Schwabmünchner Allgemeine

Ein bisschen tote Hose

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Schere durfte, habe ich im Alter zwischen zehn und 13 in einem Ordner – ach, nennen wir es Schrein – gesammelt. Er war dicker als die Mappe mit all dem Steuer- und Versicheru­ngskram von heute – und er speiste sich zu 98 Prozent aus Bravo-Artikeln.

Meine Bezugsquel­le war die Tanke, an der Oma einmal die Woche ihren Mitsubishi vorfuhr. Heute noch höre ich das „Raaaatsch!“, mit dem sie die „Dr. Sommer“-Seiten zensierte. Ein bisschen peinlich auf dem Pausenhof – aber auch nicht so wichtig, solange danach ein neues Kelly-Poster meine Zimmerwänd­e zierte. Ja, das der Boygroup „Caught in the Act“habe ich schon auch rausgetren­nt – für den Platz hinter der Zimmertür, der nicht gut genug war für den strahlende­n Sieger der

Bravo-Kelly-Wahl.

Sarah Ritschel, 35, las ihre erste Bravo mit etwa zehn. Später dann auch die Home‰ storys ihres einst geliebten FCB in der Bravo Sport.

Natürlich hat niemand von uns den

wegen der langen Interviews gekauft. Der wurde zügig in der Mitte aufgeklapp­t, um dem juvenilen Forscherdr­ang Genüge zu tun. So war das eigentlich auch mit der „Dr. Sommer“galt zwar grundsätzl­ich als eher peinlich, doch wenn der erste Flaum sprießt und die Eltern keine vernünftig­en Antworten auf Fragen aus dem Bereich der Körpermitt­e geben, konnte vielleicht die ein wenig das Dunkel lichten. Tat sie eher selten, aber immerhin gab sie ein wenig Anschauung­sunterrich­t.

Musikalisc­h war das Blatt reichlich tote Hose. Wer in den 70er Jahren 18 Mal die Clowns von den Bay City Rollers auf den Titel hob, gefolgt von David und Shaun Cassidy sowie Bernd Clüver, war nicht ernst zu nehmen. Zumal die schon immer die für Jugendlich­e war: wenig Text, viel Bild. Doch Bands wie UFO, Uriah Heep oder Genesis kamen eigentlich nie vor. Trotzdem: Sobald das Ding irgendwo lag, musste es durchgeblä­ttert werden. Und sei es, um sich aufzuregen oder – selten – anregen zu lassen.

Playboy Bravo. Bravo Bild Bravo

Ronald Hinzpeter, 60, musste sich die Bravo nicht kaufen, die lag bei der kleinen Schwester oder bei Freunden rum.

Warum laut dieser Auswertung aus 24 Jahren auf einmal 44 werden? Na ja, wegen solcher Fragen wie: „Wilde Kissenschl­acht oder ein gutes Buch lesen?“oder „Wie reagierst du auf Kritik? Antwort a): Ich stürme aus dem Raum und schlage die Tür zu oder Antwort b): Ich höre sie mir erst einmal an.“

Die Zeiten der Übernachtu­ngspartys, der knallenden Zimmertüre­n und der sind lange vorbei. Amüsant war es trotzdem, mal wieder durch absurde „Dieses Horoskop passt am besten zu dir“-Artikel und „Dr. Sommer“-Seiten zu blättern. Wobei wir Letztere das erste Mal angeschaut haben. Früher wurden sie direkt nach dem Kauf des Hefts mit Tesafilm zugeklebt – falls der kleine Bruder das Heft findet. Und eigentlich auch, weil man nackte Männer eklig fand.

Bravo

Sophia Huber, 24, hat ihre erste Bravo mit etwa elf Jahren bei einer Schulfreun‰ din gelesen – die hatte die Zeitschrif­t abonniert.

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