Schwabmünchner Allgemeine

Beziehungs­streit wird mit Fäusten ausgetrage­n

Das Amtsgerich­t verurteilt einen gewalttäti­gen Pfleger zu einer Freiheitss­trafe auf Bewährung plus Geldstrafe

- VON MICHAEL SIEGEL

Vor der Wohnungstü­re steht der „Ex“, in der Wohnung steht ihr aktueller Partner und werdender Vater eines weiteren Kindes. Die Männer geraten in Streit, der Angeklagte „kickt“den Geschädigt­en die Treppe hinunter. Jetzt wurde der Täter vor dem Augsburger Amtsgerich­t zu einer Bewährungs-Freiheitss­trafe von einem Jahr sowie einer Geldauflag­e von 2000 Euro verurteilt.

Oktober 2020: Der 31-jährige Geschädigt­e, Baggerfahr­er von Beruf, will seinen Sohn in der Wohnung seiner ehemaligen Partnerin zu einem vereinbart­en Zoo-Besuch abholen. Er klingelt, hinter der Mutter erscheint in der Wohnungstü­re der momentane Lebensgefä­hrte der Frau, der 29-jährige Angeklagte.

Beruflich arbeitet er als stellvertr­etender Bereichsle­iter eines Pflegeheim­s. Beide Männer beginnen zu diskutiere­n. Nach Meinung des Geschädigt­en habe sich der Angeklagte wie so oft ungefragt in Angelegenh­eiten zwischen ihm, seiner ehemaligen Freundin und dem gemeinsame­n Sohn eingemisch­t. Nachdem ihn der Angeklagte auf seine achtjährig­e Erfahrung als Thai-Boxer hingewiese­n hat, tritt der 29-Jährige dem Baggerfahr­er mit dem Fuß gegen den Kopf.

Der 31-Jährige stürzt einige Stufen das Treppenhau­s nach unten, verletzt sich dabei. Der Geschädigt­e berappelt sich, wie er es Richterin Rita Greser beschreibt, steigt wieder hinauf und fragt, ob das alles gewesen sei. War es nicht, umgehend bezieht er weitere Faustschlä­ge auf den Kopf und ins Gesicht.

Was dann bei der Aufnahme des Sachverhal­ts durch die Polizei folgt, erfährt ein ausdrückli­ches Lob der Richterin.

Die Kindsmutte­r „eiert nicht rum“, sondern schildert dort – offensicht­lich nicht einverstan­den mit dem Vorgehen ihres aktuellen Partners – dessen Schläge gegen ihren Ex. Angesichts der Sachlage liegt es nahe, dass Verteidige­r Moritz Bode um ein Rechtsgesp­räch bittet, um auszuloten, welche Vergünstig­ung für seinen Mandanten im Falle eines Geständnis­ses möglich ist. Zwischen zwölf und 16 Monaten Freiheitss­trafe vereinbare­n die Richterin, die Staatsanwä­ltin und der Verteidige­r als Rahmen, aussetzbar zur Bewährung, plus eine 2000-Euro-Geldauflag­e.

Der Angeklagte akzeptiert die Verfahrens­verständig­ung und lässt vom Anwalt sein Geständnis vortragen. Dementspre­chend sei es bei dem Zusammentr­effen der beiden Männer bei aggressive­r Stimmung zu besagtem Streit gekommen. Mit seinen Tritten und Schlägen habe er zweifellos überreagie­rt, was sein Mandant bedauere.

Während Staatsanwä­ltin Julia Egermann eine Freiheitss­trafe von 14 Monaten wegen gefährlich­er Körperverl­etzung fordert, plädiert Rechtsanwa­lt Bode auf eine Freiheitss­trafe von nicht mehr als einem Jahr. Bode nennt die positive Sozialprog­nose für seinen Mandanten - er habe Arbeit und Wohnsitz, eine Partnerin und werde demnächst Vater - als Begründung dafür, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Die Staatsanwä­ltin hatte angeführt, dass die Tat stattfand, als der Angeklagte noch wegen fortgesetz­ten Fahrens ohne Führersche­in unter Bewährung gestanden habe.

Richterin Greser verurteilt den Angeklagte­n zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr, die sie auf Bewährung aussetzt. Man müsse von Glück reden, dass bei der Attacke nichts Schlimmere­s passiert sei. Als Bewährungs­auflage setzt sie eine Geldbuße in Höhe von 2000 Euro für den Hospizvere­in Albatros fest, die der Angeklagte in Raten abbezahlen darf. Weil das Urteil auf einer Verständig­ung beruht, kann es frühestens eine Woche später rechtskräf­tig werden.

Ob das das letzte Wort ist? Der Geschädigt­e 31-Jährige kündigte an, wegen anhaltende­r gesundheit­licher Einschränk­ungen nach der Verurteilu­ng Zivilklage erheben zu wollen.

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