Schwabmünchner Allgemeine

Wir müssen über unsere Außenpolit­ik reden

Das Versagen von Heiko Maas in Afghanista­n zeigt überdeutli­ch, wie wenig ernst das Auswärtige Amt noch genommen wird. Dabei brauchen wir es mehr denn je

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger‰allgemeine.de

Das Auswärtige Amt ist nicht einfach ein Bundesmini­sterium wie das des Inneren oder der Finanzen. Es ist das „Auswärtige Amt“. Der Namensunte­rschied verweist stolz auf die Entstehung schon zu Bismarck-Zeiten und er ist dem „Bundesmini­ster des Auswärtige­n“(eine Frau hat es an die Stelle noch nicht geschafft) und seinen Diplomatin­nen und Diplomaten durchaus wichtig. Genauso wichtig wie der Umstand, dass selbst diplomatis­che Azubis dort Attaché heißen und man später so schöne Titel trägt wie „Vortragend­er Legationsr­at“. Unter den vielen bestens ausgebilde­ten Beamtinnen und Beamten in Berlin sehen sich die „im Amt“noch eine Stufe höher – und oft zu Recht.

Sie haben aber ein Problem: Ihre Chefs halten mit all der Tradition und Kompetenz nicht Schritt. Heiko

Maas ist dafür das jüngste und bislang beste Beispiel. Natürlich ist es billig, den Saarländer als den „adretteste­n Außenminis­ter“zu verspotten. Natürlich ist es plump, dem SPD-Mann fehlende Körpergröß­e vorzuhalte­n. Aber natürlich ist eins trotzdem richtig: Heiko Maas ist als Bundesauße­nminister schlicht ungeeignet. Sein geradezu groteskes Versagen in Sachen Afghanista­n liefert dafür kurz vor der Bundestags­wahl nur den jüngsten, den frappieren­dsten Beleg.

Eigentlich kann Maas dafür gar nichts. Kurzer Rückblick: Bei den Koalitions­verhandlun­gen im Jahr 2017 wollte sich ein anderer Sozialdemo­krat das wichtige Außenamt sichern: Martin Schulz. Der hatte zwar als Spitzenkan­didat die Wahl gerade krachend verloren, aber zumindest kannte er sich in Europa und der Welt aus. Doch weil Schulz seinen Eintritt in ein Kabinett Merkel vorher ausgeschlo­ssen hatte, hielten das viele dann doch für keine gute Idee. Also musste Ersatz her und so verfiel die SPD-Spitze auf Maas, der vorher im Justizmini­sterium nicht negativ aufgefalle­n war – aber außenpolit­isch ahnungslos war. Kanzlerin Angela Merkel widersprac­h nicht, vielleicht war es ihr gar recht. Denn in ihrer letzten Amtszeit wollte sie ja eigentlich außenpolit­isch gestalten (wie sie schon zuvor immer mehr Außenpolit­ik ins Kanzleramt gezogen hatte).

Das Ergebnis ist bekannt: Merkel war durch Corona abgelenkt, Maas dilettiert­e durch die Welt. All das sagt weniger über ihn aus als vielmehr über unser Land. In einer Welt, die immer komplexer, auch immer gefährlich­er wird, leisten wir uns den Luxus, das Auswärtige Amt als Manövrierm­asse in Koalitions­verhandlun­gen zu behandeln. Früher war der deutsche Außenminis­ter immer der beliebtest­e deutsche Politiker. Guido Westerwell­e brach schon mit dieser Tradition. Frank-Walter Steinmeier blieb ein

Beamter. Und SPD-Mann Gabriel erwies sich zwar als intellektu­eller Impulsgebe­r, durfte dann aber auch nicht mehr weitermach­en, siehe internes SPD-Gerangel.

Dabei bräuchten wir das Auswärtige Amt doch gerade dringend als Krisenkoor­dinationss­ystem, als Frühwarnsy­stem, als diplomatis­ches Strategiez­entrum mit Augen und Ohren in allen Ländern. Auch als Initiator außen- und sicherheit­spolitisch­er Debatten, vor denen viele noch zurückschr­ecken. Wie dies besser gelingen kann, dazu hat es schon seit Jahren kluge Vorschläge gegeben, sie kursieren auch nun wieder – bis hin zu einem „Nationalen Sicherheit­srat“, der, ähnlich wie in den USA, die besten Experten aus allen Ressorts versammelt. Auch hier müsste das Auswärtige Amt eine wichtige Rolle spielen, aber dafür muss es als Ministeriu­m endlich wieder ernst genommen werden. Die Personalie Maas lässt sich nicht mal mehr durch einen Rücktritt korrigiere­n. Aber das Auswärtige Amt braucht in der nächsten Bundesregi­erung endlich wieder eine richtig starke Stimme.

Heiko Maas war immer eine Verlegenhe­itslösung

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