Zurück zur „alten Normalität“
Obwohl Ausstellungen wieder erlaubt sind, kommt die deutsche Messewirtschaft nur schleppend in Fahrt. In Augsburg und München blickt man optimistisch in die Zukunft. Die Americana und IAA finden im September statt
München/Augsburg Ob blutige Kämpfe um die Herrschaft auf fiktiven Kontinenten oder spannende Sport-Simulationen daheim auf der Couch vor dem Fernseher: Die virtuelle Welt ist für viele Computerspiele-Fans eine vertraute. Weniger erprobt dagegen ist, dass die beliebte Branchen-Messe Gamescom, die am Mittwoch in Köln startete, wegen Corona zum zweiten Mal ausschließlich digital stattfindet. Das Motto der diesjährigen Gamescom lautet zwar „die neue Normalität.“Die Messen Augsburg und München wollen sich allerdings trotz steigender Inzidenzen genau gegen diese neue Normalität stemmen.
Aktuell sind Messen in allen Bundesländern wieder unter CoronaAuflagen theoretisch zugelassen. Bis Ende des Jahres 2021 seien noch 113 Messen geplant, sagt Anne-Cathrin Böhl vom Ausstellungs- und MesseAusschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA). Gerade weil Messen langfristig geplant würden, sei es wichtig, dass die ausstellenden Unternehmen und Messeveranstalter seitens der Politik verbindliche Zusage haben. „Die Messewirtschaft braucht Planungssicherheit und Stabilität“, sagt Böhl.
Der AUMA fordert, dass die
Bundesländer sicherstellen, dass Messen innerhalb der aktuell bestehenden Hygienekonzepte und auf der Basis von 3G stattfinden können. Also, dass Geimpfte, Genesene aber auch Getestete unabhängig von der Inzidenz einen Zutritt erhalten. „Die Messebranche hat im letzten Jahr bereits bewiesen, dass Messen mit Hygienekonzepten sicher durchgeführt werden können“, sagt Böhl.
Die deutsche Messewirtschaft hatte vor der Pandemie einen jährlichen Umsatz von rund 4,1 Milliarden
Euro. Über 200 000 Arbeitsplätze werden der Branche zugeschrieben. Der Neustart kommt nun aber schleppend in Fahrt.
Das liegt auch daran, dass etwa 60 Prozent der Ausstellerinnen und Aussteller aus dem Ausland kommen, ein Drittel von ihnen aus dem europäischen Ausland. Für viele von ihnen ist eine Teilnahme an einer deutschen Messe abschreckend, weil sie sowohl nach ihrer Einreise nach Deutschland als auch nach ihrer Rückreise in ihr Heimatland in Quarantäne müssen.
Selbst für manch deutsches Unternehmen sind die Corona-Regeln sogar ein Grund, erst gar nicht die Messe zu veranstalten oder daran teilzunehmen. So wurde zuletzt die Leipziger Fachmesse „Jagd & Angeln“abgesagt mit der Begründung, die Maskenpflicht oder der 3G-Zugang würden das Messeerlebnis zu sehr beeinträchtigen.
Anders sieht es in Augsburg aus: Mit den geltenden Hygienevorgaben könne man gut leben, heißt es vom Veranstalter der Reitsportmesse Americana, die vom 8. bis 11. September stattfindet. Messe-Sprecher Oliver Grisz sagt: „Wir sind guter Dinge, dass wir jetzt ohne Rückschläge durchstarten können.“
Das Hygienekonzept in Augsburg sieht vor, dass nur geimpfte, genesene oder getestete Besucherinnen und Besucher die Messe besuchen können und dass Tickets nur online gekauft werden können. Es soll keine Tageskarten geben. Zudem gilt eine Maskenpflicht.
Grisz erhofft sich, dass die Americana zur Leuchtturmveranstaltung wird. Dieses Jahr sind noch einige Konzerte auf dem Augsburger Messegelände geplant. Für 2022 laufen die Planungen auf Hochtouren, sagt Grisz. „Wir werden mit Jagen und Fischen, der Augsburger Frühlingsausstellung und der Grintec ein straffes Auftaktprogramm im ersten
Quartal haben.“Auch die Messe München blickt zuversichtlich auf den Neustart. Wenn es angesichts der steigenden Inzidenzen anders kommen sollte, werden man entsprechend reagieren, sagt eine Sprecherin. „Die Sicherheit aller Teilnehmenden steht immer an oberster Stelle.“
Der Messe München liegen keine Absagen von Veranstaltern vor. Ganz im Gegenteil: Bei der Expo Real, der internationalen Fachmesse für Immobilien und Investitionen, haben schon mehr als 800 Unternehmen
ihre Teilnahme bestätigt. Die Münchner Messe arbeite zusätzlich an hybriden Konzepten, um den Kundinnen und Kunden auch ein digitales Angebot bieten zu können. Die Zukunft der Messewirtschaft solle eine Mischung aus Onlineund Präsenzevents sein, um das Beste aus beiden Sparten zu verknüpfen.
Eine hybride Veranstaltung wird die Internationale Automobilausstellung IAA sein, die ab 7. September zum ersten Mal in München stattfinden wird. Nach einer enttäuschenden IAA 2019 in Frankfurt hatte der Verband der Automobilindustrie einen Neustart in München beschlossen. Allerdings: Die IAA werde heuer nicht so groß sein, wie sie vor der Pandemie geplant war, sagt Messechef Klaus Dittrich. Die Branchenriesen Toyota, General Motors, der neue Stellantis-Konzern mit Fiat, Peugeot, Citroen und Opel haben abgesagt. Auch aus China werden weniger Teilnehmende erwartet als sonst üblich.
Ursprünglich waren einige interaktive Veranstaltungen in der Münchner Innenstadt geplant. Offen ist, ob alle stattfinden können. In der Landeshauptstadt gelten inzwischen strengere Corona-Regeln, weil die Inzidenz zum dritten Mal in Folge über 50 lag. Bei öffentlichen Veranstaltungen ist die maximal zulässige Personenzahl auf 50 Personen unter freiem Himmel und auf 25 Personen in geschlossenen Räumen begrenzt.
Fest steht bereits, dass die Showbühne am Königsplatz nicht aufgebaut wird. Lutz Mayer, der Kommunikationschef der IAA, sagt, die neuen Corona-Regeln der Stadt München seien kein Problem. Vieles finde Open Air statt. Es bleibe allerdings eine Herausforderung, eine internationale Messe dieser Größenordnung unter Pandemiebedingungen zu veranstalten.
Planungen der Messe Augsburg auf Hochtouren
Ohne hybride Konzepte geht es kaum mehr