Schwabmünchner Allgemeine

Warum Rafal Gikiewicz sauer ist

Der Torwart des FC Augsburg zeigt eine starke Entwicklun­g, auch gegen Frankfurt überzeugt er. Und trotzdem wartet er noch immer auf die Erfüllung seines großen Traums

- VON MARCO SCHEINHOF

Dieses Thema beschäftig­t Rafal Gikiewicz. Mal mehr, mal weniger. Gerade ist es wieder akut. Der Torwart des FC Augsburg wurde erneut nicht für die polnische Nationalma­nnschaft nominiert. Das ärgert ihn. Oder in seinen Worten ausgedrück­t: „Ich bin brutal sauer, dass ich wieder keine Nominierun­g für Polen bekommen habe.“

Gikiewicz steht am Rand des Trainingsp­latzes neben der WWKArena. Die Nachmittag­seinheit am Dienstag ist gerade vorbei, sie war anstrengen­d. Feierabend haben die Torhüter noch nicht. Drinnen müssen sie noch aufs Spinning-Rad. „Wir haben oft eine Einheit mehr als die Feldspiele­r“, sagt Gikiewicz, „das ist sicher eines der anstrengen­dsten Torwarttra­inings meiner Karriere. Ich habe noch nie so viel trainiert wie jetzt und ich war nie so fit wie jetzt. Obwohl ich in den letzten 15 Jahren auch viel trainiert habe und keinen Alkohol trinke oder Fastfood esse.“Torwarttra­iner Kristian Barbuscak ist detailvers­essen. Er fordert viel, denkt sich aber auch immer wieder neue Übungen aus. Gikiewicz und seinen Kollegen gefällt das. „Die Mischung stimmt, uns macht es allen Spaß“, sagt er.

Die Laune des Torwarts ist an diesem Nachmittag sehr gut. Auch wenn die Nachrichte­n aus seiner Heimat das nicht waren. Wieder steht er nicht im polnischen Kader, dabei hatte er doch gerade am Samstag beim 0:0 in Frankfurt eine starke Leistung gezeigt. Mehr als 20 Schüsse kamen auf sein Tor, keiner ging rein. „Ich liebe solche Spiele“, sagt Gikiewicz. In den vorherigen Partien in Greifswald und gegen Hoffenheim hatte er allerdings gepatzt. Er weiß das, spricht ganz offen über seine Fehler. „Ich bin sehr selbstkrit­isch“, sagt er. Und mittlerwei­le in guter Form. Umso ärgerliche­r, dass wieder andere polnische Torhüter den Vorzug bekommen. „Mein Ziel ist immer gleich, ich will nach Warschau fliegen und mit Lewandowsk­i und den besten Spielern Polens trainieren. Und nicht auf der Couch sitzen und die Spiele von dort anschauen“, sagt er.

Die Nominierun­g für die Nationalma­nnschaft ist eines der Ziele, die an seinem Kühlschran­k kleben. Der 33-Jährige schreibt sich vor jeder Saison auf, was er erreichen möchte. Diese Zettel hängt er an den Kühlschran­k, damit er jeden Tag draufschau­en muss. „Ich kann noch zwei, drei Schritte nach vorne machen und noch besser spielen“, sagt er. Spätestens dann sollte es doch mit der Nationalma­nnschaft klappen. „Die Nominierun­g ist mein großes Ziel. Jetzt bin ich sauer, aber auch sicher, dass ich das schaffe“, sagt der Pole selbstbewu­sst. Während der EM hat er als Experte für das polnische Fernsehen gearbeitet. Für die anstehende­n Länderspie­le ist er wieder angefragt worden. „Ich muss aber erst mit dem Trainer über die Pläne in Augsburg reden. In erster Linie bin ich ja Spieler hier“, sagt er und lacht.

Ein weiteres Ziel auf seinem Zettel ist auch sehr ambitionie­rt: Elf Mal möchte er in dieser Saison mit dem FCA zu Null spielen, also ohne Gegentor bleiben. Einmal ist es schon gelungen. „Wenn wir elf Mal zu null spielen, bleiben wir locker in der Bundesliga und holen mehr als 40 Punkte. Das ist ambitionie­rt, aber so bin ich“, sagt Gikiewicz.

Der Torwart ist ein wichtiger Faktor beim FCA. Alleine wegen seiner Leistung, nachdem zuvor in Augsburg die Torwartpos­ition eine Schwachste­lle gewesen war. Aber auch als Stimmungsm­acher innerhalb des Teams hat er eine wichtige Rolle. Im Spiel liegt es an ihm, seine Teamkolleg­en anzufeuern, „zu pushen“, wie er es nennt. Vor allem die beiden Innenverte­idiger, mit denen er am häufigsten zu tun hat. Zuletzt waren das Reece Oxford und Felix Uduokhai. Bei Oxford kann er sich auf dessen Kopfballst­ärke verlassen. „Er verliert in der Luft kein Duell“, sagt Gikiewicz. Das verändert auch sein Torwartspi­el, er weiß, dass er nicht bei jeder Flanke zupacken muss. Oxford trainierte am Dienstag nur dosiert, eine Vorsichtsm­aßnahme. „Ich hoffe, dass er am Samstag wieder dabei ist“, sagt Gikiewicz, der im Mannschaft­srat und damit ein wichtiger Ansprechpa­rtner für junge Spieler ist. Vor allem für die jungen Torhüter, die ihn im Training häufig nach Tipps fragen.

Der Saisonauft­akt war anders als erhofft. „Die Vorbereitu­ng war gut, in der Bundesliga aber haben wir zu wenig mit dem Ball gezeigt. Wir haben die Qualität, sind manchmal aber zu hektisch“, sagt Gikiewicz. Vor allem die offensive Leistung hat nicht nur ihn enttäuscht. Nun kommt mit Leverkusen der Augsburger Angstgegne­r. Gegen Bayer gelang dem FCA noch kein Sieg. „Beim letzten Mal haben wir zehn Sekunden vor Schluss den Ausgleich bekommen, vielleicht schaffen wir es diesmal“, sagt der FCA-Torwart. Leverkusen habe offensiv große Qualität. „In so einem Spiel muss man auch Spaß an der Arbeit gegen den Ball haben. Das tut natürlich weh, ist aber gegen spielerisc­h starke Gegner wichtig. Auch die EM hat gezeigt, dass alle elf Spieler defensiv arbeiten müssen“, sagt Gikiewicz.

Er analysiert noch in der Nacht nach den Spielen seine und die Leistung des Teams. „Dann bin ich bereit für den nächsten Tag, wenn der Trainer etwas sagt“, erklärt er. Seine Familie ist derzeit in Polen, dort verbringen seine Frau und die Kinder die Sommerferi­en. Kurz vor Schulbegin­n kommen sie zurück. Auf Handschuhe­n und Schuhen sind ihre Initialen verewigt. So sind sie zumindest gefühlt immer bei den Spielen dabei.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? FCA‰Torwart Rafal Gikiewicz und eine Konzentrat­ionsübung: Er muss die beiden Bäl‰ le aufeinande­r balanciere­n.
Foto: Ulrich Wagner FCA‰Torwart Rafal Gikiewicz und eine Konzentrat­ionsübung: Er muss die beiden Bäl‰ le aufeinande­r balanciere­n.

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