonderrech­te im Kampf gegen Corona. Wie man in den Schulen mit möglicherw­eise massiv steigenden Infektions­zahlen im Herbst umgehen will, gehört zu den noch ungelösten Problemen. Lehrerverb­andspräsid­ent Hans-Peter Meidinger warnt im Interview mit unserer Redaktion davor, „sich jetzt an den Schulen vollständi­g von Inzidenzen zu verabschie­den und beispielsw­eise nur noch auf die Belegung von Intensivbe­tten abzustelle­n“. Die These, dass Schulen am Infektions­geschehen keinen Anteil hätten, sei noch nie richtig gewesen, auch wenn sie die Kultusmini­sterkonfer­enz in der Vergangenh­eit mantrahaft wiederholt habe. „Jetzt, da eindeutig klar ist, dass sich die Deltavaria­nte am schnellste­n unter Jugendlich­en verbreitet, ist eher das Gegenteil richtig“, sagt Meidinger.

Das ganze Interview finden Sie in der

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