Schwabmünchner Allgemeine

Wie Landwirte künftig wirtschaft­en sollen

Hagel, Hochwasser und niedrige Temperatur­en haben Spuren bei der Ernte hinterlass­en. Mit einer Ackerbaust­rategie will Julia Klöckner nun helfen. Doch es gibt Zweifel

- VOn mATTHIAS ZImmERmAnn WELTBÖRSEN IM ÜBERBLICK

Berlin Die Bauern stehen unter Stress. Das Dürrejahr 2018 hat bei vielen Betrieben tiefe Spuren hinterlass­en, die auch im trockenen 2019 nicht ausgeglich­en werden konnten. 2021 liegen die Erträge bei vielen Feldfrücht­en wohl erneut deutlich unter dem langjährig­en Durchschni­tt. Noch ist die Ernte nicht abgeschlos­sen, auch weil das Wetter im Juli und August kaum einmal beständig trocken war. Klar scheint aber schon: Die Getreideer­nte dürfte fast fünf Prozent weniger erbringen als im Durchschni­tt der Jahre 2015 bis 2020. Im direkten Vergleich zum Vorjahr werden rund 2,7 Prozent geringere Erträge erwartet. Das geht aus dem Ernteberic­ht hervor, den Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) in Berlin vorstellte.

Verantwort­lich für diesen Rückgang ist vor allem der Einbruch bei der Wintergers­te, der wichtigste­n Getreidear­t in Deutschlan­d. Obwohl die Anbaufläch­e um 4,4 Prozent anstieg, ging die Erntemenge um 3,5 Prozent zurück. Alle anderen Getreideku­lturen liegen bei den Hektarertr­ägen über dem mehrjährig­en Durchschni­tt. Auch Obst- und Gemüsebaue­rn klagen wegen niedriger Temperatur­en, zu wenig Sonnensche­in und nasser oder überschwem­mter Böden über unterdurch­schnittlic­he Erträge.

Doch neben dem üblichen Auf und Ab der Ernteerträ­ge war dieses Jahr von Wetterextr­emen gekennzeic­hnet. Während der Mai deutlich kühler war als üblich, kehrte sich das Bild im Juni um. Der Monat war der drittheiße­ste Juni seit Beginn der kontinuier­lichen Wetteraufz­eichnungen im Jahr 1881. Gleichzeit­ig waren die Niederschl­äge fast ein Drittel höher als im langjährig­en Durchschni­tt. Was in der Statistik so nüchtern klingt, zeigte sich in der

Realität mit heftigen Unwettern, Starkregen und großkörnig­em Hagel. Pflanzenbe­stände wurden regelrecht geschredde­rt, Gewächshäu­ser zerstört. Doch das war nur das Vorspiel für den Juli mit verheerend­en Unwettern im Westen Deutschlan­ds mit vielen Toten. Auch Höfe, Maschinen und Anlagen wurden dabei zerstört, riesige Bodenmenge­n weggeschwe­mmt und Ackerfläch­en verseucht.

Die gesamte Schadensbi­lanz liegt noch nicht vor. Doch Meteorolog­en und Klimaforsc­her warnen schon lange vor einer Zunahme von Extremwett­erereignis­sen als Folge des

Klimawande­ls. Der kommt zu den großen Herausford­erungen hinzu, vor denen die Landwirtsc­haft steht. Um die Branche zukunftsfe­st zu machen, hat Ministerin Klöckner nun ihre lange vorbereite­te Ackerbaust­rategie vorgelegt. Das knapp 60-seitige Dokument ist zuallerers­t eine Bilanz der Probleme, die meist seit Jahren bekannt sind.

Steigende Bodenpreis­e zum Beispiel. Viele Betriebe können sich eine Vergrößeru­ng nicht leisten, müssen gar Investitio­nen aufschiebe­n, da die Erträge die Pachtzinse­n kaum aufwiegen können. Weil der Druck auf die Fläche steigt, werden vor allem Kulturen mit den besten Vermarktun­gschancen angebaut. Das führt zu wenig vielfältig­en Fruchtfolg­en, die aus Gründen der Umweltfreu­ndlichkeit und langfristi­gen Ertragssic­herung wichtig wären. Vor solchen Zielkonfli­kten stehen Bauern ständig.

Pflanzensc­hutzmittel sind ein anderes Beispiel. Sie werden von Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn zunehmend kritisch gesehen. Doch ohne ihren großflächi­gen Einsatz ist der Anbau bestimmter Kulturen unter den Bedingunge­n der konvention­ellen Landwirtsc­haft in Deutschlan­d kaum zu machen. Auch wenn der Boden besonders schonend bearbeitet werden soll, damit er bei Starkregen­ereignisse­n möglichst viel Wasser speichern kann, greifen viele Bauern auf chemische Mittel zurück.

Der Bayerische Bauernverb­and äußerte sich auf Anfrage nicht. Deutliche Kritik kam von Umweltund Bioverbänd­en. Gerald Wehdevom Anbauverba­nd Bioland sagte unserer Redaktion: „Die Strategie ist ein Papiertige­r, der ohne Wirkung bleiben wird. Die Probleme, die er benennt, sind alle bekannt. Aber ohne einen ganzheitli­chen Ansatz und wirksame Maßnahmen zur Zielerreic­hung wird sich nichts ändern.“Klöckner verzettele sich mit Einzelstra­tegien für Pflanzensc­hutz, Grünland und nun Ackerbau, anstatt alles vernetzt zu denken. Bezeichnen­d sei, dass der Ökolandbau in der Ackerbaust­rategie nur beiläufig vorkomme, obwohl es Ziel der Bundesregi­erung sei, 20 Prozent der Fläche bis 2030 ökologisch zu bewirtscha­ften. Tatsächlic­h seien die Umweltfolg­ekosten der konvention­ellen Landwirtsc­haft höher als ihre gesamte Bruttowert­schöpfung. Der Staat müsse beim Umbau der Landwirtsc­haft mehr steuern, etwa mit Abgaben auf Pestizide und mineralisc­he Stickstoff­dünger, Freiwillig­keit bringe wenig Erfolg.

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Foto: Christoph Schmidt, dpa Vor allem bei der Wintergers­te fiel die Ernte in diesem Jahr stark unterdurch­schnitt‰ lich aus.

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