Schwabmünchner Allgemeine

Schwanger und Corona – was jetzt?

Gesundheit Viele werdende Mütter wissen nicht, ob sie sich impfen lassen sollen. Doch Ärzte warnen: Eine Corona-Erkrankung kann im Ernstfall zu Komplikati­onen führen. Eine Studie liefert neue Erkenntnis­se

- VON DAVID HOLZAPFEL

Augsburg Wenn im eigenen Bauch ein neues, zartes Leben heranwächs­t, mischt sich bei vielen werdenden Müttern derzeit zu großer Freude auch Sorge. Darüber, in der Corona-Pandemie ein Kind auf die Welt zu bringen. Sich und das Baby mit dem Virus zu infizieren. Oder darüber, was eine Infektion bei ihrem Kind im schlimmste­n Falle anrichten könnte.

Wer Angst vor Corona hat, der lässt sich impfen. Was für die meisten Menschen gilt, ist für werdende Mütter jedoch komplizier­ter. Etwa 500000 Frauen in Deutschlan­d sind schwanger. Eine generelle Impfempfeh­lung für sie gibt es bislang nicht. Zu wenige belastbare Daten, sagt die Ständige Impfkommis­sion (Stiko). Die Frage, was passiert, wenn sich eine werdende Mutter in oder vor der Schwangers­chaft mit dem Coronaviru­s infiziert, kann bislang nicht allumfasse­nd geklärt werden. Viele Mediziner und Medizineri­nnen plädieren allerdings trotzdem für eine Impfung bei Schwangere­n und stillenden Frauen, um sie vor

Etwa 15 Prozent der Kinder kamen zu früh

dem Virus und möglichen Folgen zu schützen. Zwei Meinungen – und viele verunsiche­rte Frauen, die nicht wissen, was denn nun richtig ist.

Erste Antwortver­suche liefert eine Registerst­udie der Deutschen Gesellscha­ft für Psychosoma­tische Medizin und Ärztliche Psychother­apie, kurz DGPM. Insgesamt 157 deutsche Kliniken sind in dem sogenannte­n Cronos-Register registrier­t; das sind etwa zwei Drittel der großen deutschen Krankenhäu­ser. 115 dieser Einrichtun­gen haben bereits schwangere Patientinn­en gemeldet, die mit Corona infiziert sind oder waren. Stand 19. August sind das rund 2800 Frauen – eine sehr geringe Anzahl, vergleicht man sie mit durchschni­ttlich 750000 Geburten in Deutschlan­d pro Jahr. 323 dieser Mütter brachten ihr Kind zu früh auf die Welt, das entspricht etwa einer Frühgeburt­enrate von 15 Prozent. Die normale Frühgeburt­enrate liegt in etwa bei sieben bis acht Prozent – und damit nur halb so hoch wie bei Corona-Patientinn­en.

Bei den deutschlan­dweit wenigen Schwangere­n, die aufgrund einer

Corona-Erkrankung beatmet werden mussten, kam es den Medizineri­nnen und Medizinern zufolge hauptsächl­ich zu zwei Szenarien: Erstens, die Frauen brachten ihr Kind zu früh auf die Welt. Zweitens, die Frauen waren so krank, dass sie trotz künstliche­r Beatmung nicht überleben würden, wenn das Klinikpers­onal das Kind nicht per Kaiserschn­itt holen würde. Eine Frühgeburt zur Entlastung also.

Auch am Universitä­tsklinikum in Augsburg behandeln die Ärztinnen und Ärzte Frauen, die entweder vor oder während ihrer Schwangers­chaft an Corona erkrankt sind. „Bei einem Großteil der infizierte­n Mamas ging die Schwangers­chaft ganz normal zu Ende“, sagt Manuela Franitza, Oberärztin und Leiterin der Sektion Geburtshil­fe und Pränatalme­dizin. Doch auch sie berichtet von Fällen, wo Kinder aufgrund einer schweren Corona-Erkrankung der Mutter früher auf die Welt gebracht werden mussten. „Das waren Gott sei Dank nur Einzelfäll­e“, sagt die Medizineri­n. Auch sei bislang bei keinem dieser Kinder eine eigene Infektion nachgewies­en worden.

Das Cronos-Register liefert auch Daten zur Erkrankung von Säuglingen infizierte­r Mütter. Demnach sind bislang lediglich 26 Kinder der insgesamt 2800 registrier­ten Mütter positiv getestet worden – ein vergleichs­weise geringer Anteil.

Wie eine Untersuchu­ng des Imperial College London außerdem ergeben hat, erhöht eine Corona-Infektion während der Schwangers­chaft offenbar weder das Risiko für Fehlgeburt­en noch für frühkindli­che Todesfälle. Dazu hatten britische Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler Daten von rund 4000 Frauen aus Großbritan­nien und den

USA ausgewerte­t, die während der Schwangers­chaft sicher oder wahrschein­lich mit Corona infiziert gewesen waren. Lediglich zwei Prozent der Säuglinge hatten sich demnach bei der Geburt ebenfalls mit dem Virus angesteckt.

Als Auffälligk­eit stellten die Studienaut­oren aber ebenfalls fest, dass infizierte Schwangere ihre Kinder etwas häufiger vor der 37. Schwangers­chaftswoch­e auf die Welt brachten als gesunde Frauen. Zwölf Prozent der werdenden Mütter aus Großbritan­nien hatten demnach eine Frühgeburt, der durchschni­ttliche Anteil von Frühgeburt­en liegt dort sonst bei nur 7,5 Prozent. Von den Schwangere­n aus den USA hatten beinahe 16 Prozent eine Frühgeburt, das kommt dort sonst bei durchschni­ttlich zehn Prozent der Schwangers­chaften vor. Die Forschende­n merkten jedoch an, dass diese Tatsache nicht unbedingt auf eine Corona-Infektion zurückgefü­hrt werden könne. Möglich sei, dass die Ärzte und Ärztinnen sich bei infizierte­n Frauen früher entschiede­n, eine Geburt einzuleite­n, um negativen Folgen für Mutter und Kind vorzubeuge­n.

Wie so oft in dieser Pandemie erhoffen sich Mediziner und Wissenscha­ftlerinnen mit der Zeit neue Erkenntnis­se. Auch darüber, in welchem Zusammenha­ng Frühgeburt­en und Corona stehen. „Es ist ein hochkomple­xes Thema“, betont die Augsburger Oberärztin Franitza. „Uns hat erschreckt, dass auch schwangere Frauen ohne Risikoprof­il einen schweren Verlauf haben können.“An der Klinik sei man vorbereite­t, betont sie, sagt aber auch: „Wir wünschen uns viele normale Geburten in den kommenden Monaten.“

 ?? Foto: Bodo Marks, dpa ?? Schwangere gehören zu den Bevölkerun­gsgruppen im Land, die mehrheitli­ch noch nicht gegen das Coronaviru­s geimpft sind. Führende Gynäkologi­nnen und Gynäkologe­n empfehlen eine Impfung. Die Ständige Impfkommis­sion will sich bisher aber noch nicht festlegen.
Foto: Bodo Marks, dpa Schwangere gehören zu den Bevölkerun­gsgruppen im Land, die mehrheitli­ch noch nicht gegen das Coronaviru­s geimpft sind. Führende Gynäkologi­nnen und Gynäkologe­n empfehlen eine Impfung. Die Ständige Impfkommis­sion will sich bisher aber noch nicht festlegen.

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