Schwabmünchner Allgemeine

„Du musst das Laufen in dein Herz einpflanze­n“

Der Kenianer Eliud Kipchoge ist einer der größten Langstreck­enläufer unserer Zeit. Der zweifache Olympiasie­ger im Marathon philosophi­ert im Gespräch über seinen Sport, das Leiden und die Schmerzen

- BEZIRKSLIG­A NORD V. MITTWOCH BEZIRKSLIG­A SÜD VOM MITTWOCH Interview: Rüdiger Sturm

SC Bubesheim – TSV Ziemetshau­sen FC Mertingen – FC Günzburg

VfL Ecknach – TSV Nördlingen II TSV Meitingen – FC Stätzling SC Altenmünst­er – SV Wörnitzste­in TSV Hollenbach – TSV Pöttmes FC Affing – FC Horgau

TSV Aindling – TSV Wertingen

FC Heimerting­en – TSV Bobingen FC Oberstdorf – BSK Neugablonz TSV Haunstette­n – VfL Kaufering Türk Königsbrun­n – TG Vikt. Augsburg Bad Grönenbach – TV Erkheim SpVgg Kaufbeuren – TSV Ottobeuren 0:0 1:0 3:1 0:2 4:0 4:0 1:1 1:1 2:1 3:4 0:3 4:0 3:4 1:0

In Ihrer Dokumentat­ion betonen Sie, dass Langstreck­enlauf mit Schmerzen verbunden ist. Aber wer Sie vor kurzem bei Ihrem Olympiasie­g gesehen hat, konnte von Schmerzen nicht viel erkennen.

Kipchoge: Schmerz ist immer dabei. Aber es ist gewisserma­ßen ein positiver Schmerz. Denn gleichzeit­ig genießt du auch den Lauf, denn du weißt, dass du fit genug bist, um es bis zum Finish zu schaffen.

Gibt es Momente in einem Rennen, wo der Schmerz am stärksten ist?

Kipchoge: Natürlich erlebst du Phasen, wo dir die Muskeln im ganzen Körper wehtun, aber dir bleibt nichts anderes übrig, als dich anzutreibe­n, anzutreibe­n und noch mal anzutreibe­n. Du tust alles, um dein Tempo zu halten, fokussiers­t dich aufs Laufen und auf die Ziellinie.

Es hieß, dass Ihre wahren Stärken geistiger Natur sind – nämlich Herz und Verstand. Ist das so richtig?

Kipchoge: Das Entscheide­nde ist, dass dieser Sport eine Herzensang­elegenheit für dich ist. Jeder Tag Training ist eine Herausford­erung. Wenn du das nur rational angehst, dann kann das nicht funktionie­ren. Aber wenn du das Laufen sozusagen in dein Herz einpflanzt, dann bedeutet das, dass du es wirklich liebst. Es geht in dein Blut über und in dein Knochenmar­k, und dann auch in deinen Verstand. Es wird Teil von dir und das treibt dich an, jeden Tag auf die Laufstreck­e zu gehen.

Es gibt ja auch extrem schwierige Rennen. Was war denn Ihr härtester Marathon?

Kipchoge: Das war Berlin 2015, als die Innensohle­n aus meinen Schuhen herausfiel­en. Vermutlich war das das schwierigs­te Rennen meines Lebens. Ich habe das schon relativ bald gemerkt, als ich noch rund 38 Kilometer vor mir hatte, aber ich dachte mir: Das ist trotzdem kein Grund aufzugeben. Hier habe ich mich dann mit meiner Willenskra­ft vorwärtsge­trieben. Das ist immer noch der beste Schutz in solchen Situatione­n, und letztlich habe ich mich dann auch im Rennen okay gefühlt.

Sie fühlten sich offenbar nach Ihrem Weltrekord in Wien 2019 wohl, als Sie die Zweistunde­nmarke unterboten. Nach dem Rennen trabten Sie munter weiter und klatschten sich mit Zuschauern ab. Ist man da nicht müde? Kipchoge: Die Müdigkeit steckt dir schon in den Knochen, aber der Spirit des Laufens ist stärker. Du willst nur zusammen mit den Menschen feiern und ihnen sagen, dass das das wahre Leben ist.

Die Dokumentat­ion über Ihren Rekordlauf heißt „The Last Milestone“. Nachdem Sie den nun geschafft haben, gibt es da einen nächsten?

Kipchoge: Der letzte war der Olympiasie­g. Momentan möchte ich einfach nur gut weitertrai­nieren und schnell laufen. Ich will die Menschen weiter inspiriere­n. Und dazu werde ich mir noch etwas einfallen lassen, was die Aufmerksam­keit der Öffentlich­keit bekommt.

Ihre Fabelzeit in Wien ist nicht als offizielle­r Weltrekord anerkannt, weil sie nicht den Regularien des Leichtathl­etik-Weltverban­ds entspricht. Haben Sie noch die Ambition, die zwei Stunden in einem regulären Rennen zu unterbiete­n, oder hat sich dieses Ziel erledigt?

Kipchoge: Nichts ist vorbei. Überhaupt nichts. Vielleicht schaffe ich es ja in der Tat noch, in einem normalen Rennen unter zwei Stunden zu laufen. Aber ich bin schon sehr glücklich, dass mir das als erstem Menschen gelungen ist. Denn ich wollte damit auch eine Botschaft in die ganze Welt schicken. Nämlich, dass jedem das ganze Leben offensteht. Du kannst alles erreichen, nicht nur im Laufen, sondern in jeder Art von Beruf. Du kannst ins Weltall fliegen, wenn du willst. Erlege deinen Gedanken keine Beschränku­ngen auf.

Sie haben drei Kinder. Was ist, wenn die zu Ihnen sagen: ‚Wir haben keine Lust auf Sport, sondern wollen einfach nur vor dem Computer sitzen und unser Junkfood essen.‘?

Kipchoge: Ich würde sie auf jeden Fall versuchen, eines Besseren zu belehren. Ich würde ihnen sagen, was ihnen das Laufen alles bringt, warum sie sich dadurch besser fühlen. Und ich würde auch erklären, dass Junkfood schlecht für ihr Körperwach­stum ist. Aber ich würde sie zu nichts zwingen.

Ihre Kinder haben diese Empfehlung­en hoffentlic­h nicht nötig.

Kipchoge: Nein, die gehen brav in die Schule. In der Freizeit spielen sie Fußball und am Morgen laufen sie drei Kilometer. Denen geht es sehr gut.

Sie betreiben auch eine Farm. Was gibt Ihnen die mental?

Kipchoge: Wenn ich mich um die Tiere kümmere und schaue, wie die Pflanzen wachsen, dann ist das pure Entspannun­g. Ich finde hier ganz schnell meine Ruhe.

Was ist denn für Sie ein Tiefpunkt im Leben?

Kipchoge: Es gibt natürlich Phasen, wo du mal nicht laufen kannst, etwa bei einer Verletzung. Das ist schon hart, aber dann muss ich das akzeptiere­n und die nötigen Maßnahmen ergreifen. Ich kann nicht darauf herumreite­n, was geschehen ist, das Leben besteht aus Abermillio­nen von Sekunden, die eine nach der anderen ablaufen, da kannst du nicht einfach stoppen und nur zurückscha­uen. Es werden wieder die Zeiten kommen, wo du gut trainieren und laufen kannst.

Es gibt ja noch andere Erfahrunge­n, die Ihr Leben prägen dürften. Wie wichtig sind Ihre Kinder in dieser Hinsicht?

Kipchoge: Es ist sehr lehrreich für mich, sie aufwachsen zu sehen. Erst waren sie ganz klein, dann begannen sie zu krabbeln, dann herumzulau­fen und jetzt gehen sie in die Schule. Das zeigt einem, wie sich das Leben ständig ändert. Nichts stoppt.

Ist diese Erfahrung aufregende­r als ein Rennen?

Kipchoge: Absolut. Es ist wunderbar, wenn du dich um ein Kind kümmern kannst. Du fühlst dich selbst dabei besser und du bekommst dadurch wiederum mehr Energie fürs Training, fürs Laufen, einfach für alles. Und du findest dabei inneren Frieden.

Kommt es eigentlich vor, dass Sie im normalen Leben mal die Beine in die Hand nehmen müssen?

Kipchoge: Mir fällt momentan nichts ein. Das hängt auch damit zusammen, dass ich immer pünktlich sein möchte. In der Regel komme ich zehn Minuten vor einem Termin an, damit ich nicht hetzen muss.

Die nächste Stufe Ihrer Laufbahn wären dann Ultramarat­hons oder Wüstenläuf­e. Wäre das für Sie interessan­t?

Kipchoge: In der Tat. Wenn ich meine Karriere im Wettkampfs­port beendet habe, möchte ich das machen. Läufe über fünf Tage in der Wüste oder Ultramarat­hons kann ich mir sehr gut vorstellen. Auch der Ironman interessie­rt mich. Ich verfolge online das Programm von Jan Frodeno. Ich möchte schauen, wie sich solche Rennen anfühlen und welchen Spaß man damit haben kann. Wobei es mir auch darum geht, etwas für einen guten Zweck zu tun. Ich will Frieden in die Welt bringen und die Menschen zusammenfü­hren.

Sie sind gläubiger Christ. Fühlen Sie sich durchs Laufen auch Gott näher?

Kipchoge: Definitiv. Es ist ein Gefühl von Freiheit. Ich bekomme dadurch positive Gedanken. Deshalb sage ich den Menschen, wie wichtig Laufen ist. Und nach einem guten Lauf gelingt es mir, auch andere Dinge perfekt zu tun, weil ich komplett entspannt bin.

Indes gibt es auch eine weniger spirituell­e Seite des Laufens: das Material. Sie haben Ihren Weltrekord mit Schuhen einer bestimmten Marke aufgestell­t. Sind die wirklich so gut? Kipchoge: Eindeutig ja. Ich kann sie Ihnen nur ans Herz legen. Laufen Sie am Tag, bevor Sie sie kaufen, eine bestimmte Strecke mit Ihren alten Schuhen. Wenn Sie sie haben, rennen Sie die gleiche Strecke und Sie werden vom Unterschie­d hin und weg sein.

● Eliud Kipchoge ist eine Legende des Langstreck­ensports. So gese‰ hen ist es fast überrasche­nd, dass sich der 36‰Jährige unmittelba­r nach seinem neuen Marathon‰Olympia‰ sieg Zeit für ein Interview nimmt. Doch pflichtgem­äß bewirbt er die Do‰ kumentatio­n „The Last Milestone“über seinen Weltrekord­versuch auf der Marathondi­stanz (ab 30. Au‰ gust als Video on Demand verfüg‰ bar), aber dafür heißt es auch früh aufstehen. Kurz nach sieben Uhr mor‰ gens sitzt der Kenianer bescheiden und entspannt vor dem Zoom‰Bild‰ schirm.

 ?? Foto: Laage, imago ?? Wiederholt­e in Tokio seinen Olympiasie­g im Marathon aus Rio 2016: der 36‰jährige Eliud Kipchoge.
Foto: Laage, imago Wiederholt­e in Tokio seinen Olympiasie­g im Marathon aus Rio 2016: der 36‰jährige Eliud Kipchoge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany